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Polens Bauern lehnen Korridore für ukrainisches Getreide ab

Jo Harper
6. August 2023

In Polen befürchten die Landwirte, dass Getreideimporte aus der Ukraine die Preise für Getreide drücken könnten. Wenn es nach ihnen ginge, würde ein bereits bestehender Einfuhrstopp verlängert werden.

Bauer auf Getreidefeld
Ein Bauer blickt im Juli 2022 auf ein brennendes Getreidefeld nahe Dnipro. Trotz der Kriegsschäden zählt die Ukraine zu den größten Getreideproduzenten weltweitBild: Efrem Lukatsky/AP/picture alliance

"Im Fernsehen hört man immer noch großspurige Worte", sagt Andrzej Waszczuk, Landwirt in Polen. Er spricht von Jaroslaw Kaczynski, dem Vorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit, kurz PiS. Der hat nicht nur einen Einkaufspreis von 1300 Zloty (280 Euro) pro Tonne Weizen zugesichert, sondern auch den Stopp von Importen aus der Ukraine sowie Interventionsankäufe.

"Aber der Teufel steckt im Detail und von den Details spricht niemand. Darauf fallen wir nicht herein. Wir warten auf konkrete Lösungen, die bei uns auch ankommen. So lange wir keine deutlichen, spürbaren Verbesserungen auf den Märkten sehen, werden wir weiter protestieren", stellt er klar.

Landwirte in Polen befürchten, dass eigentlich für Regionen in Nahost und Afrika bestimmtes Getreide aus der Ukraine seinen Weg auf den einheimischen Markt finden und die Preise in Polens ärmsten Regionen nach unten drücken könnte, sobald der Einfuhrstopp im September aufgehoben wird.

"Die Einfuhr von ukrainischem Getreide nach Polen stellt unsere Landwirte vor erhebliche Herausforderungen, denn ihre Erzeugnisse müssen mit den Erzeugnissen aus dem Ausland konkurrieren", sagt Wiktor Szmulewicz, Präsident der polnischen Landwirtschaftskammer. Für die polnischen Landwirte sei dies ein ungleicher Wettbewerb, fügt er hinzu, denn die landwirtschaftlichen Erzeugnisse aus der Ukraine unterliegen nicht den Standards der Europäischen Union und sind somit günstiger.

Ein Einkäufer nahe der im Grenzgebiet liegenden polnischen Stadt Hrubieszow, der ungenannt bleiben wollte, erzählt, dass er Landwirten im vergangenen Jahr bis zu 1600 Zloty (360 Euro) pro Tonne zahlen musste. Kurz danach begannen die Preise jedoch rapide zu fallen, um bis zu 50 Prozent.

Ein Polizist in Polen schützt einen Getreidetransport aus der UkraineBild: Attila Husejnow/SOPA/picture alliance

Damals begannen die Proteste. Wieslaw Gryn ist ebenfalls Landwirt und gründete die Organisation "Betrogenes Dorf". Er sagt, nach der Ernte würden die Proteste fortgesetzt. Laut Jan Bieniasz, Geschäftsführer einer landwirtschaftlichen Kooperative im Dorf Laka, wurden 2022 etwa 80 Prozent des Getreides aus der Ukraine über Polen ausgeführt. Viel davon sickerte auf Märkte vor Ort durch und drückte die Preise. "Das ukrainische Getreide an der Grenze war um 20 Prozent billiger als polnisches Getreide", klagt er.

Die Polnische Volkspartei PSL behauptet, etwa ein Drittel des ukrainischen Getreides finde seinen Weg auf den polnischen Markt, doch diese Zahl ist umstritten. Andere sind überzeugt, es handle sich um von Russland als Teil eines hybriden Krieges gestreute Gerüchte, die einen Keil zwischen Polen und Ukrainer treiben sollen. Die Bauernbewegung AgroUnia sieht es in einer Erklärung so: "Ukrainische Oligarchen und internationale Investitionsfonds, die riesige Summen in die Nahrungsmittelproduktion in der Ukraine investiert haben, profitieren von der aktuellen Situation".

Das Nachrichtenportal Wirtualna Polska untersuchte, welche polnischen Unternehmen 2022 billigeres Getreide aus der Ukraine aufkauften und dann zu einem höheren Preis auf dem polnischen Markt verkauften. Ihren Recherchen zufolge unterhielten mehrere der größten Käufer mutmaßlich Verbindungen zu führenden PiS-Politikern. Obwohl die Regierung zugesagt hat, eine eigene Liste der Unternehmen zu veröffentlichen, die ukrainisches Getreide aufgekauft haben, hat sich noch nichts getan.

Markige Worte aus Warschau

Die von der PiS geführte Regierung steht vor einem Dilemma. Noch in diesem Jahr stehen Parlamentswahlen an und das rechtsextreme Bündnis Konföderation, das in den Umfragen derzeit bei 12 bis 13 Prozent liegt, weiß den wachsenden Unmut im Land über die Kosten des Ukraine-Krieges für Polen für sich zu nutzen.

