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PolitikEuropa

Polen-USA: Starke Botschaft Joe Bidens in Warschau erwartet

21. Februar 2023

Vor einen Jahr griff Russland die Ukraine an. Der US-Präsident hält kurz vor dem Jahrestag in Polen eine Rede. Zusammenhalt des Westens gegen Russland wird seine Botschaft sein. Bernd Riegert berichtet.

Porträtaufnahme von US Präsident Joe Biden mit erhobener Hand bei seiner Rede zum Ukraine Krieg im März 2022
Die Bilder werden sich gleichen: US-Präsident Biden im März 2022 vor dem Königsschloss in Warschau, an diesem Dienstag spricht er dort erneutBild: Slawomir Kaminski/AGENCJA WYBORCZA via REUTERS

Nachdem US-Präsident Joe Biden mit eigenen Augen die Zerstörungen in Kiew sehen konnte, die Russland in dem Krieg gegen die Ukraine anrichtet, sei er mehr denn je entschlossen, die westlichen Verbündeten der Ukraine auf Geschlossenheit einzuschwören, heißt es aus Kreisen des Weißen Hauses. Es sei dem Präsidenten sehr wichtig, ein Jahr nach Beginn des Krieges anhaltende Unterstützung für die Ukraine zu demonstrieren, sagte sein Sicherheitsberater Jake Sullivan. Der US-Präsident hatte am Montag überraschend fünf Stunden die ukrainische Hauptstadt besucht und war mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj durch einige Straßen Kiews gegangen. "Die Ukraine hält stand. Die Demokratie hält stand. Die Amerikaner stehen ihnen bei, die Welt steht ihnen bei", sagte Joe Biden in Kiew. Biden kündigte weitere Militärhilfe für die Ukraine an, was von Politikern in Polen begrüßt wurde. Dorthin, nach Warschau, reiste Biden von Kiew am Montagabend.  

Überraschender Besuch: Präsident Biden umarmt Präsident Selenskyj am Mahnmal für gefallene ukrainische Soldatinnen und Soldaten in KiewBild: Dimitar Dillkoff/AFP

Von Kiew nach Warschau

In Warschau, vor dem Königsschloss, wird Joe Biden an diesem Dienstagnachmittag eine Rede halten. Es soll eine besondere, historische Ansprache sein, die sich an die Welt richtet. Das kündigte der Gastgeber, der polnische Präsident Andrzej Duda an. Der amerikanische Außenminister Anthony Blinken gab bei der Sicherheitskonferenz in München eine kleine Vorschau auf die "sehr signifikante Rede". Es werde um die Reise gehen, die man im ersten Kriegsjahr gemeinsam gemeistert habe, um die Lage heute und ein Bekenntnis zum Erfolg der von Russland angegriffenen Ukraine. "Das ist auch unser Erfolg", so Blinken. Die Stellvertreterin von Joe Biden, Vize-Präsidentin Kamala Harris, zitierte ihren Chef in München und wiederholte das von ihm immer wieder vorgetragene Versprechen. "Die Vereinigten Staaten werden ihre starke Unterstützung für die Ukraine fortsetzen, so lange es nötig ist", sagte Kamala Harris bei der Sicherheitskonferenz. "Die NATO-Allianz ist stärker als jemals zuvor. Die USA stehen unerschütterlich zu Artikel 5 und der NATO."

Vorgeschmack: US-Vizepräsidentin Harris umreißt in München die amerikanische BotschaftBild: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

Eine Botschaft an die Welt

Diese Sätze, die die Verteidigung Europas im Falle eines russischen Angriffs garantieren, wird US-Präsident Biden in Polen an diesem Dienstag sinngemäß sicher wiederholen. Nicht zufällig spricht Joe Biden am gleichen Tag, an dem sich auch der russische Angreifer Wladimir Putin in einer Rede an die Nation öffentlich äußern will. Er wolle vor der Welt den Ton angeben und Putin nicht die Bühne überlassen, drei Tage bevor sich der russische Angriff auf die Ukraine jährt, glaubt Michal Baranowski von der transatlantischen Denkfabrik "German Marshall Fund". Baranowski leitet dessen Büro in Warschau. "Präsident Biden kann zu den Polen sprechen, den Ukrainern, aber vor allem zur ganzen transatlantischen Gemeinschaft und zum amerikanischen Volk. Ich denke, er wird die Einigkeit betonen. Bleibt stark, bleibt an der Seite der Ukraine in einer langen Anstrengung und einem womöglich langen Krieg mit Russland."

Polens Präsident Duda (li.) ist stolz auf die Wiederholung: Vor elf Monaten war Biden erstmals während des Krieges in WarschauBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Östliche Flanke kommt nach Warschau

Am Mittwoch versammeln sich die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs aus neun Staaten vom Baltikum bis Rumänien (Estland, Lettland, Litauen, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Bulgarien, Rumänien), die an der östlichen Flanke der NATO liegen und sich als "Frontstaaten" in direkter Nachbarschaft zu Russland und Weißrussland sowie der Ukraine sehen. Finnland, das ebenfalls eine lange Grenze mit Russland teilt, aber wegen Widerstands aus der Türkei noch nicht NATO-Mitglied werden konnte, nimmt nicht am Gipfel der sogenannten "Bukarester Neun" teil. Auch den Bukarester Neun wird der US-Präsident den Rückhalt des größten NATO-Staates versichern. US-Truppen sind an mehreren der "NATO-Kampfgruppen" beteiligt, die entlang der Ostflanke stationiert wurden.

