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Polen zaudert beim Klimaschutz

Rosalia Romaniec14. November 2013

Polen will sich als Gastgeber der UN-Klimakonferenz profilieren. Dafür versucht die Regierung einen Spagat: Während das Land sich international für den Klimaschutz einsetzt, blockiert es ihn innerhalb der EU.

Blick auf Warschau Foto: PAP/Pawe³ Brzezinski
Ort der Klimakonferenz, aber auch Hauptstadt eines Kohle-Landes: WarschauBild: picture alliance/PAP

Wenn man in Polen auf der Straße nach dem Umweltschutz fragt, erklären viele, dass sie dafür seien. Doch konkrete Schritte unternehmen nur wenige, denn dafür fehlen die Anreize. Erneuerbare Energien werden kaum subventioniert, und die Kohleindustrie gibt vielen polnischen Familien Arbeit.

So auch bei den Dworniks aus der Nähe von Gliwice, wo der Bergbau eine lange Familientradition hat. Die Einsicht kam dort mit dem Generationswechsel.

Boguslaw Dwornik ist ein junger IT-Unternehmer; seine Frau studierte Umwelttechnologien, im Moment kümmert sie sich um die Söhne. Die Familie baut ein Ferienhaus in den Bergen. "Dort ist die Luft noch frisch und unverschmutzt, die unberührte Natur tut gut", sagt Anna Dwornik.

Für ihren Mann sind die hohen Energiekosten ein Thema, deshalb will er in ihrem Haus alternative Energien nutzen: "Ich entwickle ein System für die elektrische Versorgung mit Solarenergie", sagt Boguslaw Dwornik. "Bis vor Kurzem war es unmöglich, weil die rechtlichen Hürden zu hoch waren. Seit diesem Jahr hat sich das aber geändert", fügt er hinzu.

Tatsächlich erleichterte Polen kürzlilch Investitionen, die zum grünen Strom verhelfen. Die Subventionen sind dort aber viel kleiner als in Deutschland. Dabei scheint die Bevölkerung auf Anreize bestens zu reagieren, wie das Beispiel der Heiz- und Warmwasseranlagen zeigt: Seitdem es dafür Zuschüsse auf kommunaler Ebene gibt, entwickelte sich das Land in dem Sektor zum führenden Markt Europas, direkt nach Deutschland.

Das Kraftwerk im polnischen Bełchatów ist das größte europäische BraunkohlekraftwerkBild: Darek Redos/AFP/Getty Images

Gespaltenes Land

Den Trend bestätigt Kacper Szulecki, Energieexperte an der Hertie School of Governance in Berlin. In einer Studie prüfte er die Aufgeschlossenheit gegenüber erneuerbaren Energien in Polen. Er verglich die Haltung der polnischen Regierung mit der auf kommunaler Ebene und stellte fest: "Viele Gemeinden wären gerne unabhängiger von großen Konzernen, was dem Kurs der Regierung zuwiderläuft."

Szulecki spricht in diesem Kontext von "zwei Polen". Dennoch plädiert er dafür, dass man in Deutschland begreift, dass Polen bei der Energie jahrzehntelang beinahe unabhängig war. Noch heute bezieht das Land über 90 Prozent seiner Energie aus Kohle.

Trotzdem sind in Polen Investitionen in Alternativenergien notwendig, zeigte die neueste Greenpeace-Studie. Gerade landwirtschaftlich geprägte Regionen könnten davon profitieren. Aber im Moment ist das nicht möglich, erklärt Anna Ogniewska, Koordinatorin der Studie. "In einem Land, das 38 Millionen Einwohner hat, gibt es heute nur 130 private Solaranlagen, die grünen Strom produzieren." Dabei hat Polen der Studie nach großes Potenzial. Ogniewska meint, dass dort bis zum Jahr 2020 etwa 2,5 Millionen Solaranlagen für Strom entstehen könnten - "wenn es nur mehr Starthilfen gäbe - wie in Deutschland", fügt sie hinzu.

Polens Pläne nicht durchschaubar

Wohin die Regierung energiepolitisch will, ist derzeit unklar. In Deutschland wundert man sich über den polnischen Kurs. Während man in Deutschland auf Atom- und Kohleausstieg sowie auf erneuerbare Energien setzt, erklärt Polen genau das Gegenteil. Ebenso unverständlich scheint die Unbeständigkeit: Noch vor Kurzem wollte man Atomkraftwerke bauen, jetzt überlegt man aus Kostengründen einen Rückzug.

Die polnische Kohle wird immer teurer, wodurch die Importe des Rohstoffs aus Russland und der Ukraine steigen. "Diese Abhängigkeit ist viel größer als beim Gas, aber seltsamerweise wird das in Polen nicht so emotional diskutiert", sagt Kacper Szulecki. Dass die polnische Regierung an ihren Kohleplänen festhält, sieht er als Fehler. Denn in wenigen Jahren werde die Energieversorgung knapper werden und dann rächten sich schlechte Entscheidungen von heute, meint er.

Ringen um Polens Atomeinstieg

04:56

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Angst vor der Wende

Woher rührt die Aufschubtaktik der Regierung in Warschau? Zbigniew Karaczun, ein anerkannter polnische Energieexperte, meint, dass nicht nur die Kohle-Lobby sehr stark sei. Viele polnische Politiker glaubten zudem kaum an den durch Menschen verursachten Klimawandel. "Manche spekulieren gar darauf, dass die von Deutschland angestoßene Energiewende sich bald zurückentwickelt."

Karaczun nennt noch anderen Grund: "Polnische Politiker denken nur bis zur nächsten Wahl. " Polen habe seit 1989 mehrere große Transformationsprozesse durchgemacht. "Die politischen Eliten haben beobachtet, wie alle, die riskante Wenden wagen, von der nächsten Wahl weggefegt werden", erklärt er die Angst der Regierung vor einer kostenintensiven Energiewende.

Dass diese Energiewende aber trotz vieler Ideen - von der Kernkraft bis zum Schiefergas - für die Energiesicherheit in Zukunft notwendig sein wird, scheinen die politischen Eliten in Polen nur langsam zu verstehen.

Den Widerspruch sehen auch viele in der Bevölkerung. Vor allem junge Leute wie Boguslaw Dwornik schauen dem Zögern der eigenen Regierung skeptisch zu. In der Region, wo er mit seiner Familie lebt, stehen die meisten Schornsteine Europas. "Mein Wunsch wäre, dass meine Kinder in Zukunft kein Ferienhaus bauen müssten, um gute Luft atmen zu können", sagt der Familienvater.

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