Polen: Regierung entlässt Führung bei staatlichen Medien
20. Dezember 2023Die Entscheidung betreffe die Vorstandschefs und die Aufsichtsräte des Fernsehsenders TVP, des polnischen Radios sowie der Nachrichtenagentur PAP, teilte das Kulturministerium in Warschau mit. Neue Aufsichtsräte seien bereits ernannt, diese würden neue Vorstände wählen. Der Nachrichtensender TVP Info wurde kurz darauf abgeschaltet, dort waren am Vormittag nur noch Weihnachtsmotive in Dauerschleife zu sehen.
Mit der Entscheidung berief sich das Ministerium ausdrücklich auf eine Resolution des Parlaments, mit der die Unparteilichkeit der öffentlich-rechtlichen Medien wiederhergestellt werden soll. Diese galten jahrelang als Sprachrohre der rechtsnationalistischen Vorgängerregierung.
Parlament hatte Resolution verabschiedet
Das Parlament hatte die Resolution zur Wiederherstellung "der Unparteilichkeit und Zuverlässigkeit der öffentlichen Medien" am Dienstag mit der Fraktionsmehrheit der neuen Koalition unter Ministerpräsident Donald Tusk verabschiedet. Die meisten Abgeordneten der bislang regierenden PiS boykottierten die Abstimmung.
Nach der Abstimmung besetzten PiS-Politiker der Nacht zum Mittwoch das Gebäude des staatlichen Fernsehens, um nach eigenen Angaben den "Medienpluralismus" zu verteidigen. "Es gibt keine Demokratie ohne Medienpluralismus oder starke regierungskritische Medien, und in Polen sind das die öffentlich-rechtlichen Medien", sagte PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski, der sich gemeinsam mit Ex-Regierungschef Mateusz Morawiecki den Protestierenden anschloss. Nach Kaczynskis Angaben werden die PiS-Politiker ihre Proteste im Wechsel fortsetzen.
OSZE rügte staatliche polnische Medien
Nach ihrem Wahlsieg im Oktober hatten Tusk und seine Bündnispartner am Mittwoch vergangener Woche die Regierung übernommen. Opposition und Nichtregierungsorganisationen hatten der PiS zuvor immer wieder vorgeworfen, in ihren acht Jahren an der Macht die Medienfreiheit mehr und mehr einzuschränken, erhebliche Finanzmittel in die staatlichen Medien zu schleusen und diese zu Sprachrohren der Regierungspropaganda umzubauen.
Auch Internationale Organisationen hatten die einseitige Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien über den Wahlkampf kritisiert. Diese hätten sich "vollständig in einen Propagandaarm der regierenden PiS verwandelt" und beteiligten sich an der Verunglimpfung ihrer Kritiker, hieß es etwa ein einem Bericht des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit (ECPMF), das hauptsächlich von der EU-Kommission finanziert wird. Die Wahlbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) rügte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk habe die PiS in seiner Berichterstattung "klar bevorzugt und gleichzeitig offene Feindseligkeit gegenüber der Opposition an den Tag gelegt".
nob/kle (dpa, afp)