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Politischer Auftakt beim Beethovenfest

Gaby Reucher
7. September 2024

Demokratie miteinander leben, das will auch das Bonner Beethovenfest. In diesem Jahr kümmern sich die Veranstalter besonders um die Teilhabe der Menschen - und das weit über die Musik hinaus.

Open Air Bühne in rotes Licht getaucht mit Xylophonspieler im Vordergrund
Die Hamburger Band heizt dem Publikum mit Techno-Rhythmen einBild: Daniel Dittus/Beethovenfest 2024

Diesmal ging es um die Demokratie in den Reden zum Auftakt des Beethovenfestes in Bonn. Das Musikfestival in der Geburtsstadt des Komponisten Ludwig von Beethoven findet dieses Jahr mit rund 100 Veranstaltungen bis zum 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit statt.

Bei den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen hatte die rechtspopulistische Partei AfD (Alternative für Deutschland) Anfang September einen hohen Stimmenanteil bekommen. Alle am Rednerpult der Bonner Oper waren sich einig, dass dies ein Warnsignal gewesen sei, den Menschen im Land mehr zuzuhören und sie teilhaben zu lassen. Ein Plädoyer, wieder mehr miteinander zu diskutieren, ja sogar zu streiten, andere Meinungen auszuhalten und im besten Falle gemeinsam Lösungen zu finden.

Opernhäuser als Ort des Miteinanders?

Die Bürger teilhaben zu lassen, sie einzubeziehen in die Demokratie und auch in die Kultur, dieser Gedanke war schon in den 1950er und 60er Jahren ein Thema. Das zeigten auch neue Opernhäuser dieser Zeit. Statt dicker Mauern gab es großflächige Fensterreihen in den Fassaden, idealerweise mit Blick auf die Menschen der Stadt. Kultur sollte damals nicht mehr im Elfenbeinturm stattfinden. Sie sollte mitten in der Gesellschaft stehen. Quasi ein Sinnbild der Demokratie.

Die Bonner Oper, wie eine Skulptur geschaffen von den Architekten Klaus Gessler und Wilfried Beck-Erlang Bild: Gaby Reucher/DW

Einen Haken hatte die Sache allerdings, denn die Menschen, die draußen standen, konnten zwar von unten in den erleuchteten Musentempel blicken, doch viele von ihnen hatten nicht das Geld für die teuren Eintrittskarten. Die, die in der Oper waren, genossen dagegen in den Pausen bei einem Glas Sekt den Blick durch die Fenster und von den Balkonen auf die Lichter der Stadt. Das ist auch heute noch so, auch in der Bonner Oper. Erbaut 1965 in einem neuen demokratischen Deutschland.

Wie ein Miteinander gelebt werden kann

"Bei demokratischer Teilhabe geht es nicht nur um die, die drin sind, sondern im besonderen Maße auch um die, die draußen sind", betonte der Intendant des Beethovenfestes, Steven Walter, in seiner Ansprache. "Die, die sich nicht gehört, gesehen oder gemeint fühlen. Man läuft Gefahr, vor lauter Drinnensein das Draußen zu vergessen". "Miteinander", so lautet das diesjährige Motto des Beethovenfestes.

Steven Walter will vermitteln, wie wichtig die Teilhabe aller Menschen istBild: Neda Navaee/Beethovenfest

Steven Walter hat das Eröffnungskonzert in der Bonner Oper zwar nicht radikal für alle umsonst geöffnet, aber er hat es immerhin möglich gemacht, ein großes Publikum an diesem Event auf andere Weise teilhaben zu lassen. Auf dem Bonner Marktplatz in der Innenstadt erklang bei freiem Eintritt nahezu das gleiche Konzert wie in der Oper, nur in umgekehrter Reihenfolge mit fliegendem Wechsel der Interpreten.

Rollentausch beim Eröffnungskonzert

Während die Techno-Marching-Band Meute aus Hamburg mit einem Trauermarsch die Oper betrat - fast hatte man nach den Reden das Gefühl, die Demokratie werde hier zu Grabe getragen - erklang auf dem Bonner Marktplatz Beethovens Fünfte Sinfonie mit der Kammerakademie Potsdam, dirigiert von der Chinesin Elim Chan. Später spielte das Ensemble die fünfte Sinfonie mit gleicher Strahlkraft noch einmal in der Oper und die Band Meute heizte den Menschen auf dem Marktplatz ein.

Auch in der Oper sorgt "Meute" für ausgelassene Stimmung Bild: Daniel Dittus/Beethovenfest 2024

Auch in der Oper wandelte sich der Trauermarsch der Hamburger Band schnell in einen spritzigen kurzweiligen Act mit fetzigem Saxophon und Xylophon und natürlich mit Pauken und Trompeten und der großen Tuba. Auf der dicken Trommel der Hamburger Techno Marching Band stand in großen Lettern das Wort "Peace", Frieden.

Eine Marching-Band in einem klassischen Konzert? Seit Steven Walter vor drei Jahren das Amt des Intendanten beim Bonner Beethovenfest übernommen hat, ist er immer für Überraschungen gut, mischt fremde mit althergebrachten Klängen in einem Konzert und sorgt damit für einen anderen Zugang zu klassischer Musik.

