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Politik

"Man fürchtet, Cohen könnte noch mehr auspacken"

Helena Kaschel
22. August 2018

Die Verurteilung und das Schuldgeständnis zweier ehemaliger enger Weggefährten setzen Donald Trump unter Druck - allerdings nicht genug, um seine Präsidentschaft zu gefährden, erklärt Politologe Christian Lammert.

USA - Ermittlungen zur Russland-Affäre - Trumps Ex-Anwalt Michael Cohen
Michael Cohen beim Verlassen eines Gerichtsgebäudes in New York am DienstagBild: Reuters/A. Alfiky

Es wird eng für den US-Präsidenten - so der Tenor in den Medien nach zwei Nachrichten, die das politische Washington am Dienstag erschütterten: Donald Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort muss wegen Steuerhinterziehung und Bankenbetrugs für Jahre, möglicherweise für Jahrzehnte hinter Gitter. Damit nicht genug. Der ehemalige Anwalt von US-Präsident Trump, Michael Cohen, bekannte sich vor Gericht wegen Steuerbetrugs und illegaler Wahlkampffinanzierung schuldig.

130.000 Euro Schweigegeld hat Cohen demnach während des US-Präsidentschaftswahlkampfs 2016 nach Aufforderung "eines Kandidaten" an zwei Frauen gezahlt, die nach eigenen Aussagen mit Trump sexuelle Kontakte hatten. Damit wird Trump erstmals mit Vergehen in Verbindung gebracht, die möglicherweise zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnten.

Deutsche Welle: In den vergangenen eineinhalb Jahren hat kein Skandal US-Präsident Donald Trump ernsthaft geschadet. Die Verurteilung von Paul Manafort und die Aussagen von Michael Cohen könnten dies ändern. Der demokratische Senator Richard Blumenthal hat im Fernsehsender CNN von einem "Watergate-Moment" gesprochen. Erleben wir jetzt den Anfang vom Ende der Ära Trump?

Christian Lammert: Nein. Das zeigt auch die Erfahrung aus dem Wahlkampf: Als der Ton-Mitschnitt Donald Trumps aus dem Bus publik wurde und herauskam, wie er mit Frauen umgeht, hat man gesagt, das sei das Ende seiner Kampagne. Es war nicht das Ende der Kampagne. Auch im Amt hat Trump sich schon einiges geleistet, bei dem viele gesagt haben: "Jetzt hat er die rote Linie überschritten." Die rote Linie bewegt sich andauernd weiter, sie ist ein bewegliches Ziel geworden. Deswegen ist es schwer einzuschätzen, wann er wirklich einmal diese rote Linie überschreitet.

Der Unterschied zu anderen Skandalen ist aber doch, dass die aktuellen Entwicklungen, vor allem die Aussage Cohens, Trump juristisch in Bedrängnis bringen könnten.

Da müsste jetzt schon noch einiges nachkommen. Wahlkampffinanzierung (Anmerkung der Redaktion: illegale) in Höhe von 130.000 Euro, das ist in den USA noch ein geringes Vergehen, deswegen wird kein amtierender Präsident vor Gericht geschleppt. Es gibt eine Praxis, die in den 70er Jahren vom Justizministerium eingeführt und 2000 bestätigt wurde: Man soll amtierende Präsidenten vor solchen Gerichtsverfahren schützen, weil sie eine Strategie der Opposition sein könnten, den Präsidenten zu blockieren. Weil ein Rechtsverfahren gegen den Trump sehr unwahrscheinlich ist, haben viele die Hoffnung, dass sich noch so viel anhäuft, dass der Kongress ein Amtsenthebungsverfahren einleitet.

Ein Amtsenthebungsverfahren gegen Trump ist also durch die Verurteilung von Manafort und das Geständnis Cohens nicht näher gerückt?  

Man muss immer berücksichtigen, dass ein Amtsenthebungsverfahren nicht nur ein juristisches, sondern vor allem ein politisches Verfahren ist. Die Frage ist, inwieweit die republikanische Partei, die ja noch die Mehrheit im Repräsentantenhaus hat, gewillt ist, ein solches Verfahren jetzt zu starten - gerade mit Blick auf die anstehenden Zwischenwahlen im November und die Frage, ob Trump eine Belastung ist oder inwieweit er hilfreich sein könnte, um bei den Wahlen erfolgreich abzuschneiden. Es gibt Überlegungen in der Partei, in der jetzigen Unsicherheit in die Zwischenwahlen zu gehen und vielleicht auch das Repräsentantenhaus zu verlieren, und dann sollen die Demokraten eben ein Amtsenthebungsverfahren einleiten.

Seine Anhänger werden Trump auch angesichts der aktuellen Entwicklungen treu bleiben, meint Christian LammertBild: Reuters/L. Millis

Ist das realistisch?

Die Aussichten, dass ein Amtsenthebungsverfahren erfolgreich ist, sind sehr gering, es gab in der Geschichte der USA noch nie ein erfolgreiches Verfahren dieser Art. Von einem gescheiterten Verfahren würde Trump vielleicht profitieren, und dann gingen die Republikaner gestärkt in die Präsidentschaftswahl 2020. Das sind momentan die Überlegungen der Republikaner, und deswegen glaube ich nicht, dass sie Trump jetzt kurzfristig fallen lassen. Das gilt natürlich nur unter dem Vorbehalt, dass jetzt nicht herauskommt, dass es wirklich gezielte Treffen gab mit der russischen Regierung, von denen Trump wusste oder bei denen er vielleicht sogar dabei war. Das würde sofort den ganzen Diskurs ändern und Trump massiv unter Druck setzen. Dann würde er, glaube ich, aber eher zurücktreten als durch ein Amtsenthebungsverfahren zu gehen.

