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Politische Dummheit

Peter Philipp23. August 2004

In einer überraschenden Kehrtwende haben die USA laut Presseberichten ihr Einverständnis für den Ausbau mehrerer jüdischer Siedlungen in den Palästinensergebieten gegeben. Eine politische Dummheit – meint Peter Philipp.

Grafik für Kommentar oder Fernschreiber-Kolumne, August 2004

Wenn einer in einem Quartett seine eigene Melodie spielt, dann müssen die anderen drei ihn zur Vernunft bringen oder das Ensemble zu einem Terzett umbauen. Was in der Musik gilt, das dürfte in der Politik ebenso stimmen: Da hatten sich Amerikaner, Europäer, Russen und Vereinte Nationen zum Nahost-Quartett formiert und der Region einen ebenso simplen wie einleuchtenden Plan zur Erreichung einer Friedensregelung aufgezeichnet. Diese "road map" sieht unter anderem vor, dass jede Gewalt aufhören muss und dass Israel sukzessive die besetzten Gebiete verlassen soll, damit dort ein palästinensischer Staat entstehen kann. Nicht gerade ein revolutionäres Konzept, aber doch ein internationaler Konsens, von dem man hoffte, dass er die Konfliktparteien früher oder später überzeugen würde.

Dies ist nicht geschehen. Im Gegenteil: Washington schert jetzt aus und verlässt den Konsens, indem es den Plan von Israels Ministerpräsident Ariel Scharon unterstützt, bestehende Siedlungen in der Westbank auszubauen. Ein Beschluss, der auf palästinensischer Seite zu starkem Unmut geführt hat. Man fühlt sich dort endgültig vom Weißen Haus verraten: George W. Bush hatte sich zwar wiederholt eindeutig hinter Scharon gestellt - und geriert sich damit als der pro-israelischste US-Präsident seit langem. Aber gelegentlich hatte er dann doch auch wieder verstanden, zurückzurudern: Etwa im April, als er Scharon bei dessen USA-Besuch das Versprechen abrang, sich aus dem Gazastreifen und vier Westbank-Siedlungen zurückzuziehen, wie auch aus einer Reihe inoffizieller, auch aus israelischer Sicht "illegaler" Siedlungsposten. Im Gegenzug attestierte Bush Scharon, dass Israel im Rahmen einer Friedensregelung nicht alle Siedlungen in der Westbank aufzugeben brauche.

Zum ersten Mal knisterte es im "Quartett": Washington habe die "road map" verlassen und gefährde die Bemühungen um eine Regelung. In Washington lenkte man ein: So habe man das nicht gemeint. Und als Scharon wenig später beschloss, neue Siedlungen zu bauen, schickte man ihm eine ernste Warnung: Israel sei zur Einhaltung der "road map" verpflichtet - und die lasse keine neuen Siedlungen zu.

Alles schien wieder im Lot. Man hatte aber nicht mit Scharon gerechnet: Aus dem "Bau neuer Siedlungen" wurde der "Ausbau bestehender Siedlungen". Und Washington nickte dies nun ab. So als habe man vergessen, dass solch eine "Erweiterung" von Siedlungen eine ebenso alte wie durchsichtige Taktik Israels ist: Schon vor Jahren baute man durchaus neue Siedlungen in der Nachbarschaft bestehender Orte und gab ihnen deren Namen, jeweils mit dem Zusatz "-A, -B, -C". Plötzlich gab es mehrere Siedlungen unter demselben Namen: Für Israel alles eine Gemeinde, in Wirklichkeit völlig separate Einheiten. Die Welt - besonders die USA - ließen sich davon irreführen und man unternahm nichts. So könnte es auch jetzt wieder kommen. Mit dem Unterschied, dass man die Taktik inzwischen kennt und zusätzlich bekannt ist, dass die bestehenden Siedlungen - die ja für einen Frieden aufgegeben werden sollen - nicht gerade unter Übervölkerung leiden. Trotzdem will Israel in zwei jüdischen Siedlungen in der Westbank rund 300 neue Wohnungen bauen.

Scharons Vorgehen ist ein taktischer Trick, wie man ihn hatte erwarten können. Washingtons Unterstützung hierfür aber ist politische Dummheit und Engstirnigkeit: Man gefährdet - möglicherweise wegen der bevorstehenden Wahlen - die Umsetzung der "road map" und den bisherigen Konsensus des "Quartetts". Die anderen drei Mitglieder wären jetzt gefordert: Die "road map" zu begraben, Washington zur Rückkehr zu bewegen - oder ein neues "Ensemble" zu bilden.

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