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Politik

Politik an ihren Grenzen

1. Mai 2018

Der Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien scheint kein Ende zu nehmen. Eine Gruppe von Anthropologen beider Länder kämpft dagegen an. Ihre Waffen: Austausch und Wissenschaft.

Mazedonien Skopje Fahne
Bild: DW/F. Schmitz

Als vergangene Woche die Ministerpräsidenten der Westbalkanländer in der mazedonischen Hauptstadt Skopje zusammentrafen, war auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zugegen. In Zeiten, in denen sich die diplomatischen Beziehungen zu Russland vor allem von ihrer kritischen Seite zeigen, werden die Länder im ehemaligen Jugoslawien für Brüssel immer interessanter. Es geht um die Bindung an den Westen und um Stabilität in einer Region, in der politische Interessenskonflikte das Klima beherrschen. Erinnerungen an die Zeiten des Kalten Krieges vermischen sich hier mit dem starken Bezug des Balkans zur Türkei, der zweiten, großen Krisenbaustelle der EU.

Tusk lobte Gastgeberland Mazedonien, das seit der Wahl des Sozialdemokraten Zoran Zaev zum Ministerpräsidenten darum bemüht ist, eine Lösung für den Dauerkonflikt mit dem südlichen Nachbarn Griechenland zu finden. Es geht um viel für Skopje. Ein möglicher EU- und ein NATO-Beitritt stehen zur Debatte, wovon sich sowohl Mazedonien als auch Brüssel Vorteile erhoffen.

Mazedonisch-griechischer Namensstreit

02:05

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Für die 1991 gegründete, ehemals jugoslawische Teilrepublik geht es um wirtschaftliches Wachstum. Brüssel wiederum will die eeinst sozialistische Region, mit der auch Moskau liebäugelt, auf die eigene Seite ziehen. Griechenland blockiert einen Beitritt Mazedoniens in die Westinstitutionen, so lange der nördliche Nachbar an seinem derzeitgen Namen festhält.

Gelebte Realität vs. Staatsräson

Ioannis Manos ist Grieche. Der Professor für Anthropologie in Thessaloniki kommt aus Florina, einer kleinen Stadt in der nordgriechischen Provinz Makedonien. Nur einen Steinwurf entfernt befindet sich die Grenze zur Republik Mazedonien. Für die Griechen ist der Name ein Affront, eine Aneignung griechischer Kultur und Geschichte, die von Seiten mazedonischer Nationalisten häufig mit Gebietsansprüchen auf dem heutigen, griechischen Staatsgebiet einhergehen.

Es gibt mehr Verbindendes, meint Antropologe ManosBild: DW/F. Schmitz

Seit fast 20 Jahren kooperiert Manos mit dem Institut für Anthropologie in Skopje - informell, da ein Großteil der öffentlichen Kanäle zwischen beiden Ländern brach liegt. Am vergangenen Wochenende, zeitgleich zum Balkan-Gipfel und dem Besuch von EU-Ratspräsident Tusk, fand zum 16. Mal eine Konferenz mit Studenten aus dem gesamten Balkan-Gebiet und Griechenland statt. Es ging vor allem um Begegnungen, die den starren, emotional geprägten Nationaldiskursen aller beteiligten Länder etwas entgegensetzen. Wenn Manos in Restaurants in Skopje der traditionellen Musik Mazedoniens lauscht, singt er mit - auf mazedonisch. "Diese Lieder kenne ich seit ich Kind bin. Die haben wir in Florina auch gesungen", erklärt er.

Während der Streit in den Medien vor allem auf ideologischer Ebene ausgetragen wird, bleiben die vielen kulturellen Gemeinsamkeiten und die gemeinsame Geschichte in der Regel unbeachtet. Dabei liegen für Ioannis Manos genau hier die Potenziale für eine Lösung des Konflikts. "Unsere Erfahrungen haben gezeigt, dass jene Elemente, die uns verbinden, weit mehr sind als die, die uns trennen. Wenn wir also einen Fokus auf Ähnlichkeiten legen, könnten wir die Probleme, die zu diesem Zeitpunkt einer Lösung im Weg stehen, sehr viel einfacher überwinden."