Beethoven mit anderen Ohren hören

Dass der Pianist Giorgi Gigashvili Spaß hatte an Beethovens "Eroica-Variationen", merkte man ihm förmlich an. Der Georgier betonte immer wieder Passagen anders als es den Hörgewohnheiten vieler Klassikfans entspricht. Er verzögerte sein Spiel durch längere Pausen und beschleunigte plötzlich wieder; spielte mal verhalten introvertiert, um dann die Töne fingerfertig wieder perlen zu lassen.

Giorgi Gigashvili verblüfft und begeistert durch sein abwechslungsreiches SpielBild: Daniel Dittus/Beethovenfest 2024

Auch die "Kammerakademie Potsdam" hat Beethovens Fünfte Sinfonie anders umgesetzt als gewohnt. Unter dem Dirigat der Chinesin Elim Chan hat das Ensemble gewisse Stellen und einzelne Instrumente hervorgehoben, die sonst im Orchesterklang eher verborgen bleiben. Das Orchester spielt rasant ohne Schnörkel. "Unser Orchester spricht eine sehr schlanke und direkte Sprache", erläutert der erste Geiger der Kammerakademie Potsdam Peter Rainer im Gespräch mit der DW. "Da wird nicht viel weichgespült."

Dirigentin Elim Chan und das Orchester "Kammerakademie Potsdam" nach einer energiegeladenen fünften SinfonieBild: Daniel Dittus/Beethovenfest 2024

Steven Walters Idee, mehr Menschen an der Kultur teilhaben zu lassen, und durch die Einbindung anderer Interpretationen, anderer Klänge und Stile auch neugierig zu machen, gilt auch für das Orchester. "Musik ist unmittelbar und gegenüber der Politik hat sie den Vorteil, dass sie jeden über Kultur- und Sprachbarrieren hinweg ansprechen kann". Es sei eine Sprache, die direkt das Herz trifft, ist sich Peter Rainer sicher.

Das Klima und die Welt retten

Mit Musik lassen sich vielleicht auch gesprochene Botschaften besser überbringen. Der Klimaaktivistin Luisa Neubauer ist das jedenfalls beim Eröffnungskonzert gelungen.  Neubauer wurde bekannt als Gefährtin von Greta Thunberg im Rahmen der Klimaaktionen "Fridays for Future". Im Eröffnungskonzert trug sie einen Text über den Zustand der Welt vor, begleitet von Beethovens "Cavatina" aus dem Streichquartett Nr. 13 op 130 - und das hat einen besonderen Grund.

Eine der beiden "Golden Records", die mit Daten von der Erde ins All geschickt wurdeBild: United Archives/picture alliance

Um eventuellen Lebewesen auf anderen Planeten zu zeigen, was die Erde zu bieten hat, wurden 1977 zwei goldene Speicherplatten, mit den Raumsonden Voyager 1 und 2 auf eine interstellare Reise geschickt. Das Besondere: Sie enthielten auch Musikaufzeichnungen, kodierte Bilder und Klänge. Darunter auch jene getragene "Cavatina" von Beethoven aus seinem 13. Streichquartett, gespielt von vier Musizierenden aus dem Ensemble "Resonanz".

Man habe natürlich die schönen Seiten der Welt zeigen wollen, sagte Neubauer in ihrem Vortrag. Im Zeitalter der Aufklärung, in dem auch Beethoven gelebt hatte, begann man die Erkenntnisse aus der Wissenschaft zu akzeptieren und nicht nur an das Wort Gottes zu glauben. Doch die fortschreitende Technisierung habe auch viel zerstört.

Eine bessere Welt für die Nachwelt: Luisa Neubauer will die Hoffnung nicht aufgebenBild: Daniel Dittus/Beethovenfest 2024

"Klimaforscher sprechen davon, dass die Stabilität der Erdensysteme erstmals seit Menschheitsbeginn droht vollständig zu kollabieren", referierte Neubauer. Es gäbe einen "Fortschritt, der immer unbezahlbarer ist, Technologien, die immer gefährlicher werden und Maschinen, die mehr kaputt machen, als dass sie retten". Ihr Plädoyer, zu versuchen, diese Welt doch noch miteinander zu retten, und die Hoffnung nicht aufzugeben, stimmte besonders zur Musik Beethovens nachdenklich und erntete großen Applaus.

Weltchor für Beethoven

Neben Beethovens Missa Solemnis stand am Eröffnungswochenende auch noch das Campus Projekt der DWund des Beethovenfestes auf dem Programm. Sängerinnen und Sänger aus aller Welt machen mit beim Weltjugendchor und führten zusammen mit dem Bundesjugendorchester im Rahmen des Projektes Beethovens Neunte auf. Eine Sinfonie, die für Frieden, Freude und Miteinander steht.

Der chinesisch-amerikanische Dirigent Tan Dun dirigierte nicht nur Beethovens Neunte, sondern auch eine Eigenkomposition "Choral Concerto: Nine", in der er seine Gedanken über Beethovens Neunte mit Klängen seiner Heimat verband. Am Ende gab es für ihn und die Leistung der jungen Musizierenden Standing Ovations. Das Konzert wurde von der DW live gestreamt und ist auf dem Youtube Kanal DW Classical Musik zu sehen.

Die Deutsche Welle ist Medienpartner des Beethovenfestes.

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