Polen hat bereits erklärt, es werde die Einfuhr von Getreide aus der Ukraine nach dem 15. September, wenn der EU-weite Einfuhrstopp aufgehoben wird, nicht wiederaufnehmen. Mit Rumänien, Bulgarien, Ungarn und der Slowakei haben vier weitere Mitgliedsländer die EU ebenfalls aufgefordert, die Einschränkungen für den Verkauf ukrainischer Getreideerzeugnisse bis Ende des Jahres zu verlängern. Sie sind jedoch bereit, den Transit ukrainischen Getreides durch ihre Länder zuzulassen.

Im Konflikt mit Kiew

Die Ukraine möchte, dass die EU die Getreidekorridore offen hält, um den Export seines Getreides über die Landroute durch Polen und andere osteuropäische Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, solange die Schwarzmeerroute verschlossen bleibt. Frankreich, Deutschland und Spanien unterstützen dieses Anliegen und argumentieren, Handelsbeschränkungen würden nicht nur die Integrität des EU-Binnenmarktes, sondern auch die gemeinsamen Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine untergraben.

Der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir betonte, von Polens Forderungen profitiere allein Russland, weil das Land die Ukraine aus dem globalen Getreidemarkt drängen wolle. Eine Verlängerung des Einfuhrstopps könne die ukrainischen Getreideexporte gefährden und gleichzeitig russische Exporte fördern, insbesondere jetzt, da Russland einigen afrikanischen Ländern kostenlose Getreidelieferungen angeboten habe.

Die Abhängigkeit der Ukraine von Getreideexporten

Prognosen zufolge wird die diesjährige Getreideernte in der Ukraine nur um zehn Prozent unter der des Vorjahres liegen, bei etwa 60 Millionen Tonnen. Der Ausstieg Russlands aus dem Getreideabkommen und die Raketenangriffe auf Getreidesilos, einschließlich des Angriffs auf den Hafen von Tschornomorsk, bei dem etwa 60.000 Tonnen Getreide vernichtet wurden, haben das Angebot verringert und die Preise nach oben getrieben.

Oleg Pendzin, Geschäftsführer des Economic Discussion Club in Kiew, ist überzeugt, dass diese Ereignisse keine signifikanten Auswirkungen auf die Getreidepreise innerhalb der Ukraine haben werden. Ein Grund dafür sei der Rückgang der ukrainischen Bevölkerung, denn viele Menschen haben das Land verlassen, die Nachfrage ist also gesunken.

Für seine 40 Millionen Einwohner benötigt das Land etwa 18 Millionen Tonnen Getreide. Da bislang etwa acht Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen seien, sinke die Inlandsnachfrage auf 13 bis 14 Millionen Tonnen, rechnete Pendzin in einer ukrainischen Radiosendung vor.

Die Ukraine verfügt somit über rund 45 Millionen Tonnen überschüssiges Getreide, mehr als die jährliche Gesamtproduktion Polens. Also muss Getreide exportiert werden. Die Frage ist jedoch wohin und wie, solange die Schwarzmeerroute blockiert ist und die osteuropäischen Länder das Getreide nicht über ihre Gebiete transportieren wollen.

Neue Routen für ukrainisches Getreide

Auf dem letzten NATO-Ukraine-Gipfel wurde über neue Routen für den Export des ukrainischen Getreides diskutiert. Gegenwärtig rollt das Getreide vor allem über den Landweg. Als Zwischenziel fällt den Ostseehäfen eine Schlüsselrolle zu, insbesondere den polnischen.

Suche nach sicheren Wegen für ukrainische Getreideexporte

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Der EU-Kommissar für Landwirtschaft, Janusz Wojciechowski, erklärte, die EU sei bereit, nahezu die gesamte landwirtschaftliche Produktion der Ukraine über sogenannte Solidaritätskorridore, also Straßen, Eisenbahnstrecken und Wasserwege durch das Gebiet der EU-Länder, zu exportieren. Es besteht außerdem die Möglichkeit, das Getreide über einen neuen Seeweg durch die Gewässer Rumäniens und Bulgariens zu exportieren. Laut dem Medienunternehmen Bloomberg hat Rumänien die Kapazität des Hafens von Konstanza für die Verschiffung von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer erhöht.

Doch wie praktikabel dieser Plan tatsächlich ist, muss sich erst noch erweisen. Am Mittwoch trafen russische Drohnen die Hafenstadt Ismail an der Donau, die dort die Grenze zwischen der Ukraine und Rumänien bildet. Dem ukrainischen Infrastrukturminister Oleksandr Kubrakow zufolge wurden bei dem Angriff rund 44.000 Tonnen für Afrika, China und Israel bestimmtes Getreide beschädigt.

Das ukrainische Außenministerium ließ derweil verlauten, dass eine Vereinbarung zwischen Kiew und Zagreb über den Export ukrainischen Getreides über kroatische Häfen getroffen worden sei. Auf der neuen Ostseeroute könnten über die Häfen Litauens, Lettlands und Estlands 25 Millionen Tonnen umgeschlagen werden. Damit diese Route jedoch zum Einsatz kommen kann, müssen auf polnischer Seite geeignete Verwaltungseinrichtungen geschaffen werden.

Aus dem Englischen adaptiert von Phoenix Hanzo.

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