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PolitikSlowakei

Populist Pellegrini: Neuer Präsident spaltet Slowakei

Lubos Palata (aus Bratislava)
8. April 2024

Sozialdemokrat Pellegrini lehnt die Fortsetzung der Militärhilfe für die Ukraine ab. Die Regierung kann sich darauf verlassen, dass er den geplanten Umbau des Rechtssystems und der öffentlichen Medien unterstützt.

Peter Pellegrini, umgeben von Wahlhelfern, breitet nach der Auszählung der Wahlergebnisse am 06.04.2024 in Bratislava die Arme aus und lächelt. Hinter ihm sind zahlreiche Kameras und Fotografen zu sehen
Wahlsieger Peter Pellegrini nach der Auszählung der Wahlergebnisse am 06.04.2024 in BratislavaBild: Denes Erdos/AP/picture alliance

Die Sprechchöre trugen weit durch das nächtliche Bratislava. "Pelé auf die Burg, Pelé auf die Burg", riefen Regierungspolitiker und Wahlhelfer des slowakischen Parlamentspräsidenten Peter Pellegrini. Mit rund 53 Prozent hatte er die Wahl zum slowakischen Staatsoberhaupt gewonnen, fünf Prozent vor Ivan Korcok, der noch in der ersten Runde vorne gelegen hatte. Die Wahlbeteiligung von 61 Prozent war die zweithöchste in der fast ein Vierteljahrhundert währenden Geschichte der Direktwahl von Präsidenten in der Slowakei.

Die Slowakei hat einen neuen Präsidenten: Wahlsieger Peter Pellegrini (Mitte) zeigt sich der ÖffentlichkeitBild: Luboš Palata/DW

Die Anhänger Pellegrinis hatten sich im Restaurant Auspic versammelt, das wahrscheinlich den besten Blick auf die Burg von Bratislava bietet. Es stammt aus der Zeit vor 1918, als die slowakische Hauptstadt noch Pressburg hieß und die Sprachen, die dort gesprochen wurden, hauptsächlich Deutsch und Ungarisch waren. Im Wahlkampf diente das Restaurant Pellegrini als Hauptquartier. Auch die Mitglieder der Regierung, allen voran Ministerpräsident Robert Fico waren dorthin gekommen, um die Stimmauszählung zu verfolgen. 

Unterstützung für die Regierung

"Ich werde der Präsident aller Slowaken sein", erklärte Pellegrini, als sein Sieg feststand. Er fügte hinzu, dass er das Kabinett als Staatsoberhaupt unterstützen werde. "Ich werde die Regierung solange unterstützen, wie sie die Regierungserklärung umsetzt, an deren Erstellung ich beteiligt war." 

Das slowakische Staatsoberhaupt ratifiziert internationale Verträge, ernennt hochrangige Richter und ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Außerdem kann er sein Veto gegen vom Parlament verabschiedete Gesetze einlegen.

Premierminister Robert Fico begrüßte das Wahlergebnis als Bestätigung für die Politik seines Koalitionskabinetts, das seit knapp einem halben Jahr im Amt ist. In den vergangenen Wochen und Monaten hatte es in vielen slowakischen Städten massive Demonstrationen gegen die Maßnahmen der linkspopulistischen  Regierung gegeben.

Proteste gegen die Regierung Fico in der Hauptstadt Bratislava am 25.01.2024Bild: Pavol Zachar/TASR via AP/dpa/picture alliance

Die Proteste richteten sich insbesondere gegen die Herabsetzung des Strafmaßes für Korruption und die Abschaffung der Sonderstaatsanwaltschaft, die nach dem Jahr 2000 eingerichtet worden war, um schwerste Straftaten zu verfolgen, darunter auch Korruption auf höchster politischer Ebene. Auch gegen die Versuche der Regierung Fico, durch eine Gesetzesänderung die Kontrolle über das slowakische Fernsehen zu übernehmen, wurde demonstriert. "Die Wahlen haben gezeigt, dass die Mehrheit der slowakischen Wähler die Maßnahmen unserer Regierung unterstützt", sagte der Ministerpräsident nun. "Wir sind dazu bestimmt, bis 2027 zu regieren."

Enttäuschung bei der Opposition

Große Enttäuschung herrschte im Lager des bürgerlichen Kandidaten Ivan Korcok, den alle pro-westlichen Oppositionspolitiker unterstützt hatten. Es war ihm gelungen, seine Wähler vor der zweiten Runde noch einmal zu mobilisieren. Sogar aus der benachbarten Tschechischen Republik waren dort lebende slowakische Studenten in Bussen und Zügen angereist, um Korcok zu wählen. Zu einem Sieg reichte das nicht.

