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Politik

Polizei: Gefahr und Tod als ständige Begleiter

Sabine Kinkartz | Tessa Clara Walther
1. Februar 2022

Der Tod der zwei erschossenen Polizisten bei Kusel hat erneut gezeigt, dass die Einsätze lebensgefährlich sein können. Wie gehen Polizisten damit um?

Deutschland | Kontrollen an der deutsch-polnischen Grenze
Polizeikontrolle, hier an der deutsch-polnischen GrenzeBild: Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/picture alliance

Es war Montagmorgen, nur wenige Stunden, nachdem zwei Polizisten bei einer Verkehrskontrolle im rheinland-pfälzischen Kusel erschossen worden waren, als der Polizeiseelsorger Markus Reuter auf dem Weg zur Arbeit einen Anruf bekam. "Ich war auf dem Weg zur Hochschule und hätte eigentlich Unterricht gehabt und bin angerufen worden von Kollegen, die das mitbekommen hatten, mit dem Hinweis, dass eine Studierende betroffen ist."

24 Jahre war die Polizistin alt, die an der Polizeihochschule Rheinland-Pfalz studierte, sich also für den höheren Polizeidienst qualifizieren und zur Kriminalkommissarin ausbilden lassen wollte. Der Theologe Markus Reuter unterrichtet an dieser Hochschule Berufsethik. Dazu gehört, die jungen Beamten im zwischenmenschlichen Umgang mit Opfern und Tätern zu schulen, aber auch im Umgang mit Gewalterfahrungen. "Wir versuchen, die Studierenden ein Stück weit vorzubereiten und fragen, was macht der Beruf mit mir, was machen die potenziellen Gefahren, die mich bedrohen, mit mir?"

Konfrontation mit der eigenen Sterblichkeit

Eine theoretische, abstrakte Frage, solange sie im Hörsaal gestellt wird. Doch mit dem Tod der beiden Beamten ist die Lebensgefahr, in die sich Polizisten immer auch begeben, für Reuter und seine Studierenden plötzlich real und sehr nah. "Die ersten Reaktionen, dazu gehört natürlich auch der Blick auf sich selbst. Da wird die eigene Existenz ein Stück weit in Frage stellt, die eigene Sterblichkeit wird dadurch hervorgehoben. Das hätte auch ich sein können und das treibt, glaube ich, einige hier um", berichtet Reuter im Gespräch mit der DW.

Elf Jahre ist es her, dass in Rheinland-Pfalz zuletzt ein Polizist getötet wurde. Grundsätzlich kommt das in Deutschland nicht so häufig vor. Doch die Gefahr wächst. Das zeigt eine Statistik des Bundeskriminalamts, die zuletzt im September 2021 veröffentlicht wurde. In dem Bericht wird von einem "sprunghaften Anstieg" bei versuchten Tötungsdelikten gesprochen. Insgesamt seien bei 63 Mord- und Totschlagdelikten 114 Polizisten als Opfer gezählt wurden. Bis auf einen Mordfall habe es sich allerdings um versuchte Tötungsdelikte gehandelt, die Polizisten kamen also mit dem Leben davon.

Eine deutliche Zunahme von zwanzig Prozent gab es bei Fällen von gefährlicher und schwerer Körperverletzung, die meisten als Gewalt beschriebenen Fälle im Zusammenhang mit Widerstand gegen Polizisten. 2020 sind laut dem BKA-Bericht insgesamt rund 85.000 Polizistinnen und Polizisten Opfer von Gewalttaten geworden - vom Flaschenwurf bis zum Mordversuch. Die Zahl der Opfer sei damit um 5,9 Prozent gestiegen.

Entmenschlichte Staatsdiener

Was es heißt, als Polizist angegriffen zu werden, schildert ein Beamter im Gespräch mit der DW. Kristian Beara ist seit 1999 bei der Polizei. Der 41-Jährige ist im Bereitschaftsdienst, das heißt, er ist regelmäßig im Außendienst unterwegs. Verkehrskontrollen gehören für ihn genauso zum täglichen Geschäft wie beispielsweise die Lagesicherung anlässlich von Fußballspielen oder anderen Großveranstaltungen, oder wenn ausländische Staats- und Regierungschefs nach Deutschland kommen.

