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Politik

Keine Angst vor dem Brexit

Tomasz Bielecki
9. Juni 2017

Zwar geht die Zahl der polnischen Einwanderer in Großbritannien zurück, aber der immer näher rückende Brexit bringt keine Ausreisewelle ins Rollen. Eine Rückkehr in die alte Heimat scheint keine Alternative zu sein.

Großbritannien Brexit Grünes Licht Symbolbild
Bild: Reuters/S. Wermuth

"Ein paar Tage nach dem Brexit-Referendum haben wir überlegt, wann wir die Fahrkarten nach Polen kaufen sollen", sagt die 31-jährige Anna Zurek, die vor zehn Jahren mit ihrem Ehemann aus Polen nach London kam. Der nahm anfangs jede Arbeit an, meistens auf Baustellen. Jetzt ist er Fahrer in einer kleinen Speditionsfirma. Sie hilft bei einem Friseur aus. Ihre Tochter mag Ferien bei den Großeltern, aber richtig zu Hause fühlt sie sich die Siebenjährige in London."Etliche Wochen nach dem Referendum haben sich die Gemüter beruhigt. Vielleicht legt sich das irgendwie?", berichtet Anna Zurek über die Stimmung in Großbritanniens polnischer Community. Ihre Cousine habe kürzlich gefragt, ob es sinnvoll wäre, nach London zu ziehen. Sie habe ihr wegen des Brexits abgeraten. "Aber wir bleiben", gibt sich Zurek trotzig.

Ealing wartet ab

Im Londoner Stadtteil Ealing lebten schon vor dem EU-Beitritt Polens viele polnische Immigranten. Dort, im großen polnischen Supermarkt an der Uxbridge Street, zeigen sich viele Kunden besorgt, was nach dem Brexit kommt. Doch ans Kofferpacken denken sie aber nicht. "In Polen wäre es sicherlich schwieriger einen Job zu bekommen", sagt Filip, eine junger Mann in den Dreißigern. Seine Nachbarin aus der gleichen Straße in Ealing pflichtet ihm bei."Ich helfe in einem Immobilienbüro aus. Meine ältere Schwester ist hier Krankenpflegerin. Die Eltern sagen am Telefon, wir sollen mit der Rückkehr warten. In London sind die Jobs viel sicherer als in Polen", erzählt die 24-jährige Joanna, die aus Rzeszow in Ostpolen stammt.

Fremdenfeindlliche Schmierereien am Polnischen Zentrum in London-HammersmithBild: Reuters

Kurz nach dem Brexit-Referendum berichteten britische Medien über Feindseligkeiten gegenüber polnischen Einwanderern: über Beleidigungen auf Zetteln, die man in den Türen der Wohnung und an den Scheibenwischern an den Autos fand. Auch das Polnische Zentrum im Londoner Stadtteil Hammersmith war davon betroffen. Heute wollen die meisten nicht darüber sprechen. Kommt es immer wieder vor? "Wir leben hier und das heißt, dass es nicht so schlimm ist. Es ist in Ordnung. Sollte sich das ändern, werden wir ausreisen", meinen Passanten in der Uxbridge Street.

Immer weniger Immigranten

Die Einschränkung der Niederlassungsfreiheit war eines der entscheidenden Themen im Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum im Juni 2016. Solange aber der Brexit nicht endgültig vollzogen ist, bleibt Großbritannien an die EU-Regeln gebunden und darf den Zuzug von Bürgern aus anderen Staaten der Europäischen Union nicht einschränken. Statistiken belegen aber, dass im vergangenen Jahr die Zahl der Einwanderungen gegenüber 2015 zurückgegangen ist.

"In Großbritannien leben immer noch etwa 3,2 Millionen EU-Burger, 900.000 von ihnen stammen aus Polen, die damit die größte Gruppe bilden. Sie sollen ihre bisherigen Rechte auch nach dem Brexit behalten, hat die Regierung in London vage versprochen. Details werden aber wohl erst bei den Austrittsverhandlungen festgelegt.

Banker und Broker

Eine Ausreise aufgrund des Brexit ist offenbar auch für viele der polnischen Banker und Broker in der Londoner City, dem Finanzdistrikt, kein Thema. "Wenn Polen von der Londoner City in die Heimat zurückkehren, dann oft deswegen, weil sie dort eigenes Unternehmen gründen oder im polnischen Bankenwesen, das sich gut entwickelt, arbeiten wollen", stellt Investmentbanker Jakob Molski klar.

"London wird nach dem Brexit seine Vormachtstellung im Finanzwesen zugunsten von New York verlieren, aber das ist zu weit weg, um dorthin zu ziehen", sagt Molski. Spielen die Ängste nach den islamistischen Terroranschlägen in Großbritannien eine Rolle? "Die Eltern rufen öfters an. Aber das ist sicherlich nichts, was mich dazu bewegen würde umzuziehen", antwortet Molski.

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