Tourismus gegen Staatsschulden
25. September 2017Gut 16 von 26 Milliarden Euro Schulden hat Portugal inzwischen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückgezahlt und liegt damit im Zeitplan zwei Jahre vorn. Die Wirtschaft wächst wieder und vor allem im Tourismusbereich herrscht ein wahrer Boom. Eigentlich gute Nachrichten, wäre die Staatsverschuldung nicht trotzdem auf 130,5 Prozent des BIP, einen neuen Rekordwert, angestiegen. "Kein Grund zur Sorge, eher das Gegenteil", verkündet die Regierung stolz. "Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer", warnen Wirtschaftsfachleute.
"Vorteilhafte Umschuldung"
"Die Schulden beim IWF vorzeitig abzubezahlen ist eine vernünftige Entscheidung", rechnet der Wirtschaftsprofessor João Duque vor. Schließlich koste dieses Darlehen, das das Land im Rahmen der Troika-Rettungsaktion erhielt, rund 4,5 Prozent Zinsen. Auf den Finanzmärkten bekomme Portugal inzwischen bei Zinsen um die drei Prozent wieder viel billigeres Geld: "Eigentlich sollten wir die Gesamtschuld auf der Stelle begleichen und Schluss."
Es handle sich um nichts anderes als eine vorteilhafte Umschuldung, die auch jeder vernünftige Privathaushaltsvorstand vornehmen würde. Problematisch jedoch sei, dass der Staat das geliehene Geld weiter mit vollen Händen ausgebe, statt zu sparen, strukturelle Veränderungen durchzuführen und in nachhaltige Produktion zu investieren. "Unsere Wirtschaft wächst vor allem wegen des Tourismusbooms und der kann schnell vorbei sein", stellt Duque fest. Außerdem müssten nur die Zinsen an den Märkten steigen und der Aufschwung sei vorbei.
Steuerkassen klingeln
Im Augenblick jedoch klingeln die Steuerkassen: Die Touristenzahlen haben sich in kürzester Zeit mehr als verdoppelt, in diesem Jahr werden mehr als 22 Millionen Urlauber nach Portugal kommen. Davon profitiert nicht nur der Arbeitsmarkt, auch Dienstleister, Autohändler, Lebensmittelproduzenten, Immobilienunternehmen und die Bauindustrie freuen sich über fette Wachstumszahlen. Ganz nebenbei wird die Handelsbilanz geschönt - Einnahmen im Tourismusbereich gelten offiziell als Exporte.
Portugals Image als Dauerpleitenstaat hat sich prompt wieder einmal zu dem des Musterschülers gewandelt. Auch die Stimmung im Land ist besser geworden: Die von Kommunisten und dem Linksblock gestützte sozialistische Minderheitsregierung, die seit zwei Jahren regiert, hat die Krisen-Kürzungen bei Einkommen und Sozialleistungen zumindest teilweise zurückgenommen, die Portugiesen geben wieder mehr Geld aus, was ebenfalls die Steuereinnahmen steigen lässt.
Gesundes Wirtschaftswachstum?
"Wir schaffen viele Arbeitsplätze, das Wirtschaftswachstum ist robust. Die Regierung erreicht Beliebtheitswerte, die wir seit vielen Jahren nicht mehr kannten", freut sich der sozialistische Abgeordnete João Galamba. Das sei nicht nur gut für Portugal, sondern auch für Europa. Andere Beispiele in Europa hätten gezeigt, was Austerität bedeute, wenn die Regierung gegen das Volk regiere.
Galamba hat Wirtschaft studiert, einen Doktortitel von der angesehenen London School of Economics. Mit knapp 40 Jahren ist einer der Hoffnungsträger der Sozialistischen Partei. Portugal sei auf dem richtigen Weg, selbst die Staatsschulden bereiten ihm keine Sorgen: "Die werden bis zum Jahresende auf 127 Prozent und dann weiter sinken."
Steigende Verschuldung der Privathaushalte
Dass portugiesische Haushalte sich inzwischen wieder stärker verschulden? Ebenfalls kein Problem, schließlich wachse das Bruttoinlandsprodukt, würden die privaten Schulden - zumindest statistisch gesehen – also geringer: "Die Sozialistische Partei und ich lehnen die Idee ab, wir müssen leiden, um unsere Verpflichtungen zu erfüllen!"
Die der Eurogruppe zumindest erfüllt das Land im Augenblick geradezu vorbildlich. Daran werde sich auch nichts ändern, versichert João Galamba - obwohl die beiden Linksparteien, auf deren Unterstützung die Regierung angewiesen ist, eigentlich anderes wollen: Sowohl die Kommunisten als auch der Linksblock fordern immer wieder Schuldenschnitte oder sogar den Euro-Austritt Portugals.
Die Sozialisten wollen da nicht mitmachen: Eine Lösung der Schuldenfrage sei nur auf europäischer Ebene möglich, würde aber nicht nur den Schuldnerländern Vorteile bringen. Vom Schuldenschnitt bis hin zu Eurobonds sei alles wünschenswert, vorstellbar und sinnvoll, meint Galamba. Portugiesische Alleingänge werde es allerdings garantiert nicht geben.
Neues Selbstbewusstsein
Trotzdem: Ein neues portugiesisches Selbstbewusstsein ist da gewachsen, gegründet auf die wirtschaftlichen Erfolge der jüngsten Vergangenheit - egal, ob die vor allem dem Tourismusboom zu verdanken sind oder nicht. Darum fordert Galamba jetzt Gegenleistungen von Europa: "Wenn unsere Gläubiger mit aufgeklärtem Eigeninteresse handeln, werden sie verstehen, dass es auch ihnen nutzt, ihre Schuldner nicht unter exzessiven finanziellen Druck zu setzen. Alle würden in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht gewinnen, wenn eine ausgeglichene Lösung für die Schuldenfrage gefunden würde." Bleibt abzuwarten, ob die Verantwortlichen in Europa das genauso sehen.