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Polio-Impfkampagne im Gazastreifen hat offiziell begonnen

1. September 2024

Hunderttausende Kinder sollen im Gazastreifen gegen Kinderlähmung geimpft werden. Für die Aktion mitten im Kriegsgebiet sollen die Kampfhandlungen unterbrochen werden. Es ist unklar, ob das funktioniert.

Einem Mädchen wird die Schluckimpfung verabreicht
Dieses Mädchen in Chan Junis zählt zu den ersten, die die Schluckimpfung erhalten habenBild: JIHAD AL-SHARAFI/AFP via Getty Images

"Die Impfungen haben um 09.00 Uhr begonnen", sagte der Arzt Jasser Schaabane vom Al-Auda-Krankenhaus in der Stadt Gaza, der für drei Impfzentren im Zentrum des Gazastreifens zuständig ist. Geimpft würden Kinder im Alter zwischen einem Tag und zehn Jahren.

Am Samstag hatten bereits einige Kinder im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis im Süden des Palästinensergebiets eine erste Impfdosis erhalten. Am Sonntag liefen die Impfungen gegen das hochansteckende Polio-Virus nun aber offiziell und in größerem Umfang an. Schaabane sagte, am Sonntagmorgen seien viele Drohnen über dem Stadtzentrum von Gaza zu sehen gewesen, aber "wir hoffen, dass diese Impfkampagne für Kinder ruhig verläuft".

640.000 Kinder im Alter von einem bis zehn Jahren sollen die Impfung erhaltenBild: Eyad BABA/AFP via Getty Images

Erster Polio-Fall nachgewiesen

Seit Beginn des Israel-Hamas-Kriegs im Gazastreifen nach dem Terrorangriff der Hamas auf das israelische Grenzgebiet am 7. Oktober vergangenen Jahres konnten viele Babys in dem abgeschotteten Küstengebiet nicht geimpft werden. Die schlimmen hygienischen Zustände im Gazastreifen, wo sauberes Wasser knapp ist, viele Menschen auf engstem Raum ausharren und sich auch zahlreiche Vertriebene drängen, können laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zu einer raschen Ausbreitung der Krankheit beitragen.

Erstmals seit einem Vierteljahrhundert war ein Fall von Kinderlähmung bei einem Baby im Gazastreifen nachgewiesen worden. Nach Angaben der israelischen Behörden soll der Impfstoff zunächst bis Dienstag im Zentrum des Gazastreifens verabreicht werden. Anschließend sind weitere dreitägige Impfkampagnen im Süden und Norden des Küstengebiets geplant.

Zerstörte Infrastruktur und schlechte hygienische Bedingungen fördern die Ansteckungsgefahr für die KinderBild: AFP/Getty Images

Keine Waffenruhe, sondern Kampfunterbrechungen

Die WHO hatte auf humanitäre Feuerpausen gedrungen, um mehr als 640.000 Kindern unter zehn Jahren den Polio-Impfstoff verabreichen zu können. Mindestens 90 Prozent der Kinder im Gazastreifen sollen in den kommenden Tagen eine erste Dosis der Schluckimpfung erhalten. Üblicherweise müssen zwei Impfdosen im Abstand von vier Wochen verabreicht werden

Israel hatte vor wenigen Tagen den "humanitären Pausen" zugestimmt. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu betonte nach Angaben seines Büros, dass es sich bei den geplanten Kampfunterbrechungen nicht um eine Waffenruhe im klassischen Sinne handeln solle. Es würden lediglich sichere Gebiete für die Impfungen und ein humanitärer Korridor eingerichtet, den die Menschen auf dem Weg zu Impfungen ohne Gefahr passieren könnten, teilte Netanjahus Büro mit. 

Benjamin Netanjahu: Humanitärer Korridor für die ImpfungenBild: Cohen-Magen/REUTERS

Gute Bedingungen für das Virus im Kriegsgebiet

Poliomyelitis wird auch Kinderlähmung genannt, weil der Erreger einst so verbreitet war, dass der Kontakt damit meist schon im Kindesalter erfolgte und vor allem Kleinkinder von Lähmungen betroffen waren. Verbreitet wird das hochansteckende Virus meist über kontaminierte Hände als sogenannte Schmierinfektion, in Ländern mit unzureichendem Hygienestandard auch über verunreinigtes Wasser wie derzeit im Gazastreifen. Nur in etwa einem von 200 Fällen führt eine Infektion zu den für Polio typischen irreversiblen Lähmungen - und das zudem nur bei Ungeimpften. Eine Heilung gibt es bisher nicht.

fab/sti (afp, dpa)

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