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Polizei räumt Gezi-Park

15. Juni 2013

In der türkischen Metropole Istanbul hat die Polizei den Taksim-Platz und den Gezi-Park gestürmt und die Demonstranten vertrieben. Ministerpräsident Erdogan hatte ein Ultimatum gestellt.

Wasserwerfereinsatz gegen Demonstranten am Gezi-Park (Foto: Reuters)
TBild: Reuters

Unter dem Einsatz von Tränengas räumten Politzeihundertschaften den Gezi-Park binnen weniger Minuten, wie Korrespondenten aus Istanbul berichteten. Auch Wasserwerfer waren im Einsatz (Artikelbild) . Die von den Demonstranten errichteten Barrikaden wurden mit Baggern niedergerissen. Mehrere Verletzte wurden Augenzeugen zufolge auf Liegen aus dem Park getragen und in Krankenwagen gebracht.

Mitarbeiter der Müllabfuhr entfernten Zelte und Matratzen des von den Demonstranten im dem Park errichteten Protestlagers. Die Vorsitzende der deutschen Partei Die Grünen, Claudia Roth, hielt sich in dem Camp auf, als die Räumung begann. Sie zeigte sich entsetzt über das Vorgehen der Polizei. "Das ist wie im Krieg. Die jagen die Leute durch die Straßen und feuern gezielt mit Tränengas-Granaten auf die Menschen", sagte Roth der Nachrichtenagentur dpa.

"Gewalt wie im Krieg"

Inzwischen berichtet die Taksim-Plattform, die zu den Organisatoren der Proteste gehört, bei der gewaltsamen Räumung seien hunderte Menschen verletzt worden. Die Polizei habe ihren Einsatz mit einer Gewalt wie im Krieg geführt. Die Gewalt werde die Proteste im Land aber nicht stoppen. Der Istanbuler Gouverneur gab die Zahl der Verletzten für Samstag mit 29 an. Am Sonntagmorgen gab es weitere Scharmützel.

Unmittelbar vor der Räumung des Parks hatten die Polizeikräfte bereits mit Wasserwerfern und Tränengas Demonstranten vom angrenzenden Taksim-Platz vertrieben. Nach diesen Polizeiaktionen zogen Tausende Menschen in mehreren Stadtteilen Istanbuls durch die Straßen und errichteten Barrikaden. Einige forderten den Rücktritt von Ministerpräsident RecepTayyip Erdogan. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie eine Gruppe Demonstranten eine große Zufahrtstraße zum Atatürk-Flughafen blockierte. Auch in der Hauptstadt Ankara kam es zu Protesten. Der Gewerkschaftsverbund Kesk rief für den öffentlichen Dienst für Montag zu einem Streik auf. Über den Kurznachrichtendienst Twitter wurde für diesen Sonntag zu einer Massendemonstration aufgerufen.

Türkei: Proteste, Wasserwerfer und Tränengas

01:30

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Beispiellose Protestwelle

Ein harter Polizeieinsatz gegen Umweltschützer die gegen ein Bauprojekt im Gezi-Park protestierten, hatte vor mehr als zwei Wochen eine in der Türkei beispiellose Protestwelle gegen die als autoritär empfundene Politik des konservativ-islamischen Premiers Erdogan ausgelöst. In Istanbul, Ankara und anderen Städten kam es fast täglich zu Großdemonstrationen gegen den Regierungschef. Die vorwiegend jungen und säkular gesinnten Protestteilnehmer warfen Erdogan auch vor, eine schleichende Islamisierung der türkischen Gesellschaft voranzutreiben.Bei den Demonstrationen kamen nach neuen Angaben mindestens fünf Menschen ums Leben. Fast 7500 Menschen erlitten nach Angaben von Ärzten Verletzungen.

Erdogan reagierte auf die Proteste zunächst mit Drohungen und Beschimpfungen an die Adresse der Demonstranten. Erst in den vergangenen Tagen zeigte er sich zum Einlenken bereit. Im Streit um das Bauprojekt im Gezi-Park will die Regierung jetzt die endgültige Entscheidung des Gerichts abwarten, das die Arbeiten gestoppt hatte. Auch eine Volksabstimmung über das Bauvorhaben hatte Erdogan in Aussicht gestellt. Die Regierung plant im Gezi-Park den Nachbau einer osmanischen Kaserne, in der es Wohnungen, Geschäfte oder ein Museum geben soll. Trotz dieser Zugeständnisse beschloss die Protestbewegung, ihre Aktionen fortzusetzen. Wesentliche Forderungen wie eine Bestrafung der Verantwortlichen für die Polizeigewalt seien nicht erfüllt, hieß es zur Begründung.

Erdogan forderte daraufhin die Demonstranten ultimativ auf, bis Sonntag vom Gezi-Park und dem Taksim-Platz abzuziehen. "Ich sage es klar: Räumt den Taksim. Wenn er nicht geräumt ist, werden die Sicherheitskräfte dieses Landes wissen, wie er zu evakuieren ist", sagte der Regierungschef in einer Rede vor zehntausenden Anhängern in einer Vorstadt von Ankara. Die Polizeikräfte haben die von Erdogan genannte Frist jetzt nicht mehr abgewartet.

Massenkundgebung der AKP-Partei von Premier Erdogan jn AnkaraBild: Reuters

wl/re/kle (dpa, rtr, afp)

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