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Politischer Egoismus führt zu Stillstand in Kosovo

9. Mai 2025

Drei Monate nach der Parlamentswahl vom 9.02.2025 herrscht in Kosovo weiterhin eine politische Blockade. Das Parlament arbeitet nicht, allein kann keine der Parteien regieren. Dennoch will niemand eine Koalition.

Wohnhäuser aus den 1960er oder 1970er Jahren im Hintergrund zwei Hochhäuser
Blick auf die kosovarische Hauptstadt Prishtina. Dort herrscht momentan politischer StillstandBild: Vjosa Cerkini/DW

Die Republik Kosovo steht vor vielen drängenden Problemen. Die Wirtschaft ist eine der schwächsten der gesamten Westbalkan-Region, Menschen wandern in Scharen ab und der politische Konflikt mit Serbien sorgt immer wieder für große Unruhe im Land. Ausgerechnet in dieser Situation herrscht seit nunmehr drei Monaten politischer Stillstand - seit der Parlamentswahl vom 9. Februar ist nicht nur keine neue Regierungsmehrheit zustande gekommen, auch der normale Parlamentsbetrieb findet nicht statt, da sich die Parteien nicht auf eine Kandidatin oder einen Kandidaten einigen konnten.

Nach der Wahl fanden sich die Politiker in einem Patt wieder. Die regierende linksnationale Partei Vetevendosje (Selbstbestimmung, VV) mit dem amtierenden Premierminister Albin Kurti kam auf rund 42 Prozent der Stimmen und 48 Abgeordnete. Auf der anderen Seite steht das Mitte-Rechts-Lager mit drei Oppositionsparteien: der Demokratischen Partei Kosovos (PDK) mit rund 22 Prozent der Stimmen (25 Abgeordnete), gefolgt von der Demokratischen Liga Kosovos (LDK) mit 17 Prozent (20 Abgeordnete) und schließlich der Allianz für Kosovo (AAK) mit sieben Prozent (8 Abgeordnete). Das kosovarische Parlament umfasst 120 Abgeordnete, davon sind aber unabhängig vom Wahlergebnis 20 Sitze für die Minderheiten reserviert, zehn für die serbische Minderheit, ebenfalls zehn für alle weiteren Minderheiten im Land.

Der kosovarische Premierminister Albin Kurti nach dem Wahlsieg seiner Partei Vetevendosje am 10.02.2025Bild: Florion Goga/REUTERS

Der geordnete Parlamentsbetrieb beginnt verfassungsgemäß nach Neuwahlen erst mit der Wahl eines Parlamentspräsidenten oder einer Parlamentspräsidentin. Die Wahl scheiterte jedoch bisher. Die stärkste Fraktion, Vetevendosje, nominierte zwar die amtierende Justizministerin, Albulena Haxhiu, zur Kandidatin, doch sie fiel bei bisher nicht weniger als zwölf Wahlversuchen durch, der jüngste davon am 7.05.2025, als Haxhiu auf 56 Stimmen kam. Die Oppositionsparteien stehen ihr ablehnend gegenüber, weil sie "spaltend" wirke und damit ungeeignet für dieses herausragende Amt sei.

Keine Fristen und Begrenzungen

Der amtierende Premierminister Albin Kurti versuchte bisher ohne Beteiligung des Mitte-Rechts-Lagers die notwendige Mehrheit von 61 Stimmen zusammenzubekommen - ohne Erfolg. Dabei ist die Phase zwischen der Feststellung des Wahlergebnisses und der Wahl des Parlamentspräsidenten in der kosovarischen Verfassung nicht geregelt - es gibt weder Fristen noch Begrenzungen. So dauert der politische Stillstand momentan an.

Für Donika Emini, Expertin in der Beratungsgruppe für Balkanpolitik in Europa (BIEPAG) war das vorhersehbar. "Die Wahlen haben Kosovo in ein echtes Mehrparteiensystem verwandelt, sagt sie. "Damit umzugehen fällt dem amtierenden Premierminister offensichtlich schwer. Es fehlt ganz allgemein am Willen zum Kompromiss."

Die kosovoarische Politologin Donika EminiBild: Arben Llapashtica

Nach zahlreichen gescheiterten Gesprächsrunden des Premiers mit Vertretern der Oppositionsparteien schlug der LDK-Chef Lumir Abdixhiku vor, übergangsweise bis 2026 eine Allparteienregierung zu bilden und dann eine vorgezogene Parlamentswahl zusammen mit der regulär anstehenden Präsidentschaftswahl durchzuführen. Kurti und Vetevendosje lehnen das ab.

Staatspräsidentin soll eingreifen

Nachdem alle bisherigen Optionen gescheitert sind, soll sich nun die Staatpräsidentin Vjosa Osmani des Themas annehmen und die Parteienvertreter zu Gesprächen einladen. Außer mahnenden Worten hat die Präsidentin jedoch keine Einflussmöglichkeiten. Theoretisch kann auch die Phase ihrer Gespräche endlos ausgedehnt werden.

Die Analystin Donika Emini sieht den Parteienegoismus als größtes Problem: "Ein Ausweg aus dieser Blockade wäre leicht möglich, wenn die Parteien über ihre Eigeninteressen hinausblicken und die Staatsagenda in den Vordergrund stellen würden", sagt sie. "Vor allem müsste Vetevendosje den ersten Schritt in Richtung Kompromiss machen, indem sie die Kandidatin für das Amt des Parlamentspräsidenten wechselt."

Unzufriedenheit wächst

Unterdessen wird die Unzufriedenheit vieler Kosovaren mit dem Stillstand immer größer. Aktuell hat die Inflation im Land ein Rekordniveau erreicht, allein die Strompreise haben sich im vergangenen Jahr verdreifacht. Wobei die Energieversorgung seit Jahren im Argen liegt - zu Jahresanfang beispielsweise gab es tagesweise bis zu zehn Stunden Stromausfall im Land. Nicht zuletzt wegen der prekären Verhältnisse ist die Abwanderung stark angestiegen, die seit Januar 2024 eingeführte Visafreiheit mit EU-Ländern hat dazu noch einmal beigetragen.

Abgebrochene Parlamentssitzung in Kosovo am 15.04.2025 in PrishtinaBild: Erkin Keci/Anadolu/picture alliance

Der Politologe Nexhmedin Spahiu beurteilt die bisherigen gescheiterten Versuche, einen Parlamentspräsidenten zu wählen als "ein politisches Spiel, das Kurti spielt, um mehr Zeit zu gewinnen, bis er die Mehrheit von 61 Abgeordneten findet". Ein Spiel, das jedoch für Kurti nach hinten losgehen könnte, zumindest wenn man die steigende Unzufriedenheit der Bevölkerung betrachtet. Diese Gefahr sieht auch Nexhmedin Spahiu: "Der größte Verlierer dabei ist meiner Meinung nach Albin Kurti, denn je länger sich die Sache hinzieht, desto schwieriger wird die Situation für ihn."

Vjosa Cerkini Themen: Kosovo, die anderen Westbalkan-Länder und deren Verbindungen zum Westen