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Politik

Politische Krise in Tunesien spitzt sich zu

27. Februar 2021

In Tunis sind Anhänger der stärksten Partei des Landes zu den größten Protesten seit Jahren zusammengekommen. Hintergrund ist die Weigerung des Präsidenten, einer Regierungsumbildung zuzustimmen.

Demonstration für die islamische Ennahda-Partei in Tunesiens Hauptstadt Tunis
Demonstration für die islamische Ennahda-Partei in Tunesiens Hauptstadt Tunis Bild: Zoubeir Souissi/REUTERS

Tausende Anhänger der regierenden islamisch-konservativen Ennahda kamen aus verschiedenen Teilen Tunesiens in die Hauptstadt und zogen durch die Straßen von Tunis. Sie forderten auf Plakaten und in Sprechchören "nationale Einheit" und "politische Stabilität", wie die Staatsagentur TAP berichtete. Die Proteste blieben zunächst friedlich.

Die Ennahda-Partei hatte zu einem "Marsch zur Verteidigung demokratischer Institutionen" aufgerufen. Hintergrund des Protests ist eine sich zuspitzende politische Krise in dem kleinen Mittelmeerland. Präsident Kais Saied weigert sich, einer von Ministerpräsident Hichem Mechichi vorgeschlagenen Umbildung des Kabinetts zuzustimmen. Das Parlament hat diese bereits abgesegnet. Der Konflikt lähmt die Arbeit der Regierung, die neben der Corona-Pandemie auch mit einer schweren Wirtschaftskrise ringt.

Ein Menschen- und Flaggenmeer in den Straßen von TunisBild: Yassine Gaidi/AA/picture alliance

"Wir haben ein parlamentarisches System und es obliegt nicht dem Präsidenten zu entscheiden, wer regiert", sagte der Demonstrant Mohamed Khlif, der aus der Küstenstadt Sfax zu der Kundgebung anreiste. "Die Demokratie und die Verfassung müssen respektiert werden." 

Mit dem Marsch vom Samstag scheint die Ennahda-Partei ihre Macht demonstrieren und Mechichi stärken zu wollen. Tunesien habe über mehrere Monate "unverantwortliches Verhalten" erlebt, das den "demokratischen Prozess stören" solle, schrieb die Partei in ihrem Aufruf zu den Protesten. In der Bevölkerung sei eine "Atmosphäre von Zweifel und Unsicherheit" mit Blick auf staatliche Einrichtungen entstanden.

Präsident Saied, ein parteiunabhängiger Politiker und Experte für Verfassungsrecht, kritisierte die Kabinettsumbildung scharf. Er bemängelte, dass er nicht vorab konsultiert worden sei und einige Minister unter Korruptionsverdacht stünden oder wegen Interessenkonflikten nicht geeignet für die Regierungsposten seien.

Proteste mit Landesflagge und Rosen für "politische Stabilität"Bild: Hassene Dridi/AP/dpa/picture alliance

In vergangenen Wochen war es in Tunesien bereits mehrfach zu Protesten gegen die Regierung gekommen, die sich unter anderem gegen Korruption und Polizeigewalt richteten. Dabei wurden dem Innenministerium zufolge Hunderte Menschen festgenommen. Tunesien hat als einziges Land der arabischen Welt nach den Aufständen von 2011 den Übergang in die Demokratie geschafft. Es kämpft aber weiter mit schweren wirtschaftlichen Problemen und sozialen Unruhen.

Das tunesische Bruttoinlandsprodukt (BIP) schrumpfte 2020 um schätzungsweise 8,2 Prozent - nach Angaben des Internationalen Währungsfonds der stärkste Abschwung seit der Unabhängigkeit Tunesiens im Jahr 1956. Die Arbeitslosigkeit lag im letzten Quartal des vergangenen Jahres bei rund 17 Prozent.

qu/cw (afp, dpa, rtr, ap)

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