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Polonium kaum nachweisbar

Fabian Schmidt9. Juli 2012

Wurde Jassir Arafat vergiftet? Der Radiochemiker Thomas Fanghänel bezweifelt, dass das angeblich in der Kleidung des früheren Palästinenserpräsidenten entdeckte Polonium heute noch nachweisbar wäre.

Ein Forscher bei der Arbeit im forensischen Labor des Instituts für Transurane (ITU) der Europäischen Kommission in Karlsruhe. (Foto: EU-Commission, Joint Research Centre, ITU)
Bild: EU-Commission, Joint Research Centre, ITU

Deutsche Welle: Was ist eigentlich das Besondere an Polonium 210, warum ist es so gefährlich?

Thomas Fanghänel: Das Besondere daran ist, dass es mit 138 Tagen eine relativ geringe Halbwertszeit hat. Durch die kurze Halbwertszeit hat es eine sehr hohe spezifische Aktivität. Das heißt, man braucht nur sehr kleine Mengen, um eine relativ große Dosis zu verabreichen. Und weil es ein Alphastrahler ist, kann man es auch relativ einfach transportieren.

Alphastrahler heißt, die Strahlung wird erst dann gefährlich, wenn der Stoff in den Körper gelangt?

Genauso ist es. Von außen stellt er eine relativ geringe Gefahr dar. Die Alphastrahlung können Sie leicht abschirmen. Aber sobald sie in den Körper gelangt, richtet sie massiven Schaden an. Letztlich führt sie zum Ausfall von Funktionalität im Körper, zu Organversagen von Leber, Milz und Niere und schließlich zum Tode.

Jassir Arafat wurde 2004 beerdigt, und Polonium hat nur eine kurze Halbwertszeit. Wie einfach wird dieses Element noch nachzuweisen sein?

Ich gehe davon aus, dass es schwierig sein wird, eine Vergiftung nach acht Jahren nachzuweisen. Es sind rund zwanzig Halbwertszeiten, die seitdem vergangen sind. Nach zwanzig Halbwertszeiten sind nur noch wenige Millionstel des ursprünglich vorhandenen Materials verfügbar.

Natürlich hängt es vor allem davon ab, wie viel Material in den Körper eingebracht wurde. Wenn wir aber von einer tödlichen Dosis von etwa 100 Nanogramm ausgehen, würde ich bezweifeln, dass man das heute noch nachweisen kann.

An Ihrem Institut haben Sie ja besondere Messgeräte wie zum Beispiel das Sekundärionen-Massenspektrometer. Damit können Sie noch winzigste Partikel finden. Könnten Sie es denn damit nachweisen?

Auch das würde ich in Frage stellen, denn einzelne Partikel sind ja nicht einzelne Atome. Wenn Sie das mal hochrechnen, wäre die Aktivität, die nach so langer Zeit noch übrig bleibt, im Bereich von wenigen Becquerel. Ich ziehe das stark in Zweifel, dass selbst wenn man eine Exhumierung Arafats durchführen würde, nach so langer Zeit noch ein zweifelsfreier Nachweis möglich wäre.

Nun wurde ja offensichtlich auf der Kleidung von Jassir Arafat Polonium gefunden. Da stellt sich doch die Frage, wie dies nach so langer Zeit noch möglich war.

Ich kenne die exakten Untersuchungsergebnisse nicht. Deswegen kann ich mich dazu nur spekulativ äußern. Ich weiß nicht, wie viel Polonium nachgewiesen worden ist. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Polonium 210 auch natürlich vorkommt. Es kommt als Radionuklid in der Zerfallsreihe des Uran 238 vor. Das heißt, in der uns umgebenden Natur finden Sie überall Polonium 210.

Die Frage wäre also: Liegt es signifikant über dem, was in der Natur vorkommt? Aufgrund der kurzen Halbwertszeit und der verstrichenen Zeit gehe ich davon aus, dass es extrem schwierig sein wird, signifikant nachzuweisen, dass dies das Polonium 210 ist, das vor zehn Jahren auf diese Kleidung gekommen ist.

Wäre es also auch denkbar, dass man Polonium 210 bei mir zuhause findet?

Sie finden überall Polonium 210! Es kommt in der Natur vor, zum Beispiel im Granit und in vielen anderen Materialien. Es ist ein natürlich vorkommendes Radionuklid, das ständig wieder nachgebildet wird, durch den Zerfall des Urans. Und Uran haben wir überall in der Natur, zum Beispiel im Granit und sogar im Trinkwasser - natürlich nur in extrem geringen Spuren. So wurde Polonium ja auch entdeckt: Marie Curie hat es chemisch aus Uranrückständen isoliert.

Angenommen, man hätte jetzt frischere Polonium-Spuren. Könnte man ihren Weg zu einer bestimmten Nuklearanlage oder sogar zu einem Staat nachverfolgen?

Das wird wahrscheinlich sehr schwierig sein, insbesondere, wenn es bereits einen Reinigungsprozess durchlaufen hat. Und es hängt sehr stark davon ab, welche Prozeduren angewendet worden sind. Wenn begleitende Elemente zu finden sind, könnte man gegebenenfalls versuchen, es auf den Herstellungsort zurückführen. Aber auch das ist beim Polonium alles andere als trivial.

Das Interview führte Fabian Schmidt


Prof. Dr. Thomas Fanghänel ist Direktor des Instituts für Transurane (ITU) in Karlsruhe, Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission. Das ITU führt unter anderem nuklear-forensische Untersuchungen durch, ist aber nicht an der der Untersuchung des Arafat-Falles beteiligt.

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