Schwerpunkt ist nach Osten verschoben

Polnische Politiker betonten in den letzten Tagen immer wieder, dass der US-Präsident bereits zum zweiten Mal innerhalb von elf Monaten nach Warschau reist. Damit werde die militärische und strategische Bedeutung und die gute Freundschaft mit den USA gewürdigt. Der Chef der polnischen Streitkräfte, General Raimund Andrezejczak, sagte im amerikanischen Fernsehsender CNBC, der Krieg gegen die Ukraine habe ein Umdenken bei den USA verfestigt. "Der Schwerpunkt aus früheren Zeiten des Kalten Krieges hat sich ganz klar von Deutschland nach Polen verlagert. Geostrategie ist wichtig, Geografie ist wichtig, genau so wie unsere Anstrengungen, den Westen zu stabilisieren." Ist Polen also jetzt der wichtigste NATO-Verbündete der USA? Marek Madej, Politikwissenschaftler an der Universität von Warschau, sieht das nicht. "Die Konzentration auf Polen ist einfach keine Frage von Auswahl oder Bevorzugung, sondern man muss sehen, dass alle Transporte in die Ukraine durch Polen müssen. Es geht eher um Logik, geopolitische Logik."

Erstmals seit dem Kalten Krieg haben die USA wieder 100.000 Soldaten unter WaffenBild: MACIEJ GOCLON/FOTONEWS/newspix/imago images

100.000 US-Kräfte in Europa

Der Leiter des Warschauer Büros des German Marschall Funds, Michal Baranowski, sieht es im Gespräch mit der DW ähnlich. Die Interessen der USA und Polens seien in der Kriegslage so deckungsgleich, dass sonstige unterschiedliche politische Auffassungen zwischen dem nationalkonservativen polnischen Präsidenten Andzrej Duda und dem liberalen Demokraten Biden keine große Rolle spielten. "Ich glaube für Biden und seine Regierung ist Europa insgesamt der wichtigste Verbündete und die NATO die wichtigste Allianz. Auch wenn sich der Schwerpunkt mit dem Krieg nach Osten verlagert, wird die Rolle Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens oder Italiens dadurch nicht kleiner." Die meisten der rund 100.000 US-Soldaten in Europa sind mit rund 38.000 in Deutschland stationiert. Dann folgen Italien und Großbritannien. In Polen stehen derzeit 10.000 amerikanische Soldatinnen und Soldaten, hauptsächlich auf einer Rotationsbasis. Es gibt aber ein permanentes vorgeschobenes Hauptquartier für die US-Armee, das schnell für die Verlegung von weiteren Kräften sorgen könnte. In Polen führen die USA auch eine Kampfgruppe der NATO mit rund 1000 Soldaten an.

Königsschloss in der Warschauer Altstadt: Von hier aus richtet sich der Präsident an Polen und die WeltBild: Daniel Franz

Wünsche an Biden

Polen und die übrigen östlichen NATO-Staaten könnten beim Treffen mit Joe Biden mehr und permanent stationierte US-Truppen fordern. "Wenn sich die Gelegenheit ergibt, wird die polnische Regierung nach mehr fragen", meint der Politikwissenschaftler Marek Madej. Unklar ist aber, ob der Präsident darauf eingehen wird. Die militärische Zusammenarbeit zwischen Polen und den USA ist heute schon sehr eng. Darauf wies Armeechef, General Raimund Andrezejczak, hin. Polen gebe schon seit Jahren zwei Prozent seines Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus. "Der größte Teil der hochmodernen Ausrüstung kommt aus den USA. Kampfflugzeuge, die Mehrfachraketenwerfer, M-1 Panzer, die modernsten der Welt, und eine Reihe von weiteren Programmen. Und wir werden noch mehr tun", so Andrezejczak im Fernsehsender CNBC.

Im März 2022 besuchte Joe Biden ukrainische Flüchtlinge und fand klare Worte für den Aggressor PutinBild: Evan Vucci/AP/picture alliance

Welche Botschaft für Putin?

Im letzten März machte US-Präsident Joe Biden mit seiner Rede in Warschau Schlagzeilen, weil er gesagt hatte, "mein Gott, dieser Mann kann nicht im Amt bleiben". Gemeint war der russische Machthaber Wladimir Putin. Das Weiße Haus spielte die spontane Äußerung Bidens damals herunter und wollte nicht einen Regimewechsel in Moskau verlangt haben. Allerdings setzte Biden damals noch einen drauf und nannte den Kriegsherrn Putin einen "Schlächter", angesichts des Leids der Zivilbevölkerung in der Ukraine. Fast ein Jahr später bescheinigt die amerikanische Administration Putin schwerste Kriegsverbrechen. Man darf gespannt sein, wie sich Joe Biden diesmal zum Feind in Kreml einlassen wird. Der Präsident könnte sich auch zu einem möglichen Weg zu einer Beendigung des Krieges äußern.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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