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Kommentar

Bernd Riegert18. Februar 2009

Das tschechische Parlament hat den EU-Reformvertrag ratifiziert. Das Abgeordnetenhaus stimmte mit 125 zu 61 Stimmen für den Vertrag von Lissabon. Nun muss noch der Senat zustimmen. Ein Kommentar von Bernd Riegert.

Bild: DW

…und er bewegt sich doch. Langsam nähert sich der neue EU-Grundlagenvertrag der Ratifizierung in allen EU-Mitgliedsländern. Die Zustimmung des tschechischen Unterhauses zum Vertrag von Lissabon ist ein wichtiger Schritt, aber nicht der letzte, der in Tschechien getan werden muss, das zurzeit die Geschäfte der EU führt. Jetzt muss noch der Senat, also das Oberhaus in Prag zustimmen. Außerdem steht die Unterschrift des tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus noch aus, der den Vertrag offen ablehnt. Klaus ist dagegen, weitere Kompetenzen an die EU abzugeben. Am Donnerstag (19.02.2009) wird er vor dem Europäischen Parlament in Brüssel sprechen. Die Rede wird mit Spannung erwartet. Vaclav Klaus hatte bislang keine Gelegenheit ausgelassen, scharfe Kritik an der EU zu üben und ihre Spitzenvertreter zu düpieren. Der Chef der Grünen im Europäischen Parlament, Daniel Cohn-Bendit, hält Vaclav Klaus gar für paranoid.

Für die tschechische Regierung unter dem konservativ-bürgerlichen Ministerpräsidenten Topolanek, die sich nicht auf eine eigene Mehrheit stützen kann, sondern von den Sozialdemokraten toleriert wird, ist der Abstimmungserfolg im Parlament sehr wichtig gewesen. Sie wurde immer wieder verschoben. Denn wäre sie schief gegangen, wäre das sicher das Ende der Regierung von Mirek Toplanek gewesen. Mitten in der EU-Ratspräsidentschaft wäre Tschechien dann ohne Führung gewesen. Das hätte die gesamt Europäische Union gelähmt.

Weiterer Hürdenlauf erwartet

Ob der Vertrag von Lissabon die Ratifizierungshürde auch im Senat, dem tschechischen Oberhaus, nehmen wird, ist unklar. Niemand weiß zu sagen, ob sich der Senat in einigen Wochen oder erst in einigen Monaten mit dem Vertrag beschäftigen wird. Konservative Senatoren wollen die Ratifizierung des EU-Vertrages mit der Zustimmung zur Stationierung des US-Radarsystems verknüpfen, das Teil der umstrittenen Raketenabwehr gegen Geschosse aus dem Iran ist.

In Deutschland ist die parlamentarische Ratifizierung des neuen EU-Vertrages zwar abgeschlossen, aber der Bundespräsident hat die entsprechenden Gesetze noch nicht ausgefertigt. Das Bundesverfassungsgericht muss zunächst urteilen, ob der Lissabon-Vertrag mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar ist. Nach der mündlichen Verhandlung, in der die Richter durchaus Bedenken erkennen ließen, wird ein Urteil frühestens im April erwartet.

Iren könnten sich aus der Union katapultieren

Das Schicksal des Vertrages, in dem die EU ihre Kompetenzen klar regeln und die Rechte des Parlaments stärken wollte, liegt aber vor allem in der Hand der irischen Wähler. Die hatten den Vertrag im vergangenen Jahr in einer Volksabstimmung abgelehnt. Nach Zugeständnissen der übrigen 26 EU-Staaten sollen die Iren nun ein zweites Mal abstimmen. Vielleicht im Oktober, vielleicht aber auch schon Anfang Juni, wenn das Europäische Parlament neu gewählt wird. Letzte Umfragen zeigen, dass die Iren unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise vielleicht doch lieber in der Europäischen Union verbleiben wollen. Denn ein zweites Nein käme einem Austritt Irlands aus der Union gleich. Doch der Ausgang des zweiten Referendums ist ungewiss, da die EU-Gegner in Irland stark sind und ihr Wahlkampf gerade erst auf Touren kommt.

Eine weitere Hürde hat der Vertrag von Lissabon auch noch in Polen zu nehmen. Dort hat der EU-kritische Präsident seine Unterschrift unter die Ratifizierungsurkunden noch nicht geleistet. Er will sich aus innenpolitischen Gründen dieses Faustpfand noch nicht nehmen lassen und abwarten, bis alle andere Staaten ratifiziert haben. Tschechien hat sich auf den Weg gemacht, hoffentlich hält die Regierung durch, hoffentlich besinnt sich Vaclav Klaus, der Präsident, eines Besseren und gibt seinen Widerstand auf. Hoffentlich sind es zum Schluss nicht die deutschen Verfassungsrichter, die den Vertag von Lissabon zum Scheitern bringen. Die Europäische Union braucht die neue Vertragsgrundlage, um sich weiter entwickeln zu können und um weitere Mitglieder auf dem Balkan aufnehmen zu können.