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Politik

Politisches Chaos in Peru

Johan Ramírez
2. Oktober 2019

Turbulente Tage in Lima: Der Präsident löst den Kongress auf und wird daraufhin von diesem abgesetzt. Die neue Interimspräsidentin tritt nur einen Tag später wieder zurück. Peru wirkt führungslos und tief gespalten.

Peru Präsidentschaftswahlen Protest gegen Kongress
Die Weigerung des Parlaments Neuwahlen zuzustimmen, führte in Lima zu Protesten. Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Mejia

Ein Machtkampf zwischen dem Präsidenten und dem Parlament stürzt Peru in eine schwere Krise. Die Entscheidung des Präsidenten Martín Vizcarra, den Kongress aufzulösen, wurde auf den Straßen in vielen Teilen des Landes gefeiert. Doch das Parlament schlug sofort zurück und suspendierte Vizcarra "vorübergehend" von seinem Amt und beschuldigte ihn einen Staatsstreich begangen zu haben. Damit erreichte der Machtkampf der beiden wichtigsten demokratischen Institutionen des Landes einen unumkehrbaren Wendepunkt. Doch damit nicht genug: Die vom Parlament in Lima ernannte Interimspräsidentin Mercedes Aráoz hat nach nur einem Tag ihren Rücktritt erklärt. Sie wolle damit den Weg zu allgemeinen Wahlen freimachen, schrieb Aráoz auf ihrem Twitter-Account.

Kontrolle über das Verfassungsgericht

Präsident und Parlament befinden sich in Peru schon seit drei Jahren in einem ständigen Konflikt. Die Querelen erreichten einen neuen Höhepunkt, als der Kongress, in dem die Opposition die Mehrheit hat, den Beginn eines Auswahlprozesses für zwei neue Richter am Verfassungsgericht ankündigte. Dies aber ohne die Möglichkeit einer öffentlichen Bewerbung für diese Posten, wie sie normalerweise in Peru üblich ist.

Präsident Vizcarra forderte daraufhin das Parlament "dringend" auf, ein öffentliches Bewerbungsverfahren zuzulassen. Er drohte dem Parlament auch mit der Auflösung, falls seine Forderung abgewiesen werde. Doch das Parlament weigerte sich, und so setzte Vizcarra seine Ankündigung in die Tat um. "Ich möchte bekräftigen, dass Präsident Vizcarra keinen Staatsstreich begangen hat", sagt der ehemalige peruanische Außen- und Justizminister Diego García Sayán im Gespräch mit der DW. "An diesem Punkt des Konflikts hatte sich der Kongress vom Volk abgewandt. Die Regierung hatte keine andere Wahl, da das Land sonst unregierbar geworden wäre", sagt der ehemalige Minister.

"Das Problem ist, dass der Kongress das öffentliche Bewerbungsverfahren kippen wollte, um handverlesene Kandidaten für das Verfassungsgericht auszuwählen, die dem ehemaligen Präsidenten Fujimori nahestehen", erklärt Julio Panduro, politischer Analyst der Zeitung "El Peruano". "Das ist natürlich ein politisches Manöver, denn sobald dies Kandidaten im Verfassungsgericht sitzen, können sie die Justizentscheidungen zugunsten der Fujimori-Anhänger beeinflussen und anderen Parteien schaden", meint Panduro.

Straflosigkeit gegen Beförderung

Tatsächlich gibt es derzeit Strafverfahren gegen mehrere Mitglieder der Opposition im Kongress. Einige davon haben mit einem Korruptionsskandal um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht zu tun. Die Prominenteste unter ihnen ist Oppositionsführerin Keiko Fujimori. Die Tochter des ehemaligen Staatschefs sitzt wegen Korruptionsverdacht schon seit über einem Jahr in Untersuchungshaft. Bei vielen anderen Abgeordneten ruhen die Verfahren derzeit, da sie parlamentarische Immunität genießen. Ein Privileg, das sie verlieren könnten, wenn jetzt tatsächlich vorgezogene Neuwahlen ausgerufen werden sollten. Sollten sie nicht erneut gewählt werden, würden ihre Fälle von der Justiz wiederaufgenommen werden.

"Mit der Ernennung ihnen wohlgesonnener Richter wollten sie sich ihre zukünftige Straffreiheit sichern, da ihre Fälle vor dem Verfassungsgericht landen würden. Die begünstigten Richter könnten sich dann revanchieren", so Panduro.

Präsident Martín Vizcarra kam erst vor einem Jahr nach dem Rücktritt von Präsident Kuczynski ins Amt. Bild: picture alliance/AP Photo

Aus dem Dauer-Machtkampf sind beide Seiten geschwächt hervorgegangen. In der Bevölkerung hat das Parlament viel Unterstützung verloren. Laut dem unabhängigen peruanischen Forschungsinstitut IEP befürworteten im April 70 Prozent der Bürger eine Auflösung des Parlaments. Andererseits mangelt es der Präsidentschaft von Martín Vizcarra an einer klaren Linie. Das beherrschende Thema seiner Amtszeit ist der Dauerstreit mit dem Kongress. Für andere Themen ist da kaum noch Platz. 

Bevölkerung unterstützt den Präsidenten

"Diese Situation konnte man kommen sehen, denn seit Beginn der aktuellen Wahlperiode im Jahr 2016 hat die Opposition ihre parlamentarische Mehrheit dazu genutzt, um der Regierung das Leben schwer zu machen", sagt Fernando Tuesto Soldevilla von der Katholischen Universität in Lima. "Es war dieser heftige Machtkampf, der 2018 zum Rücktritt von Präsident Pedro Pablo Kuczynski führte. Vizcarra war nun auf bestem Wege, dasselbe Schicksal zu erleiden. Deswegen hat er jetzt die Notbremse gezogen", erklärt der Experte.

Mit einem aufgelösten Parlament, das wiederum den amtierenden Präsidenten suspendiert, manövriert sich Peru in eine sehr instabile Lage. Vizcarras Entscheidung wird zwar von einem großen Teil der peruanischen Gesellschaft unterstützt. Wer den Machtkampf letztlich gewinnen wird, erscheint zur Zeit jedoch noch völlig unklar.