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Poltern statt leise treten

Christof Kugler20. Juni 2002

Der Sieg der Bürgerlichen in Frankreich ist nur das jüngste Glied in einer Kette von Regierungswechseln - von links nach rechts. Die Sozialdemokraten sind in ganz Europa auf dem Rückzug.

Neuer Ministerpräsident Frankreichs: Jean-Pierre RaffarinBild: AP

War am Ende des zweiten Jahrtausends das sozialdemokratische Selbstbefinden noch in bester Ordnung, wirbeln die jüngsten Wahlergebnisse von Portugal bis Frankreich die heile Welt kräftig durcheinander. Das "sozialdemokratische Jahrzehnt" ist zu Ende: Am Anfang 1999 waren mit Ausnahme von Spanien und Irland alle EU-Staaten sozialdemokratisch regiert, heute sind dies nur Schweden, Griechenland, Großbritannien und Deutschland.

Sozialdemokratische Themen sind out

Die Ursachen der Verschiebungen innerhalb der Wählergunst sind umstritten. "Sozialdemokraten kämpften früher für mehr Mitbestimmung und Demokratie, aber auch für mehr Staat in der Wirtschaftspolitik sowie gegen außenpolitischen Interventionismus", meint dazu der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter. Kaum eine dieser Forderungen habe heute noch Bestand.

Als Grund für den sinkenden Stern der Linken sieht der Politikwissenschaftler auch übertriebene "Political Correctness". Sie lasse die Genossen oft zu jenen Themen schweigen, durch die sich viele Menschen bedroht fühlen: steigende Kriminalität, wachsende Drogenprobleme, Schwierigkeiten bei der Integration von Ausländern.

Hin und Her oder Meinungsführerschaft?

Peter Glotz, ehemaliger Bundesgeschäftsführer der SPD und Vordenker seiner Partei, sieht dagegen trotz der Regierungswechsel und des Zulaufs zu den Rechtspopulisten keine generelle Trendwende in Europa. "Es gibt jetzt wieder mehr konservative Regierungen", gibt Glotz zu, "aber weder die Wende nach links vor einigen Jahren noch die Wende nach rechts sind das Ergebnis einer zwingenden Meinungsführerschaft. Es ist vielmehr ein in immer kürzeren Abständen wechselndes Hin und Her."

Leisetreter wecken Bedürfnis nach Stärke

Der Rechtsruck sei Ausdruck der sozialdemokratischen Schwäche, Reformen anzupacken, sagen andere Beobachter. "Die Modernisierungen sind auf halbem Wege stecken geblieben", wirft Politikberater Warnfried Dettling den Sozialdemokraten vor. Ebenso auffällig sei, dass alle betroffenen Länder dieselben Probleme hätten: "Ein gewaltiges Unbehagen der Wähler über die Konsensdemokratie, ein Unbehagen über eine Politik, die unter den Formeln der Cohabitation, der Sozialpartnerschaft, der Leisetreterei zusammenzufassen ist."

Dies weckt das Bedürfnis nach Stärke, und das bedienen Konservativen und Rechstpopulisten besser - mit dem entsprechenden Erfolg an den Wahlurnen.

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