Wie wichtig ist die Verurteilung Manaforts für die Arbeit von Sonderermittler Robert Mueller?

Manafort wurde ja in acht von 18 Anklagepunkten von der Jury schuldig gesprochen. In den restlichen ist er nicht freigesprochen worden, sondern die Jury hat nur gesagt: "Wir können uns hier eigentlich kein Urteil erlauben". Das heißt, diese Punkte werden auch im nächsten Verfahren gegen Manafort wieder auf das Tableau kommen. Das stärkt natürlich das Mueller-Team, weil sie jetzt gezielt weiter fragen können. Zeitgleich hat diese Untersuchung auch wahnsinnig viel an Legitimität gewonnen. Mueller hat die ganze Zeit damit zu kämpfen, dass Trump seine Ermittlungen als "Hexenjagd" darstellt. Mit der Verurteilung von Manafort hat Mueller jetzt natürlich ein Druck-Instrument, noch mal auf ihn zu zu gehen und zu sagen: "Wir können gerade mit Blick auf das nächste Verfahren noch mal miteinander sprechen. Wir können da noch mal eine Vereinbarung treffen, wenn du uns Informationen lieferst". Strategisch und auch politisch war das sehr wichtig für die Ermittlungen von Mueller.

Glaubt nicht, dass sich Trump zeitnah wegen der Aussagen Cohens vor Gericht verantworten muss: Politologe Christian LammertBild: Georg Lopata/BKK

Sie haben gesagt, Michael Cohens bisherige Aussage sei für Trump wahrscheinlich juristisch noch nicht gefährlich. Viele gehen davon aus, dass Cohen den New Yorker Ermittlern noch mehr Informationen liefern wird. Sie auch?

Er war immerhin sein persönlicher Anwalt. Die Ermittlungsbehörden haben unzählige Dokumente beschlagnahmt und als relevant eingestuft, die werden wahrscheinlich zum Teil noch gesichtet. Cohen hatte ja schon vor einiger Zeit gesagt, dass ihm seine Familie wichtiger ist als Trump. Dass war ein erstes Signal, dass er sich von dem Präsidenten abwendet. Dass er jetzt der erste ist, der explizit sagt, Trump habe ihn aufgefordert, diese Zahlungen an die Pornodarstellerin und das Playboy-Model zu bezahlen, zeigt, dass Cohen eindeutig bereit ist, gegen Trump auszusagen - und er wird noch mehr über Trump wissen.

Auch das wird für die Untersuchung von Mueller wichtig sein: Er hat jetzt hier einen Fuß in der Tür und einen Angeklagten, der scheinbar wirklich willens ist, Trump zu belasten. Das erklärt auch die sehr nervösen Reaktionen nicht nur von Trump, sondern auch von seinem neuen Anwalt Giuliani, der ja in mehreren Fernsehsendungen fast schon hysterisch auf diese Vorwürfe reagiert hat. Der Diskurs, der da aus der Administration kommt, ist sehr defensiv, was auch damit zu tun hat, dass man befürchtet, dass Cohen noch mehr zum Auspacken hat.

Halten Sie es für möglich, dass Trump Robert Mueller entlässt?

Trump selbst kann Mueller nicht feuern, er müsste seinen Justizminister auffordern, den Sonderermittler zu entlassen. Jeff Sessions hat sich selbst als befangen erklärt. Das heißt, eigentlich müsste Rod Rosenstein (Anmerkung der Redaktion: Stellvertreter des Justizministers) Mueller feuern, der hat aber schon immer signalisiert, dass er sowas nicht machen wird. Würde Trump hier weiter aktiv werden und verlangen, dass man die Untersuchung beendet, dann sind wir wirklich auf dem Weg in ein zweites Watergate. Ich glaube nicht, dass Trump so etwas machen wird.

Wie wahrscheinlich ist es, dass sich die Entwicklungen auf den Ausgang der Zwischenwahlen im November auswirken?

Ich glaube, bei Trumps Kernanhängerschaft wird das keine Wirkung zeigen. Sie werden sagen, es gehe bei der Mueller-Untersuchung ja um eine Zusammenarbeit zwischen dem Trump-Wahlkampfteam und der russischen Regierung, hier habe sich ja nichts gezeigt. Es gehe ja um ganz andere Sachen, an denen Leute wie Manafort und Cohen Schuld seien, die aber mit dem Präsidenten nichts zu tun hätten. Die Frage ist, inwieweit die wachsende Gruppe der unabhängigen Wähler beeinflusst wird von diesen Nachrichten. Entweder wird es wirklich einen Schwenk weg von den Republikanern hin zu den Demokraten geben, oder die Wähler sind einfach nur frustriert, weil wieder einmal deutlich geworden ist, dass die Verurteilung von Manafort  und Co. nicht als direktes Umfeld von Trump wahrgenommen wird, sondern als Verhalten einer korrupte politische Elite, die in Washington regiert. Aufgrund dieser Sichtweise würden diese Wähler dann vielleicht nicht zur Wahl gehen. Das sind die zwei Optionen.

Professor Christian Lammert ist Politikwissenschaftler am John F. Kennedy Institute der Freien Universität Berlin.

Das Gespräch führte Helena Kaschel.

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