Mazedonier wünschen sich Stabilität

Daran aber scheint nur Wenigen gelegen. Auch deswegen hält es Manos für unwahrscheinlich, dass der Namensstreit noch in diesem Jahr beigelegt wird. Zu viele rote Tücher verhinderten auf beiden Seiten einen akzeptablen Kompromiss. Dabei zeichnet sich zwischen den Ländern ein Ungleichgewicht ab. Umfragen zeigen, dass sich 63 Prozent der Mazedonier eine baldige Lösung wünschen. Dagegen lehnen 61 Prozent der Griechen eine Verwendung des Namens "Mazedonien" durch die ehemalige, jugoslawische Republik strikt ab; so zum Beispiel ein 27-jähriger Friseur aus Thessaloniki. "Sie haben kein Recht, sich Mazedonien zu nennen. Weder Neu- noch Nord-Mazedonien."

Wem "gehört" Alexander der Große? Griechen werfen dem Nachbarland historischen Diebstahl vor Bild: DW/F. Schmitz

Für einen 42-jährigen Taxifahrer aus Skopje spielt der Konflikt kaum eine Rolle. Der Vater von drei Kindern leidet unter den sozialen und wirtschaftlichen Problemen des Landes. Ob ein EU- und NATO-Beitritt die prekäre Arbeitssituation in seinem Land verbessern würden, weiß er nicht. Sein Vertrauen in die Politik ist gering. Früher habe er als Fahrer für das Justizministerium gearbeitet - 250 Euro brachte ihm der Job monatlich. Doch ohne das richtige Parteibuch in der Tasche, könne man eine Anstellung im öffentlichen Dienst vergessen. So hofft er bei einem Anschluss an die EU zumindest auf mehr Transparenz: "Mir ist es egal, ob wir den Namen ändern müssen. Ich will eine Zukunft für meine Familie."

Gegen lähmende Ideologien

So stießen Manos und seine Studenten vor allem auf ein versöhnliches Klima, als sie am Wochenende nach Skopje reisten, um sich mit Anthropologie-Studenten aus der ganzen Region auszutauschen. "Viel hier erinnert an Griechenland, auch die Menschen" , erklärt eine Konferenzteilnehmerin, die zum ersten Mal zu Besuch beim nördlichen Nachbarn ist. "Als wir einem Mann auf der Straße erklärt haben, dass wir aus Thessaloniki sind, schien es ihm fast peinlich, dass dieser Konflikt zwischen uns steht."

Seltener Austausch unter Balkan-Nachbarn: Anthropologie-Studenten im April in Skopje Bild: DW/F. Schmitz

Ljupcco Risteski, Anthropologie-Professor an der Universität Skopje, ist davon wenig überrascht. Es seien vor allem Hindernisse von politischer Seite, die eine Annäherung nicht nur zwischen Griechen und Mazedoniern, sondern aller Länder des Balkans be- und verhinderten. Dabei sei den Politikern die Anthropologie ein Dorn im Auge: "Unsere Wissenschaft wird in den Balkangesellschaften nicht zufällig marginalisiert. Es gab im staatlichen Fernsehen von Mazedonien sogar den Hinweis, dass man Fächer wie diese besser nicht studieren solle. Wir Anthropologen untersuchen die Entstehung von Identitäten und wir sind offen kritisch, wenn Regierungen diesen Entwicklungsprozess zu ihren Gunsten nutzen."

So verwundert es nicht, dass wichtige, anthropologische Erkenntnisse über die kulturellen Gemeinsamkeiten in beiden Ländern im andauernden Streit kaum ins Gewicht fallen. Dabei könnten gerade sie Bewegung in die festgefahrene Situation bringen.