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Konflikte

Pompeo besucht Westjordanland und Golanhöhen

19. November 2020

Die palästinensischen Proteste haben nichts genutzt: Als erster US-Außenminister hat Mike Pompeo eine israelische Siedlung im besetzten Westjordanland besucht. Danach reiste er weiter zu den besetzten Golanhöhen.

US-Außenminister Pompeo in Israel
Pompeo beim Besuch auf den GolanhöhenBild: Patrick Semansky/Pool/AP/picture alliance

Unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen hat Mike Pompeo dem Weingut Psagot in der Nähe der gleichnamigen israelischen Siedlung im Westjordanland einen Besuch abgestattet. Das teilte das US-Außenministerium mit. Das Weingut liegt zwischen Jerusalem und Ramallah, dem Sitz der Palästinensischen Autonomiebehörde. Das Weingut in Psagot hatte nach Aussage seines Inhabers im vergangenen Jahr Flaschen zu Ehren von Mike Pompeo abgefüllt.

Ende der Kennzeichnungspflicht

Nach der Visite ließ Pompeo mitteilen, dass die Vereinigten Staaten die Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen im Westjordanland aufheben. Dort hergestellte Produkte dürfen in den USA fortan das Label "Made in Israel" tragen. Dies erfolge im Einklang "mit unserem realitätsbasierten außenpolitischen Ansatz", erklärte der Minister.

Vorausgegangen war ein Streit um die Kennzeichnung von Lebensmitteln aus israelischen Siedlungen im Westjordanland. Der Europäische Gerichtshof hatte im November 2019 die seit 2015 geltende Auffassung der EU-Kommission zur Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel aus israelischen Siedlungen im Westjordanland und anderen 1967 eroberten Gebieten bestätigt. Demnach müssen Wein, Obst oder Gemüse aus diesen Gebieten als solche markiert werden. Sie können nicht als Produkte Israels ausgewiesen werden. Die USA hatten das damals kritisiert.

In diesem Weinberg im Westjordanland wachsen die Trauben für das Weingut PsagotBild: picture-alliance/newscom/D. Hill

"Pompeo, geh nach Hause!"

Dutzende Palästinenser hatten schon am Mittwoch in der Stadt Al-Bireh bei Ramallah gegen den Besuch des 56-Jährigen protestiert. "Pompeo, geh nach Hause!", stand auf einem Poster, das die Demonstranten schwenkten. Einige warfen Steine auf israelische Soldaten, die das israelische Industriegebiet bei der Siedlung bewachten.

Der palästinensische Ministerpräsident Mohammed Schtajjeh hatte Pompeos Besuch im Westjordanland bereits Anfang der Woche scharf kritisiert. Dadurch würden die israelischen Siedlungen im besetzten Westjordanland "legitimiert" und ein "gefährlicher Präzedenzfall" geschaffen, der internationales Recht breche. Pompeo hatte vor einem Jahr gesagt, dass die USA die Siedlungen nicht mehr als dem internationalen Recht widersprechend ansehen. Die Siedlungen werden von der internationalen Gemeinschaft überwiegend als illegal eingestuft.

Pompeo mit Israels Regierungschef Netanjahu am Mittwoch in JerusalemBild: Israeli Prime Ministry/Handout/AA/picture-alliance

Auch Peace Now protestiert

Auch Aktivistinnen und Aktivisten der israelischen Menschenrechtsorganisation Peace Now protestierten gegen den Besuch Pompeos. Die Gruppe sprach von einem armseligen Versuch, die Aussicht auf Frieden durch eine Normalisierung der Siedlungen zu untergraben. Wie der noch amtierende US-Präsident Donald Trump steht Pompeo für einen israelfreundlichen Kurs. Damit zielen beide auch auf evangelikale Wählerschichten in den USA ab.

Israel hatte 1967 im Sechstagekrieg unter anderem das Westjordanland, Ostjerusalem und die Golanhöhen erobert. Die UN stufen die Gebiete als besetzt ein. Staaten dürfen nach internationalem Recht keine eigene Zivilbevölkerung in besetztes Territorium umsiedeln.

Israel sieht in seiner Siedlungspolitik keinen Rechtsbruch und betrachtet das Westjordanland nicht als besetztes Land. Israel nennt das Gebiet Judäa und Samaria, nach den in der Bibel erwähnten hebräischen Namen. Israel erhebt historische und juristische Ansprüche auf das Land und argumentiert, es habe vor seiner Eroberung 1967 keinem Staat gehört. Damit sei es lediglich "umstrittenes Gebiet". Die Palästinenser fordern die Gebiete für einen eigenen Staat.

Attacke auf BDS-Bewegung

Zuvor hatte Pompeo deutlich gemacht, dass die USA die internationale Bewegung für einen Israel-Boykott (BDS) als antisemitisch einstufen wollen. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu sagte er in Jerusalem: "Wir werden sofortige Schritte unternehmen, um Organisationen zu identifizieren, die hasserfüllte BDS-Aktivitäten unternehmen, und Unterstützung der US-Regierung für solche Gruppierungen stoppen." Netanjahu betonte: "Das klingt einfach wundervoll."

Die BDS‐Bewegung wurde im Jahr 2005 nach einem Aufruf von über 170 palästinensischen Nichtregierungsorganisationen ins Leben gerufen. Ihr Ziel ist es, durch gezielte Boykottaufrufe Israel international zu isolieren und als angeblichen "Apartheidstaat" zu diffamieren. Dabei hat sie sowohl israelische Firmen und Institutionen als auch Wissenschaftler und Künstler im Visier.

In der deutschen Politik ist die BDS‐Bewegung aufgrund ihres von Experten als antisemitisch bewerteten Engagements in jüngster Zeit zunehmend unter Druck geraten. Im vergangenen Jahr beschloss der Bundestag, BDS-Aktionen abzulehnen. Ähnlich entschieden mehrere Landesparlamente. Die Bewegung und ihre Unterstützer sollen demnach kein Geld mehr von der Bundesregierung erhalten.

Im Umfeld der Golanhöhen kommt es immer wieder zu Schießereien (Archivbild)Bild: Getty Images/AFP/J. Marey

Demonstrative Visite auf dem Golan

Am zweiten Tag seines Besuchs bekräftigte Pompeo die Hoffnung auf eine Versöhnung zwischen Israel und den Palästinensern. Im Tagesverlauf reiste er weiter in den Norden Israels und besuchte als erster US-Außenminister die Golanhöhen. Dabei wurde er von seinem israelischen Kollegen Gabi Aschkenasi begleitet. Mit Blick auf den Golan sagte Pompeo: "Das ist ein zentraler Teil Israels."

In einer Abkehr von der bisherigen US-Politik hatte Trump im März 2019 die Golan-Höhen als israelisches Territorium anerkannt. Pompeo nannte diesen Schritt "historisch wichtig" und eine "Anerkennung der Realität". Die Entscheidung ist jedoch hochumstritten. Israel hält die Region, die zu Syrien gehörte, seit dem Sechstagekrieg von 1967 besetzt und hat sie 1981 annektiert. International ist dies nicht anerkannt.

kle/qu (afp, dpa, rtr)