Polizeibeauftragter kritisiert Folgen der Grenzkontrollen
9. Juli 2025
Grenzkontrollen sind seit Monaten in aller Munde - und erhitzen die Gemüter. Innerhalb der Europäischen Union (EU) und des sogenannten Schengen-Raums sollen sie eine seltene Ausnahme sein. Aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Allen voran Deutschland hat sie überall verschärft. Damit will die Bundesregierung den Zustrom von Migrantinnen und Migranten eindämmen. Rechtlich umstritten sind dabei Zurückweisungen von Menschen, die Asyl begehren.
Bundespolizei hat mehr als 720.000 Überstunden angehäuft
Der für Sicherheit zuständige Innenminister Alexander Dobrindt sieht sich aufgrund rückläufiger Zahlen in seinem Kurs bestätigt. Gleichzeitig steigt jedoch die Zahl der Überstunden bei der Bundespolizei, die an den Grenzübergängen Menschen zurückweist. Über 720.000 Stunden sollen es allein in diesem Arbeitsbereich nach Angaben des Polizeibeauftragten des Bundes inzwischen sein (Stand: Mai 2025).
Uli Grötsch wurde im März 2024 vom Bundestag in sein neu geschaffenes Amt gewählt. Seitdem hat er mehr als 30 Grenzkontrollstellen besucht, um sich ein möglichst lückenloses Bild von der Arbeitsbelastung der 14.000 eingesetzten Polizistinnen und Polizisten zu machen. Was Grötsch gesehen und von den Betroffenen gehört hat, spiegelt sich auch in seinem am Mittwoch vorgelegten Jahresbericht wider.
Deutschland grenzt an neun Staaten
Dazu gehören Auswirkungen auf Familie und Beruf. Davon ist auch die Bereitschaftspolizei des Bundes betroffen. Viele der an den Grenzen zu Deutschlands neun Nachbarstaaten eingesetzten Kräfte fehlen demnach im Regeldienst an anderer Stelle.
Nachholbedarf sieht Grötsch auch bei der Ausstattung und Infrastruktur. Seine ersten Eindrücke seien teilweise "erschreckend" gewesen. Die kurzfristige Anordnung der Politik, an allen deutschen Außengrenzen zu kontrollieren, sei für die Bundespolizei eine extrem große Herausforderung gewesen. Das Problem: Die dafür benötigte Infrastruktur fehlte weitgehend.
Notlösung für dringende Geschäfte: WC-Häuschen aus Kunststoff
An einigen Orten ist immer noch nichts passiert, wie der Polizeibeauftragte am Beispiel eines von ihm besuchten Kontrollpunkts zwischen Deutschland und Tschechien schildert: Dort stünden noch immer Dixi-Toiletten. WC-Häuschen aus Kunststoff kann man sonst in langen Reihen auf Open-Air-Konzerten sehen oder wenn irgendwo ein Marathon stattfindet.
Auch im vergangenen Winter hätten die Beschäftigten der Bundespolizei auf diese provisorischen Toiletten gehen müssen, empört sich Grötsch. "Die Bundesverwaltung für Immobilienaufgaben war gemeinsam mit der Landesbauverwaltung in Bayern nicht in der Lage, ein dort befindliches Gebäude so zu sanieren, dass die Sanitär-Räume wieder nutzbar sind."
Uli Grötsch kritisiert Innenminister Dobrindt
Abgesehen davon erwartet der Polizeibeauftragte endlich Rechtssicherheit für die Beamtinnen und Beamten, die auf Geheiß des Innenministers an den Grenzen Menschen zurückweisen. Alexander Dobrindt hält nämlich daran fest, obwohl das Berliner Verwaltungsgericht diese Praxis als Verstoß gegen europäisches Recht verworfen hat.
"Es ist eine Frage, mit der man sich im Parlament und in der Bundesregierung befassen muss", fordert Grötsch. Für die Einsatzkräfte an den Grenzen ist der offensichtliche Widerspruch zwischen Rechtsprechung und den politischen Vorgaben schwierig, wie er aus Gesprächen mit ihnen weiß: "Die wünschen sich natürlich eine klare Lage, so etwas verunsichert."
Racial Profiling und fehlende Sensibilität
Ein weiterer Schwerpunkt im Jahresbericht des Polizeibeauftragten ist das sogenannte Racial Profiling. Damit sind verdachtsunabhängige Kontrollen allein aufgrund äußerer Merkmale einer Person gemeint. Meistens ist es die Hautfarbe. Grötsch hatte seinen Angaben zufolge mit 19 Fällen zu tun, oft in Verbindung mit Rassismus-Vorwürfen. Seine Forderung: mehr Sensibilität und Verständnis bei allen Beteiligten.
Die Polizei habe insbesondere bei den Grenzkontrollen einen schwierigen Spagat zu vollziehen: "Auf der einen Seite soll die illegale Migration durch sie bekämpft werden. Und auf der anderen Seite ist es sehr sensibel, jemand zu kontrollieren, der aufgrund seines äußeren Erscheinungsbildes so aussieht, als käme er aus den Hauptherkunftsländern." Das seien überwiegend Länder im globalen Süden.
"Wir müssen allen rassistischen Vorfällen entgegenwirken"
Auch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Natalie Pawlik, verweist auf die enorme Arbeitsbelastung der Bundespolizei an den Grenzen. Zugleich betont sie: "Wir alle müssen rassistischen Vorfällen entgegenwirken." Vertrauen in die Polizei wachse durch Transparenz und Respekt gegenüber allen Menschen.
Grötsch sucht deshalb auch das Gespräch mit Fachleuten. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic unterstützt diesen Ansatz: "Sein Austausch mit der Wissenschaft trägt entscheidend dazu bei, strukturelle Probleme zu bekämpfen", sagt die ausgebildete Polizistin.
Diesen Beruf hat auch Uli Grötsch erlernt. Viele Jahre war er dort im Einsatz, wo zurzeit besonders viel kontrolliert wird: an den deutschen Grenzen.