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Politik

Polizeiversagen im Missbrauchsfall von Lügde

22. Februar 2019

Den Ermittlern sind im Fall des sexuellen Kindesmissbrauchs auf einem Campingplatz in Nordrhein-Westfalen schwere Pannen unterlaufen. NRW-Innenminister Reul ist außer sich. Er sprach von einem "Debakel".

Nordrhein-Westfalen, Lüdge: Missbrauch von Kindern auf dem Campingplatz Eichwald
Ende Januar wurde bekannt, dass auf dem Campingplatz in Lügde Kinder für Pornodrehs missbraucht wurdenBild: picture-alliance/dpa/G. Kirchner

Seit Wochen sei wichtiges Beweismaterial zu dem Fall in der Kreispolizeibehörde Lippe verschwunden, sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz in Düsseldorf. Dabei handele es sich um 155 CDs und DVDs, die in dem Wohnwagen des Haupttäters sichergestellt worden waren. 

Am 20. Dezember seien die Asservate zuletzt gesehen worden. Aber erst über einen Monat später, am 30. Januar, sei der Verlust bemerkt worden. "Man kann hier nicht mehr von Versäumnissen reden, man muss hier von Polizeiversagen sprechen", sagte der sichtlich aufgebrachte Reul. "Das alles macht mich fassungslos." Er selbst sei erst vor wenigen Tagen über den Verlust der Datenträger informiert worden. Der Raum, in dem die Datenträger lagerten, sei unzureichend gesichert gewesen, so Landeskriminaldirektor Dieter Schürmann.

NRW-Innenminister Herbert Reul ist angesichts der polizeilichen Fehler fassungslos (Archivbild)Bild: picture-alliance/dpa/F. Gambarini

Die Missbrauchsserie auf dem Campingplatz "Eichwald" in Lügde war am 30. Januar bekannt geworden. Nach derzeitigem Ermittlungsstand wurden auf dem Campingplatz über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren mindestens 31 Kinder missbraucht. Die meisten der 27 Mädchen und vier Jungen waren zur Tatzeit zwischen vier und 13 Jahre alt.

Drei Hauptverdächtige sitzen in Untersuchungshaft - neben dem Campingplatzbewohner noch weitere zwei Männer. Über 1000 Einzelstraftaten werden ihnen zur Last gelegt. Ermittelt wird nicht nur wegen schweren sexuellen Missbrauchs, sondern auch wegen Verdachts auf Verbreitung von Kinderpornografie.

Insgesamt hatten die Ermittler 15 Terabyte Daten beschlagnahmt. Die verschwundenen Datenträger umfassen 0,7 Terabyte. Es sei nicht auszuschließen, dass sie kinderpornografisches Material enthielten, so der Minister. Lediglich drei dieser CDs seien ausgewertet worden, dabei seien jedoch keine verdächtigen Inhalte gefunden worden. 

Reul zufolge gab es aber auch bei dieser Auswertung "schwere handwerkliche Fehler". Nur von den drei untersuchten CDs seien Kopien gemacht worden. Richtig wäre gewesen, das gesamte Beweismaterial zu kopieren.

Der Innenminister beauftragte einen Sonderermittler, um den Verbleib der Datenträger aufzuklären. Die Ermittlungen im Fall Lügde seien der Bielefelder Polizei übertragen worden. Die Kreispolizeibehörde Lippe mit Sitz in Detmold untersucht die Vorfälle inzwischen auch selbst, um sie "vollständig und rückhaltlos" aufzuklären. Es sei es zu "eklatanten Fehlleistungen" gekommen, hieß es in einer Mitteilung.

Einem Tatverdächtigen, der auf dem Campingplatz lebte, wurde vom Jugendamt ein Pflegekind anvertrautBild: picture-alliance/dpa/C. Mathiesen

Die Bielefelder Polizei ermittelt in dem Fall auch wegen des Verdachts der Verletzung der Fürsorgepflicht gegen Mitarbeiter von Jugendämtern. Hintergrund ist, dass einem 56-jährigen Tatverdächtigen 2016 ein damals fünfjähriges Pflegekind anvertraut wurde, an dem er sich ebenfalls vergangen haben soll. Inzwischen räumte das Jugendamt im benachbarten niedersächsischen Landkreis Hameln-Pyrmont Fehler ein.

Zusätzlich wird laut Reul auch gegen eine Polizeibeamtin und einen Beamten wegen wegen Strafvereitelung ermittelt. Es werde geprüft, ob sie die Verdächtigen möglicherweise persönlich kannten.

ust/jj (dpa, kna, afp)

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