Der Wahlverlierer Ivan Korcok gesteht seine Niederlage ein. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl hatte er noch überraschend vorn gelegenBild: Luboš Palata/DW

Zum Wahlsieg Pellegrinis hatte auch die ungarische Minderheit in der Südslowakei beigetragen. Sie steht unter dem Einfluss des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban, der Ficos Koalition unterstützt.

Keine Unterstützung für die Ukraine?

Für die Europäische Union und die NATO-Länder ist der Sieg von Peter Pellegrini, der mit dem Slogan "Die Slowakei wird keinen einzigen Soldaten in die Ukraine schicken" für sich geworben hatte, eine Warnung. Die Slowakei dürfte in Zukunft bei der Suche nach einer Vereinbarung über die Unterstützung der Ukraine ein noch schwierigerer Partner sein, als sie es jetzt ist. "Ich werde ein Präsident des Friedens sein, nicht des Krieges", stellte Pellegrini nach seiner Wahl klar.

In einem Interview mit dem Nachrichtenportal Denik vor der zweiten Wahlrunde hatte Fico erklärt, dass die Slowakei nicht die Hilfe für die Ukraine einstellen werde. Aber sie wolle den Druck erhöhen, damit die Kämpfe eingestellt und Friedensgespräche aufgenommen würden. "Niemand will, dass die Ukraine kapituliert", sagte Fico.

Der Premier fügte hinzu, dass er sich auf ein gemeinsames Treffen der slowakischen und der ukrainischen Regierung in der ostslowakischen Stadt Michalovce vorbereite, bei dem Bratislava mit Kiew über andere als militärische Hilfen sprechen wolle. Halbstaatliche slowakische Rüstungsunternehmen produzieren weiterhin Waffen für die Ukraine. Bisher wurden Waffen im Wert von einer halben Milliarde Euro geliefert, darunter selbstfahrende Geschütze und andere schwere Ausrüstung.

Abschied von Präsidentin Caputova

Die amtierende Präsidentin Zuzana Caputova, das prowestliche Gesicht der Slowakei, war nach ihrer ersten Amtszeit wegen der Angriffe auf ihre Familie nicht mehr zur Wahl angetreten. Sie wird Mitte Juni aus dem Amt scheiden. Damit wird ein politisches Gegengewicht zur Regierung von Robert Fico, der Gemeinsamkeiten mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban aufweist, von der politischen Bühne der Slowakei verschwinden.

Die proeuropäische Präsidentin Zuzana Caputova wird nur noch bis Mitte Juni amtieren. Sie war nicht mehr zur Wahl angetretenBild: Petr David Josek/AP/dpa/picture alliance

Das letzte Hindernis für einen Kurswechsel Richtung Ungarn wird die Justiz des Landes sein, über die die Regierung keine Kontrolle hat. Die Europäische Union hat Bratislava bereits gedroht, die Auszahlung von EU-Geldern auszusetzen, falls die Regierung Fico gegen die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Medien verstößt.

Pellegrini hat sich für Fico entschieden

Der 48-jährige Pellegrini wird als Präsident wahrscheinlich das gemäßigtere Gesicht der künftigen Regierung sein. Bereits als Premierminister (2018-2020), als er nach dem Mord an dem Journalisten Jan Kuciak und dessen Partnerin Regierungschef Fico ablöste, war es ihm gelungen, die aufgebrachte Stimmung im Land zu beruhigen. Im vergangenen Herbst enttäuschte er aber die Hoffnungen der pro-europäischen Opposition, dass er sich nach den Wahlen auf ihre Seite stellen würde.

Der slowakische Regierungschef Robert Fico steht an der Spitze einer Dreierkoalition aus den sozialdemokratischen Parteien Smer-SD und Hlas-SD und der Rechtsaußen-Gruppierung SNS Bild: Nadja Wohlleben/REUTERS

Obwohl die Opposition ihm das Amt des Ministerpräsidenten anbot, zog Pellegrini es vor, eine Koalition mit Ficos nominell sozialdemokratischer Partei Smer einzugehen. Anschließend kündigte er seine Kandidatur für das Präsidentenamt an. Pellegrini ist ledig, kinderlos und hat keine öffentlich bekannte Partnerin und auch keinen Partner. "Es wird keine First Lady oder eine andere Person geben", sagte er vor zwei Monaten, als er seine Kandidatur für das Amt des Staatschefs bekannt gab.

Lubos Palata Korrespondent für Tschechien und die Slowakei, wohnhaft in Prag