Polens Präsident Duda bietet Premier Tusk Zusammenarbeit an
13. Dezember 2023Polens Präsident Andrzej Duda hat im Wahlkampf keinen Hehl daraus gemacht, auf wessen Seite er steht. In der Auseinandersetzung zwischen dem nationalkonservativen Regierungslager um den Vorsitzenden der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jaroslaw Kaczynski, und der proeuropäischen demokratischen Opposition um Donald Tusk ergriff er klar Partei für die PiS.
Auch nach der Wahl am 15. Oktober, in der Tusks Mitte-Links-Koalition eine solide Mehrheit im Parlament gewonnen hatte und Anspruch auf die Regierungsübernahme erhob, betrieb das Staatsoberhaupt eine Hinhaltetaktik, um den Zeitpunkt der Machtübergabe maximal aufzuschieben. So sicherte er der PiS zwei Monate Zeit, damit die nationalkonservative Partei mehrere Schlüsselpositionen, unter anderem in der Finanzaufsicht, besetzen und hohe Summen aus dem Haushalt an befreundete Institutionen und Stiftungen verteilen konnte.
Duda überrascht mit Kooperationsangebot
Bei der Vereidigung der neuen Regierung am Mittwoch (13.12.2023) zeigte sich Duda dann jedoch demonstrativ versöhnlich und kooperationsbereit. "Ich bin offen für die Zusammenarbeit", erklärte er nach der Zeremonie im Präsidentenpalast in Warschau.
Der Präsident versicherte, dass er nicht beabsichtige, Regierungsvorhaben zu blockieren, die "dem Wohl der Bürger und der Weiterexistenz Polens" dienten. Zugleich verwies er auf seine Kompetenzen in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik und betonte die Bedeutung der Souveränität und Unabhängigkeit Polens. Er werde alles tun, damit die Polen über ihre Angelegenheiten und die ihres Vaterlandes selbst entscheiden könnten, sagte Duda und ergänzte, er spreche sich für die Fortsetzung und Beibehaltung "dessen, was gut funktioniert" aus.
"Es gibt nichts Wichtigeres als das Wohl des Vaterlandes und unserer Staatsbürger", erwiderte Tusk und bezeichnete dieses Prinzip als "Glaubensbekenntnis" seiner Regierung. Er sprach deutlich die Frage der Rechtsstaatlichkeit an. "Die Treue gegenüber der Verfassung wird das Markenzeichen dieser Koalition, dieser neuen Regierung sein", versicherte der neue Regierungschef.
Um seinem Kooperationsangebot Nachdruck zu verleihen, lud Duda Vertreter der neuen Regierung zur Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates RBN am kommenden Mittwoch ein. An diesem Beratungsgremium des Präsidenten sind sowohl Vertreter der Regierung, als auch der Opposition beteiligt.
Trotz Entspannung Konflikte vorprogrammiert
Trotz der entspannten Stimmung bei der Vereidigung sind die Konflikte zwischen Duda und der Mitte-Links-Regierung vorprogrammiert. In vielen Fragen liegen die Ansichten des Präsidenten, der aus dem nationalkonservativen Lager kommt, und der neuen Koalitionsregierung weit auseinander. Duda gilt als ein Mitautor der Justizreform, die die polnischen Gerichte politisierte und zum Konflikt mit der EU führte. Auch bei anderen Vorhaben der Regierung, etwa der Liberalisierung des Abtreibungsrechts oder der Entpolitisierung der öffentlich-rechtlichen Medien, ist keine Zustimmung Dudas zu erwarten.
"Wir müssen uns auf eine schwierige Kohabitation einstellen", sagte die Politologin Malgorzata Molenda-Zdziech dem Fernsehsender TVN. Dudas zweite Legislaturperiode läuft erst 2025 aus. Der Regierungskoalition fehlen die Mandate, um das Veto des Präsidenten zu überstimmen. Dazu braucht es eine Dreifünftelmehrheit.
Direkt nach der Vereidigung suchten die Minister der Tusk-Regierung ihre Dienstsitze auf. Sein Ziel sei es, "unnötige Konflikte mit Verbündeten zu entschärfen", sagte Außenminister Radoslaw Sikorski. "Polen kann besser sein", betonte der Politiker, der das Auslandsressort bereits in den Jahren 2007-2014 geleitet hatte. Justizminister Adam Bodner kündigte an, dass er die Rechtsstaatlichkeit wiederherstellen werde.
Antisemitischer Vorfall
Fest steht, dass Tusk nicht mit einer Schonfrist seitens der PiS rechnen kann. Bei der Aussprache über sein Regierungsprogramm bezeichnete der Vorsitzende der PiS-Fraktion, Mariusz Blaszczak, das neue Kabinett als "Regierung der Rache und des Chaos". Kaczynski beschimpfte Tusk vom Rednerpult im Parlament als "deutschen Agenten" und sprach vom "Ende der Demokratie".
Ein antisemitischer Vorfall am Dienstagabend (12.12.2023) zeigt, dass es in dieser Legislaturperiode im Parlament noch aggressiver und brutaler zugehen kann als in der vorherigen. Der rechtsextreme Abgeordnete Grzegorz Braun attackierte die traditionelle Feier des jüdischen Chanukkafestes in der Lobby des Parlamentsgebäudes. Mit einem Feuerlöscher ging er auf den Leuchter zu und löschte die Kerzen, ohne Rücksicht auf umstehende Menschen oder gar auf die jüdische Tradition zu nehmen, die Kerzen herunterbrennen zu lassen. Er beschimpfte das Judentum als "satanistischen Kult". Braun wurde von der Sitzung ausgeschlossen und mit einer Finanzstrafe belegt. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein.
Parlamentspräsident Szymon Holownia bezeichnete die Tat als "Ohrfeige für das polnische Parlament". Braun setze mit dem Angriff eine "russische Agenda" um. "Es wird keine Toleranz für Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und andere Entgleisungen geben, solange ich das Parlament leite", versicherte Holownia. Die extrem-nationalistische Partei Konfederacja, die 18 Mandate im Abgeordnetenhaus hat, rief er auf, Braun aus ihrer Parlamentsfraktion auszuschließen. Sonst werde sie den Posten des stellvertretenden Parlamentschefs verlieren.