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Politik

Präsidentenwahl in Polen ist verschoben

7. Mai 2020

Nach Kritik im Regierungslager wird die Präsidentenwahl nicht, wie geplant, am 10. Mai stattfinden. Die PiS will sie im Juni abhalten. Klarer Favorit ist der PiS-Kandidat und amtierende Staatspräsident Andrzej Duda.

Polen, Warschau: Außenansicht Präsidentenpalast
Der Präsidentenpalast in WarschauBild: Imago/A. Hettrich

Die künftige Wahl soll als allgemeine Briefwahl abgehalten werden. Das Parlament hat am Donnerstag die dafür notwendige Änderung des Wahlrechts abgesegnet. Diese Form, die Wahlen abzuhalten, würde laut PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski das mit der Coronavirus-Pandemie verbundene Ansteckungsrisiko reduzieren. Die Briefwahl wurde vom Sejm, dem Unterhaus, schon Anfang April beschlossen. Doch der Senat, das Oberhaus, hat ein Veto eingelegt. Mit der Ablehnung des Vetos ist das Gesetz jetzt endgültig verabschiedet.

Kompromiss nach der Regierungskrise

Die ursprünglich für den kommenden Sonntag angesetzten Wahlen werden zwar nicht abgesagt, weil es verfassungsrechtlich schwierig wäre. Die Regierung hat aber ein juristisches Schlupfloch gefunden, indem die Wahlen einfach nicht abgehalten werden. Dann könnte das Oberste Gericht die Wahlen als ungültig erklären und man könnte ein neues Datum festlegen.

PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski will die Briefwahl schon im Juni abhaltenBild: picture-alliance/AP Photo/C. Sokolowski

Dieses Szenario resultiert aus dem Kompromiss, den die Koalitionspartner PiS und die Partei "Verständigung" am Vorabend der Abstimmung verkündet haben. Davor hat die "Verständigung" mit ihrem Partei-Chef und ehemaligen Vizepremierminister Jaroslaw Gowin gegen die Abhaltung der Wahlen mitten in der Pandemie protestiert. Gowin hat aus Protest die Regierung verlassen, was zur ersten ernsthaften Bewährungsprobe der nationalkonservativen Koalition seit ihrer Machtübernahme im Jahr 2015 geführt hatte. Die Gowin-Leute haben gedroht, ihre Unterstützung für die Briefwahl zu entziehen. 

Proteste gegen die Wahl in der Pandemie

Gegen die Durchführung der Wahlen mitten in der Pandemie haben seit Mitte März Oppositionspolitiker und die OSZE-Experten protestiert. Sie haben nicht nur auf die Gesundheitsrisiken wegen COVID-19 hingewiesen. Die kurzfristige Verabschiedung der Briefwahl wird von Staatsrechtlern als verfassungswidrig gesehen, weil laut Verfassung die Änderung des Wahlrechts spätestens 6 Monate vor dem angesetzten Wahltermin möglich ist.

Doch Jaroslaw Kaczynski hatte auf Wahlen am 10. Mai gedrängt, weil  der PiS-Kandidat und amtierende Präsident Andrzej Duda als klarer Favorit des Rennens gilt. Laut einiger Umfragen könnte er schon im ersten Wahlgang gewinnen. Von jeglicher Kritik an der Wahl mitten in der Pandemie ließ sich Kaczynski nicht beeindrucken.

Eine Spaltung im Regierungslager

Ernst wurde es aber für ihn Anfang April, als sich Vizepremierminister Jaroslaw Gowin der Kritik der Opposition anschloss und aus Protest die Regierung verließ. Ohne die 18 Abgeordneten seiner Partei "Verständigung", die zusammen mit der PiS und der Partei "Solidarisches Polen" die Regierungskoalition bildet, würde die Regierung die Parlamentsmehrheit verlieren. Derzeit verfügt die Koalition über 235 von 460 Stimmen im polnischen Sejm. Ohne die Unterstützung der Gowin-Leute wäre auch die Briefwahl, die als rechtliche Grundlage für die Wahlen am 10.Mai gedacht war, im Sejm nicht durchgekommen.

Die Wahlen, die jetzt am angesetzten Termin gar nicht stattfinden, müssen vom Obersten Gericht als ungültig erklärt werden. Die PiS rechnet damit, dass es schnellstmöglich geschieht und hat dafür gute Gründe. Vor einer Woche endete die Amtsperiode der früheren Vorsitzenden des Obersten Gerichts, Malgorzata Gersdorf, die für scharfe ihre Kritik der Justizreform der PiS bekannt war. Jetzt ist auch diese Instanz von regierungstreuen Richtern besetzt. Sobald die nicht stattgefundenen Wahlen für ungültig erklärt sind, darf die Sejmpräsidentin ein neues Datum ansetzen. Laut Verfassung müssen mindestens 60 Tage zwischen der Verkündung der Wahlen und dem Wahltag vergehen. Die PiS spricht aber schon jetzt von einem Termin im Juni.

Protest in Wroclaw (Breslau) gegen die PiS-RegierungBild: Getty Images/O. Marques

Die Kritik der Opposition

Die Opposition sieht die Briefwahl als solche immer noch als problematisch, auch wenn sie zu einem späteren Termin stattfinden würde. Sie würde gegen das Prinzip der Geheimhaltung verstoßen, weil auf den Briefunterlagen Personen-Identifikationsnummern der Bürger stehen sollen. Auch seien es keine allgemeinen Wahlen, weil etwa die Auslandspolen ausgeschlossen würden.

Der Chef der oppositionellen Bürgerkoalition, Borys Budka, sagte nach der Abstimmung zu den PiS-Abgeordneten: "Ihr habt gleiche, freie und allgemeine Wahlen versprochen und stattdessen Umschlag-Wahlen eingeführt (…). Das ist ein Fall, von dem ihr nicht mehr aufstehen werdet. Ihr habt betrogen, betrügt und werdet betrügen, weil es in euren politischen Genen steckt."

Die Opposition hat mehrmals die Einführung des Zustands einer Naturkatastrophe vorgeschlagen. Das würde die Wahlprozeduren einfrieren und die Wahlen erst nach der Aufhebung dieses Sonderzustands ermöglichen. Dann könnte man die traditionellen Wahlen ohne Gesundheitsrisiko für die Bürger organisieren.

Die Koalition bleibt

Der "Verständigung"-Chef Jaroslaw Gowin, der noch gestern gegen die Briefwahl war, rechtfertigt sie jetzt stark: "Die Abstimmung wird so stattfinden, wie der Gesundheitsminister und alle Experten empfehlen, also durch Briefe. In den kommenden zwei Jahren dürfen keine anderen Wahlen stattfinden", sagte er im Sejm. Gleichzeitig kündigte er zeitnahe Änderungen zum heute verabschiedeten Briefwahl-Gesetz an. Mit "besonderer Sorge" würden sich die PiS-Juristen um die Prinzipien Allgemeinheit und Geheimhaltung kümmern.

Präsident Andrzej Duda ist zufrieden über die Einigung, die in der Koalition erzielt wurde. "Ich hoffe, dass die Präsidentschaftswahlen so schnell wie möglich stattfinden werden, in der Form, die für alle sicher ist”, sagte Duda. Eine gute Zusammenarbeit mit der PiS-Regierung während seiner zweiten Amtszeit sei Garant dafür, dass Polen auf den Kurs des wirtschaftlichen Wachstums zurückkehren werde, versicherte der Präsident.