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Politik

Poroschenko lenkt von seinen Versprechen ab

1. November 2018

Mitten im Wahlkampf besucht Merkel Präsident Poroschenko. In Kiew sind die Enttäuschungen über ausgebliebene Reformen groß, die Hoffnungen auf eine Demokratie nach EU-Vorbild verblassen. Eine Analyse von Frank Hofmann.

Ukraine Besuch Angela Merkel bei Petro Poroschenko
Bild: Reuters/Handout Ukrainian Presidential Press Service/M. Palinchak

Der Besuch der deutschen Kanzlerin in Kiew kann getrost unter der Überschrift "solide Diplomatie" abgeheftet werden. Die Kontakte sind zahlreich, persönlich wie am Telefon, seitdem Angela Merkel mit ihrem Engagement für das zweite Friedensabkommen von Minsk Anfang 2015 Deutschland auf ein langfristiges Engagement in der Ukraine festgelegt hat. Die völkerrechtlich illegale Annektierung der Krim durch Russland sowie Moskaus militärischer Feldzug im Osten der Ukraine wird von Berlin wie von den meisten Partnern in Europa verurteilt. Und die USA sind mittlerweile sogar so weit gegangen, der ukrainischen Armee Waffen zu liefern.

Dass die Amtszeit der seit Jahren wichtigsten Unterstützerin Kiews in der Europäischen Union nun mit 2021 ein Ablaufdatum hat, kann der deutschen Ukraine-Diplomatie nur helfen. Denn im Gegensatz zu Merkels Engagement sieht es auf Seiten des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko mit dem Einhalten von Zusagen weniger gut aus.

Wahlkampf in Kiew

Angenommen Angela Merkel hielte tatsächlich bis zum Ende ihrer Amtszeit durch, dann könnte sie womöglich noch Poroschenkos Nachfolger begrüßen. Denn im März und April 2019 wird in der Ukraine gewählt und Poroschenko rangiert in den meisten Umfragen auf Rang vier oder fünf. Dies hat er sich in erster Linie selbst zuzuschreiben.

Ursprünglich wollte der Schokoladen-Unternehmer aus der Stadt Winnyzja sein Firmenimperium verkaufen, als er nach den pro-europäischen Majdan-Protesten im Winter 2013/2014 ins Präsidentenamt gewählt wurde. Eine erstaunliche Karriere. Schließlich gehörte Poroschenko als Wirtschaftsexperte selbst dem Machtzirkel des im Februar 2014 geschassten Russland-freundlichen Präsidenten Viktor Janukowitsch an.

Im Dezember 2013 protestierten Millionen Menschen auf dem Maidan-Platz in Kiew für eine Annäherung an die EUBild: REUTERS

Oligarchen mehren Reichtum

Mittlerweile sind die Firmen des Präsidenten dem Vernehmen nach mehr Wert als bei seinem Amtsantritt. Seit der Veröffentlichung der Panama-Papers wissen die Ukrainer viel über die Moral ihres Präsidenten. Denn mit Hilfe einer Zypern-Connection und einem Treuhänder-Modell sorgte er dafür, dass sein Vermögen bei einem Verkauf theoretisch steuerfrei im Ausland verbleiben könnte. Alles legal, sagen bis heute seine Berater.

Poroschenko geht es wie den anderen Oligarchen im Land: Unberührt von dem steten Verfall der heimischen Währung Griwna, die viele Ukrainer hart trifft, haben sie ihre Vermögen zumeist stabilisiert oder seit dem Wirtschafts-Einbruch im Zuge der Majdan-Revolution sogar wieder steigern können. Das oligarchische System ist aus dem Post-Majdan-Prozess bislang als Sieger hervorgegangen.

Wahlkampagne mit Nationalstolz

Allerdings schmecken dem ersten nach-revolutionären Amtsinhaber im Kiewer Präsidentenpalast auch die Insignien der politischen Macht offenbar recht gut. Und so zieht Petro Poroschenko schon die letzte Karte, die einem unbeliebten Politiker häufig bleibt: Mit einer patriotischen Kampagne appelliert er an den Nationalstolz der Ukrainer. Für die Soldaten und Polizisten soll künftig der Schlachtruf der Majdan-Revolution verbindlich gelten:  "Ruhm der Ukraine, den Helden Ruhm."

Was damals ein Aufschrei gegen die post-sowjetische Knechtschaft Moskauer Imperialisten unter Putin war, bekommt zusehends ein nationalistisches Geschmäckle, wenn es von der Zivilgesellschaft weg hin zu den staatlichen Organen gerückt wird. Eigenartig klingt es zudem in laizistischen europäischen Ohren, wenn sich Poroschenko an die Spitze einer Bewegung zur Unabhängigkeit der ukrainisch-orthodoxen Kirche stilisiert.

Das Kiewer Patriarchat war zuletzt vom Patriarchen von Konstantinopel als unabhängige orthodoxe Kirche anerkannt worden - eine Jahrhundert-Entscheidung: In Moskau toben die russisch-orthodoxen Geistlichen. Warum sich gerade der weltliche Präsident Poroschenko nun damit schmücken können soll, bleibt sein Geheimnis. Doch das alles soll offenbar davon ablenken, dass bis heute das wichtigste Versprechen der Post-Majdan-Politiker nicht eingelöst worden ist: Aus der Ukraine eine Demokratie nach europäischem Vorbild zu machen.

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Erfolge in der Wirtschaft

Dennoch gibt es fast fünf Jahre nach dem Euro-Majdan Erfolge: Ende November findet das dritte Deutsch-Ukrainische Wirtschaftsforum in Berlin statt. Die deutsche Wirtschaft hat mitgeholfen, eine deutsch-ukrainische Handelskammer zu gründen, in der beide Seiten gleichberechtigt sind.  Die wirtschaftliche Entwicklung hat sich von den politischen Problemen abgekoppelt. Das heißt: Trotz der mächtigen Oligarchie entstehen neue Strukturen.

In der Hauptstadt Kiew kommt es auch immer häufiger vor, dass sich Investoren aus dem westlichen Ausland nach Altbauwohnungen umschauen, darauf vertrauend, dass sich der Immobilienmarkt in den kommenden zehn Jahren nicht viel anders entwickeln werde als in den Ländern Ostmitteleuropas vor dem EU-Beitritt 2004. Doch ob diese Wette wirklich aufgeht, hängt nicht zuletzt von der politischen Entwicklung ab.

Viele Ukrainer haben diese langfristige Hoffnung derzeit verloren und sind ungeduldig geworden. Weil ihnen die Veränderungen in Richtung Europa nicht schnell genug gehen, packen viele von ihnen die Koffer und gehen selbst in die Europäische Union. Die Ukrainer führen mittlerweile die EU-Zuwanderungsstatistik an, aufgesaugt vom hungrigen Arbeitsmarkt im benachbarten Polen. Mit leeren Versprechungen eines Petro Poroschenko werden sie sich kaum zurückholen lassen.

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