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Bewegung von unten

22. Oktober 2009

Es waren die ersten freien Wahlen für Polen im Juni 1989. Die Kommunisten verloren zwar die Parlamentswahl - waren aber immer noch an der Macht beteiligt. Doch damit wurde das Ende des Kommunismus eingeleitet.

Plakat von Solidarnosc (Foto: AP Graphics)
Eine Bewegung von unten: SolidarnoscBild: AP Graphics

Der 4. Juni 1989 war ein bewegender Tag für viele Polen. Die Menschen durften bei den ersten freien Parlamentswahlen ihre Stimme abgeben - und das Bürgerkomitee gewann bei dieser Wahl gegen die Kommunisten. Damit wurde Tadeusz Mazowiecki von der Solidarnosc-Bewegung der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident des Landes.

Dynamische Wende

Berühmt: der Runde Tisch in PolenBild: Erazm Coilek

Für rund zehn Millionen Mitglieder der Gewerkschaft Solidarnosc ging damit ein Traum in Erfüllung. "Diese Bewegung kam von ganz unten. Es haben zwar offensichtlich Intellektuelle bei der Formulierung des Programms geholfen, aber ich denke, Solidarnosc war die erste Verkörperung des Konzepts der Zivilgesellschaft", sagt der Soziologe Marek Garztecki.

Die Dynamik des Umbruchs überraschte damals die Beobachter. Ryszard Bugaj, heute Berater des polnischen Präsidenten, zählte zu den Schlüsselfiguren der Opposition. "Zur Jahresmitte 1988 war ich davon überzeugt, bis ans Ende meiner Tage Dissident sein zu müssen. Später hat es mich überrascht, dass freie Wahlen zugelassen wurden. Und danach war klar: Es gibt kein zurück mehr zu den alten Strukturen", erinnert er sich.

Amnestie für die Kommunisten

Solidarnosc und die regierenden Kommunisten setzten sich im Frühjahr 1989 gemeinsam an den Runden Tisch und vereinbarten, die Macht zu teilen: Ein Drittel der Sitze im Sejm und alle Sitze im Senat sollten Politikern außerhalb der Kommunistischen Partei offen stehen. "Das ist der Beginn eines politischen Prozesses, auf den wir lange gewartet haben", sagte Solidarnosc-Führer Bronislaw Geremek am Wahltag 1989.

Den Umgang der Solidarnosc mit den Kommunisten empfanden viele Polen aber als widersprüchlich. Geremek warb damals dafür, eine Amnestie für alle Kommunisten zu erlassen, egal welche Verbrechen sie begangen haben. Befürworter sagen, nur so hätten im Sommer 1989 alle Polen neu anfangen können. Und auch heute sind viele Beobachter davon überzeugt, dass es zu diesem Vorgehen keine Alternative gegeben habe.

Tadeusz Mazowiecki war der erste nicht-kommunistische Ministerpräsident PolensBild: AP

Doch es gibt immer noch Menschen, die mit Mazowecki und seiner Regierung unzufrieden sind. Sie glauben, er hätte mehr unternehmen müssen, um die Kommunisten zur Rechenschaft zu ziehen. Ihrer Meinung nach hat die Machtteilung zwischen Kommunisten und Bürgerkomitee der polnischen Demokratie geschadet. Kritiker wie der christliche Nationalist Wieslaw Chrzanowski sprechen von Verrat: "Für mich war das nicht in Ordnung: Entweder gibt es richtige freie Wahlen oder nicht. Solidarnosc war bereit, die gesamte Verantwortung für das Land zu übernehmen, während die früheren Kommunisten ihre persönlichen wirtschaftlichen Interessen verfolgen konnten."

Eine Regierung für alle

Als der neue Premier Mazowiecki am 10. September 1989 in Warschau vereidigt wurde, präsentierte er dem Parlament eine Regierung, die die Interessen aller Polen vertreten wolle. Dieses Angebot, auch an die kommunistische Seite, nahmen viele begeistert auf. "Mazowiecki hat einen äußerst schwierigen Job unglaublich gut gemacht. Die Wirtschaftsreformen waren außergewöhnlich: die Art, wie er die unglaubliche Energie im Land in friedliche Bahnen gelenkt hat, wie er das Land zusammen gehalten und Anarchie verhindert hat. Es hätte auch zu hässlichen Reaktionen kommen können", sagt Zamojski.

Doch stattdessen befand sich Polen unaufhaltsam auf dem Weg in Richtung Demokratie - und die demokratische Entwicklung in Polen beschleunigte den Untergang der sozialistischen Staaten im damaligen Ostblock.


Autor: Rafal Kiepuszewski
Redaktion: Julia Kuckelkorn

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