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"Politische Lösung gegen Piraterie nötig"

20. Mai 2009

Die Zahl der Piratenübergriffe vor Somalia nimmt zu. Während UN, EU und NATO sowie einzelne Länder zum Schutz ihrer Schiffe Flottenverbände entsenden, scheint eine politische Lösung für Somalia in weiter Ferne.

Boot mit Piraten (Foto: AP)
Mutterschiff somalischer PiratenBild: AP

Längst sind die somalischen Piraten dem Klischee der Badelatschen und rostiger AK47-Gewehre entwachsen: Ein gerade spanischen Medien zugespielter Geheimdienstbericht über die EU-Anti-Piratenmission Atalanta belegt, dass die moderne Seeräuberei am Horn immer ausgeklügelter wird. So unterhalten die Piraten laut Bericht Quellen in der Schifffahrtindustrie, die gezielt Auskunft über Ladung und Position möglicher Beuteschiffe geben. Oft sind die Seeräuber sogar über die Nationalitäten der Seeleute an Bord informiert - ein wichtiges Kriterium, da beispielsweise russische Seeleute kaum Kopfgeld erzielen. Bei den Verhandlungen über die Freilassung des türkischen Handelsschiffes Karagöl sollen die Entführer laut der türkischen Reederei täglich Telefonkontakt mit Hintermännern in London gehalten und von dort Befehle entgegengenommen haben.

Lösung nicht auf See, sondern zu Land

Suche nach Piraten im Indischen OzeanBild: picture alliance / dpa

Für Ahmedou Abdallah Ould, UN-Sondergesandten für Somalia, ist der beste Weg, Piraterie zu bekämpfen, die entsprechenden Regierungen zu stärken. Denn, so Ould, wenn es eine effektive Regierung gebe, habe es Seeräuberei schwer. Darin sind sich die meisten Somalia-Beobachter einig: die Lösung liegt nicht auf See, sondern zu Lande. Das heißt, sie liegt in der anarchischen Hauptstadt Mogadischu, wo die neuinstallierte Regierung des Präsidenten Sheik Sharif gegen die vorrückenden Milizen der Al Shabaab und um ihr Überleben kämpft. Und auf dem Land, wo die Bevölkerung jenseits jeglicher staatlicher Strukturen inzwischen nicht einmal mehr von Hilfsorganisationen erreicht wird.

Professor Günther Maihold forscht bei der Stiftung Wissenschaft und Politik über Piraterie. Er hat nachgewiesen, wie die Piraterie in der Straße von Malakka vor Indonesien schlagartig zurückging, als die indonesische Küstenwache im Rahmen regionaler Anrainerverträge aufgerüstet und 2006 das Friedensabkommen von Aceh besiegelt wurde. Auch er ist davon überzeugt, dass ein Durchbruch in Somalia erst erzielt werden kann, wenn die wirtschaftliche Basis für die Menschen auf Land gesichert ist und die grundlegenden staatlichen Strukturen wiederhergestellt sind.

Piraterie als Wahlkampfthema

Deutschland hat Piraten festgenommenBild: AP

Seitdem auch deutsche Schiffe vor Afrika entführt werden, hat das Thema Piraterie die Bundespolitik - und den Vorwahlkampf - erreicht. Die wegen Sicherheitsbedenken abgebrochene Erstürmung der entführten Hansa Stanvanger durch die Anti-Terror-Einheit der GSG9 hat die Diskussion losgetreten, ob das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in die Piratenjagd einbezogen werden solle und dafür eine Grundgesetzänderung vonnöten sei. Laut Artikel 87a darf die Bundeswehr nur im Verteidigungsfall eingesetzt werden. Da Piraten Verbrecher und keine feindlichen Soldaten sind, fallen sie in den Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei. Innenminister Schäuble wolle auf dem Rücken der Somalia-Debatte die Kompetenzen der Bundeswehr erweitern; zudem tue die Regierung zu wenig, um die Ursachen, etwa die Überfischung vor Somalia, zu bekämpfen. Und schließlich werde der Somalia-Einsatz durch Kompetenzstreitigkeiten zwischen den Ressorts Inneres und Justiz zerrieben – so die Vorwürfe der Opposition.

Günther Maihold wünscht sich vor allem eine effektive Koordination der vielen Akteure, die im Seegebiet vor Somalia unterwegs sind: "Wir haben das Mandat der UN, die EU-Mission Atalanta, Indien, China, Malaysia, die dort mit Schiffen vor Ort sind. Und es ist bislang nicht gelungen, dieses alles zusammenzuführen".

Heftige Kämpfe in Somalia

Soldaten in MogadischuBild: AP

Unterdessen werden aus Mogadischu schwere Kämpfe gemeldet, bei denen - laut Hilfsorganisationen - fast 200 Menschen getötet wurden. Damit geht auch die Massenflucht weiter. Tausende Menschen verließen ihre Häuser, um dem Kreuzfeuer und dem Bombardement zu entgehen. Viele Bewohner, die nach dem Rückzug der äthiopischen Truppen in ihre Häuser zurückgekehrt waren, sind nun erneut auf der Flucht.

"Jung, aggressiv und hoffnungslos, was ihre wirtschaftliche Zukunft angeht". So beschrieb der deutsche Kapitän der "Sachsen 219" eine Gruppe somalischer Piraten, die er und seine Mannschaft für fünf Tage an Bord bewachten, bevor sie in Mombasa kenianischen Behörden übergeben wurden. Es ist diese Hoffnungslosigkeit, die den Hintermännern der Piraterie neue Rekruten förmlich in die Arme treibt. Solange die politischen Probleme Somalias nicht gelöst sind, werden auch deutsche Schiffe weiter einer Gefahr ausgesetzt sein. Siehe dazu: Indonesien.

Autor: Ludger Schadomsky

Redaktion: Klaudia Pape

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