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Polen will Umweltschützer bei COP24 überwachen

Katharina Wecker
27. März 2018

Mit einem neuen Gesetz hebt die Regierung in Warschau für die Zeit der Weltklimakonferenz Ende des Jahres das Versammlungsrecht auf. NGOs kritisieren, dass dadurch Umweltschützer mundtot gemacht werden sollen.

COP23 Proteste für Frauenrechte / Gleichberechtigung
Bild: WECF/Survival Media/S. Singh

Es sind noch mehr als acht Monate, bis sich die internationale Gemeinschaft wieder trifft, um über die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens zu diskutieren. Vom 3. bis 16. Dezember werden Regierungsvertreter und Experten bei der 24. UN-Klimakonferenz (COP24) in Kattowitz tagen.

Doch Gastgeber Polen sorgt für eine scharfe Kontroverse: Die Regierung hat ein Gesetz erlassen, das alle spontanen Proteste vor und während der Konferenz verbietet. Außerdem dürfen Behörden und Polizei sämtliche persönlichen Daten der Konferenzteilnehmer sammeln, speichern und verarbeiten. Sie müssen sich dafür weder die Zustimmung der einzelnen Personen einholen, noch von einem Gericht dazu ermächtigt werden. Was mit den Daten passieren darf, ist unklar.

Umweltschutzorganisationen warnen, dass die Regierung plant, Vertreter der Zivilgesellschaft von den Verhandlungen auszuschließen. Umweltaktivisten, die bereits jetzt in ihren Heimatländern bedroht werden, könnten durch das Gesetz weiter in Gefahr geraten. 

Das Unterhaus hatte das Gesetz am 10. Januar verabschiedet und Präsident Andrzej Duda setzte es mit seiner Unterschrift am 29. Januar in Kraft. Nun macht eine Allianz aus mehr als 100 indigenen Gruppen, Umwelt- und Frauenorganisationen darauf aufmerksam. Sie haben eine gemeinsame Stellungnahme verfasst, in der sie Duda auffordern, das Gesetz umgehend rückgängig zu machen. 

Das Gesetz "stellt einen gefährlichen Präzedenzfall dar, der grundlegende Menschenrechte und Freiheiten untergräbt, insbesondere das Recht auf friedliche Versammlungs-, Vereinigungs- und Redefreiheit sowie das Recht auf Privatsphäre", heißt es in der Stellungnahme, die von der FrauenrechtsorganisationAsia Pacific Forum on Women, Law and Development (APWLD) veröffentlicht wurde.  

Erschwerte Teilnahme

Während der COP24 dürfen nur Demonstrationen stattfinden, die im Vorfeld bei den Behörden in Kattowitz angemeldet und genehmigt wurden. Spontane und kurzfristig geplante Protestaktionen sind dagegen verboten. Warum ist das problematisch?

Spontane Proteste, wie hier auf der COP23 in Bonn, sind wichtiger Bestandteil der VerhandlungenBild: WECF/Survival Media/S. Singh

Auf der Weltklimakonferenz kommen Vertreter aller Mitgliedsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) sowie Tausende Experten, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) zusammen. Während die Länder in den offiziellen Verhandlungen diskutieren, organisieren Mitglieder von NGOs regelmäßige Protestaktionen, um die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen der Verhandlungen zu lenken. 

Durch das Gesetz verhindere Polen die Teilnahme von NGOs und Menschenrechtsaktivisten an den Verhandlungen, sagt Patricia Bohland, vom Netzwerk GenderCC-Women for Climate Justice. "Wir glauben, dass das Gesetz dazu führt, dass Mitglieder der Zivilgesellschaft, sich immer schlechter einbringen können. Das ist sehr bedauerlich, weil die Verhandlungen dieses Jahr besonders wichtig sind. Es werden die Regeln und Prozesse für die Umsetzung des Pariser Klimaabkommens festgelegt", sagte Bohland gegenüber der DW. "Wir dürfen nicht vergessen, dass der Klimawandel alle Menschen betrifft. Und wir, die Menschen, sollten die Möglichkeit haben, unserer Stimme Gehör zu verschaffen."

Sicherheitsbedenken

Zudem könne das Gesetz für manche Aktivisten besonders gefährlich werden, befürchtet die Allianz der NGOs. In einigen Regionen der Welt werden Umweltschützer immer häufiger zu Opfern von Gewalt. So werden Aktivisten etwa in Kolumbien, Mexiko und Tansania regelmäßig bedroht, angegriffen oder verhaftet. Im vergangenen Jahr sind weltweit mindesten 197 Land- und Naturschützer getötet worden, so die Organisation Global Witness. Das waren so viele wie nie zuvor. 