Bei vielen solcher Gelegenheiten sind Polizisten in voller Schutzkleidung und Mannschaftsstärke unterwegs. "Man muss aufeinander aufpassen unter Kollegen", sagt Biara, der das Gefühl hat, immer häufiger lediglich als "entmenschlichter Staatsdiener" wahrgenommen zu werden, wenn Steine und Molotowcocktails auf ihn geworfen werden. Aggressivität und Respektlosigkeit würden zunehmen, Biara nimmt eine "Verrohung der Gesellschaft" wahr.

Allein unter Hooligans

Bei der Sicherung im Rahmen eines Fußballspiels wurde er einmal von seiner Mannschaft getrennt und befand sich plötzlich in der Mitte von sogenannten Hooligans, also gewalttätigen Fußballfans, wieder. Sie prügelten auf ihn ein, kurz dachte er darüber nach, seine Schusswaffe ziehen zu müssen. Schließlich konnte er sich losreißen und entkommen und ist im Nachhinein froh darüber, nicht geschossen zu haben.

Wochenende für Wochenende müssen Polizisten oft gewaltbereite Fußballfans in Schach haltenBild: Ulrich Hufnagel/picture alliance

Wie viele seiner Kollegen ist Kristian Biara vom Tod der beiden in Rheinland-Pfalz erschossenen Polizisten geschockt. "Für mich ist das eine schreckliche Situation. Ich muss das jetzt erst mal verarbeiten", sagt er der DW am Telefon mit belegter Stimme. Trotzdem ist er "Polizist mit Leidenschaft", wie er sagt. Für ihn sei die Berufung zum Beruf geworden, auch wenn sich seine Gefühle verändert haben, seit er Familienvater ist. "Da wird es immer wichtiger, heil nach Hause zu kommen."

Traumberuf Polizist

Von einer Berufung spricht auch Seelsorger Markus Reuter. "Zweifel konkret in einer akuten Situation, das gibt es schon mal, aber ich habe nicht erlebt, dass der dann auch angehalten hat." Für die allermeisten Studierenden sei es "ein Traumberuf, ein Ziel", so Reuter. "Die im Studium durchfallen, oder aus gesundheitlichen Gründen irgendwann aus dem Beruf raus müssen, die haben eher ein Problem." Selbst nach kritischen Erlebnissen erlebe er eher selten, dass der Beruf grundsätzlich in Frage gestellt werde.

"Die Seele lässt sich nicht abschalten" - verpackte Stücke Traubenzucker der PolizeiseelsorgeBild: Caroline Seidel/dpa/picture alliance

Was nicht heißt, dass die Hochschüler nicht tief vom Tod ihrer Kommilitonin und des 29 Jahre alten, zweiten Beamten getroffen sind. Der Trauer Raum zu geben und für den Umgang damit "gemeinsam einen Weg zu finden", das war Markus Reuter am Montag ein unmittelbares Anliegen, als er in der Polizeihochschule eintraf.

Die Gefahr gehört zum Berufsbild

Auf dem Gelände gibt es einen Ort des Gedenkens für getötete Polizisten, eine Stele aus grauem Stein, an der Schilder mit den Namen, Geburts- und Sterbedaten angebracht sind. Dort hätten sich alle versammelt und eine Schweigeminute eingelegt, berichtet der Theologe. Es sei kalt gewesen und habe leicht geschneit, die Stimmung sei gedrückt und still gewesen.

Gedenkstele auf dem Gelände der Polizeihochschule Rheinland-PfalzBild: Thomas Frey/dpa/picture alliance

Eine Stimmung, auf der Reuter in den nächsten Tagen in seinem Unterricht aufbauen will. Er will zuhören und erfahren, wie die jungen Polizisten mit den Todesfällen umgehen, wie sie es schaffen, die Trauer auch professionell zu verarbeiten. Denn die Gefahr sei schließlich Teil ihrer Arbeit. "Die fallen nicht aus allen Wolken, es gehört zum Beruf dazu, zum Berufsbild - und das wissen die auch."

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