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Spott und bittere Anklage

Gero Schließ, New York City29. September 2015

Der Krieg in Syrien steht im Mittelpunkt internationaler Krisendiplomatie. Mit seiner harten Russland-Kritik vor der UN will Präsident Poroschenko den Ukraine-Konflikt zurück auf die Weltagenda bringen.

Poroschenko vor der UN, Foto: Reuters
Bild: Reuters/M. Segar

"Er war ätzend in seiner Kritik an Russland", sagt Paul Schwartz vom Center for Strategic and International Studies nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor der UN-Vollversammlung. Poroschenko malte das düstere Bild von einem Russland, das als "Serien-Agressor" gegenüber Nachbarstaaten wie Georgien und der Ukraine "außer Kontrolle" geraten sei. "Wer ist der nächste?", hatte Poroschenko in das weite Rund der Vollversammlung gefragt, in der die Plätze der russischen Delegierten leer blieben. Nach der Einschätzung von Schwartz habe Poroschenko die Weltöffentlichkeit mit seiner dramatisch aufgeladenen Rede an die Situation in der Ukraine erinnern wollen. Dieses Anliegen sei aus ukrainischer Sicht dringlich, seit sich abzeichne, dass die USA und die Europäer angesichts der Fülle der Krisenschauplätze "weggehen wollen" vom Ukraine-Konflikt.

Flüchtlingskrise gegen Ukraine-Konflikt

Die Europäer, weil für sie die Flüchtlingskrise mittlerweile zur größeren Sicherheitsbedrohung geworden ist. Die USA, weil sie sich auf ihren Kampf gegen den "Islamischen Staat" in Syrien konzentrierten. Indem er die Rebellen in der Ostukraine mit Terroristen verglich und Russland als einen Unterstützer von Terrorismus bezeichnete, versuchte Petroschenko sich zumindest rhetorisch einzuklinken in die am Rande der Vollversammlung enfalteten Anti-Terror-Aktivitäten, die vor allem dem "Islamischen Staat" gelten.

Spott für Putin

Ohne den russischen Präsidenten Putin beim Namen zu nennen, bedachte er dessen Vorschlag einer "Internationalen Koalition gegen den Terrorismus" mit Spott und Hohn: Eine "coole story" sei das, aber "schwer zu glauben". Schließlich sei Russland ein Unterstützer von Terrorismus und könne ihn nicht gleichzeitig als Anführer einer Koalition bekämpfen. Vor Exil-Ukrainern in New York war Poroschenko laut Medienberichten noch deutlicher geworden: Der Westen solle sich durch Russlands geopolitische Schläue nicht täuschen lassen, sagte er da.

Wladimir Putin traf sich am Montag am Rande des Gipfels mit US-Präsident ObamaBild: picture-alliance/AP Photo

Tauschgeschäft zu Lasten der Ukraine?

Malvin Kalb von der Washingtoner Brookings Institution teilt die unausgesprochenen Befürchtungen der Ukraine, dass der russische Präsident Putin mit seinem Syrien-Vorstoß ein Tauschgeschäft mit den Amerikanern im Sinne haben könnte, das zu Lasten der Ukraine gehe: "Er hat die Hypothese, dass der Westen die Ukraine am Ende vergessen wird und das Ganze nur noch aus dem Rückspiegel betrachtet", so der Russlandkenner im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Aus Putins Sicht hat er den Krieg in der Ukraine nämlich bereits gewonnen." Jetzt gehe es ihm darum, dass der Wesen seine Sanktionen aufhebt. "Und was er Merkel und den europäischen Politikern sagt, ist: Wenn ich euch helfen kann, den Krieg in Syrien zu beenden und damit den Flüchtlingsstrom nach Europa eindämme, dann müsst ihr mir was Gutes tun."

Wie verhalten sich die USA?

Für Kalb und manche Beobachter im UN-Sitz in New York wäre dieses "Gute" nichts anderes als die schrittweise Aufhebung der Sanktionen. Schwartz dagegen sieht die USA gegenwärtig nicht soweit, dass sie zu einem Tauschgeschäft bereit wären. Die USA würden versuchen, die Syrien-Krise und den Kampf gegen den Islamischen Staat vom Ukraine-Konflikt zu trennen, so die Einschätzung von Schwartz. Vor der UN-Vollversammlung hatte Obama erneut die Achtung der territorialen Integrität der Ukraine gefordert und unmissverständlich die westlichen Sanktionen gegenüber Russland bekräftigt.

An diesem Punkt wurde auch Poroschenko in seiner Rede sehr deutlich.

Minsker Abkommen umsetzen

Die Sanktionen müssten solange in Kraft bleiben, bis Moskau das Minsker Abkommen umsetze. Die dort unter Vermittlung von Bundeskanzlerin Merkel getroffenen Vereinbarungen sind größtenteils noch nicht umgesetzt worden. Darin sind sich Poroschenko, Merkel und US-Präsident Obama einig. So hat Russland weder seine Truppen noch die schweren Waffen aus der Ost-Ukraine abgezogen. Allein eine von Putin Anfang des Monats ausgerufene Waffenruhe scheint zu halten.

Poroschenko fordert eine Reform des UN-SicherheitsratBild: picture-alliance/dpa/J. Szenes

Poroschenko: Russland missbraucht Vetomacht

Aufhorchen ließ, dass sich Poroschenko in seiner Rede für Reformen des UN-Sicherheitsrats aussprach und - nicht ganz ohne Hintersinn - für eine Begrenzung des Vetorechtes plädierte. Das sei eine "verblüffende Idee", so Schwartz, zumal aus Poroschenkos Sicht ein "Serienagressor im UN-Sicherheitsrat das Vetorrecht ausübt" und damit das Gremium "impotent" mache im Kampf gegen den Terror. Dass er damit erfolgreich ist, halten Kenner der UN für so gut wie ausgeschlossen. Doch ist dies offensichtlich ein Teil der Strategie Poroschenkos, den Ukraine-Konflikt "wieder auf den Radar" der internationalen Gemeinschaft zu bringen, wie die New York Times formulierte.

Die einen halten das angesichts der Flüchtlingskrise und des internationalen Fokus auf Syrien für eine vergebliche Bemühung, andere wie Paul Schwartz argumentieren, dass Russlands Syrien-Vorstoß "Erinnerungen aufgefrischt" hat und zumindest kurzfristig auch den Ukraine-Konflikt wieder auf die Tagesordnung bringt. Doch das internationale Krisenmanagement ist schnellebig. Morgen kann schon wieder alles ganz anders sein.

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