Umweltaktivisten kritisieren auf dem Weltklimagipfel oft öffentlich ihre eigene Regierung. Deswegen ist es den NGOs wichtig, dass die Konferenz auf neutralem Boden stattfindet. Manche befürchten nun, dass unter dem neuen Gesetz ihre persönlichen Daten in Kattowitz gespeichert werden und gegebenenfalls mit den Behörden in ihrem Herkunftsland geteilt werden könnten.

NGOs fürchten, dass besonders indigene Umweltschützer und Frauenaktivisten von den Verhandlungen ausgeschlossen werden könntenBild: DW/I. B. Ruiz

"Ich habe vorher schon bei einer COP protestiert und mich nie bedroht gefühlt. Ich mache mir aber große Sorgen, dass Umweltschützer aus allen Regionen der Welt, die vorhaben, an COP24 in Polen teilzunehmen, großen Risiken ausgesetzt sein werden", sagte Alma Sinumlag, eine indigene Menschenrechtsaktivistin aus den Philippinen in einer Stellungnahme. Sinumlag wurde von der philippinischen Armee wegen ihrer Arbeit bereits mehrfach bedroht. Einmal rief ein Offizier bei ihrer Familie an und teilte mit, sie sei gestorben.

Aktivisten fürchten, dass manche Kollegen aus Sicherheitsbedenken ihre Teilnahme an der Konferenz absagen werden. Internationale Netzwerke wie Women in Europe for a Common Future (WECF) wollen ihren Mitgliedern raten, lieber daheim zu bleiben, falls das Gesetz nicht gekippt wird. "Wir würden unseren Partnern, die aus Regionen kommen, wo ihr Leben bereits in Gefahr ist, ganz klar von einer Teilnahme an COP24 abraten. Aber das bedeutet natürlich, dass wir wichtige Stimmen in diesem Prozess verlieren", sagte Sascha Gabizon, Geschäftsführerin der WECF, gegenüber der DW. 

Internationaler Druck

Die Allianz der NGOs ruft in ihrer Stellungnahme die internationale Gemeinschaft auf, Druck auf Warschau auszuüben. "Polen hat einschlägige internationale Abkommen unterzeichnet. Die EU- und UN-Mitgliedsstaaten müssen darauf bestehen, dass das Gesetz aufgehoben wird. Es wäre ein schrecklicher Präzedenzfall, wenn das so weitergehen würde", so Gabizon.

Die WECF-Geschäftsführerin stellt sogar in Frage, ob der UN-Weltklimagipfel überhaupt in Kattowitz stattfinden sollte: "Die Vereinten Nationen sind der Inbegriff für Menschenrechte. Sie sollten diese Konferenz nicht in Polen abhalten, wenn die polnische Regierung grundlegende Menschenrechte missachtet." 

Das UNFCCC stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung.

Kritik von allen Seiten

Es wäre nicht das erste Mal, dass Polen das Recht auf Demonstrationen beschränkt. Im Oktober hat Amnesty International Warschau aufgefordert, das Versammlungsrecht zu respektieren. Die Menschenrechtsorganisation behauptet, die polnische Polizei und Justizbehörden würden Proteste von Regierungsgegnern unterdrücken. 

COP24 wird in der Kohlestadt Kattowitz stattfinden - sie gilt als Europas schmutzigste MetropoleBild: Imago/Eastnews

Die EU-Kommission hatte Ende Dezember 2017 ein Rechtsstaatsverfahren gegen Polen eingeleitet wegen des Verdachts, dass die Regierung unter der rechtskonservativen Partei PiS die Gewaltenteilung untergrabe. Auch in Sachen Umweltschutz ist die EU-Kommission mit Polen bereits aneinander geraten. Im Juli verklagte Brüssel Polen vor dem Europäischen Gerichtshof, weil das Land das Abholzen im geschützten Urwald Bialowieza erlaubt - einem streng geschützen UNESCO-Biosphärenreservat.

Die polnische Regierung will bei der COP24 offenbar nicht, dass auf eigene Umweltsünden hingewiesen wird, vermutet Todor Gardos von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Es gibt mehrere laufende Konflikte im Umweltbereich in Polen; da wäre der Bialowieza-Wald und die Kohleminen in Kattowitz. Wir können nur spekulieren, aber das könnte ein Grund für das Gesetz sein, um Proteste zu vermeiden." 

Er ist indes nicht sehr optimistisch, dass die Regierung das Gesetz zurücknimmt. "Ich mache mir wirklich Sorgen. Warum sollten sie ausgerechnet dieses Gesetz kippen? Sie sind fest entschlossen, an all den anderen Gesetzen, für die sie international kritisiert werden, festzuhalten", sagte Gardos. 

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