Potter-Gegner: Harry ist Horror
4. November 2003"Harry Potter und der Orden des Phönix" erscheint in Deutschland am 8. November 2003 – und es ist wie verhext: Jedes Mal sprengen die Potter-Bücher die Verkaufsrekorde. Die Marketing-Lawine ist unübersehbar, Kinder und Erwachsene stehen auf Quidditch und Querelen im Hause Hogwarts. Aber nicht alle.
Verführung zur Zauberei
Die Schriftstellerin und Soziologin Gabriele Kuby hat das Gegen-Buch herausgebracht: "Harry Potter – Gut oder Böse". Darin nennt sie die Zauber-Serie von JK Rowling ein "globales Langzeitprojekt zur Veränderung der Kultur". Kinder würden spielerisch zur Magie verführt. Harrys Universum sei eine Welt, "in der das Böse regiert und die dennoch als erstrebenswert dargestellt wird". Außerdem sei Harry Potter kein modernes Märchen, wie seine Fans behaupten: Es gebe darin keine Figur, die wirklich das Gute wolle. Auch Harry bekämpfe seinen Widersacher Lord Voldemort nicht, um die Welt zu retten, sondern weil er Angst habe, "Der, dessen Name nicht genannt werden darf" könnte seinen Abschluss an der Zauberschule Hogwarts gefährden.
Kuby findet, Rowling zerstöre den christlichen Glauben und pervertiere göttliche Symbole – etwa, wenn ein Poltergeist zu Weihnachten obszöne Lieder singt und Harry einen "Züchte deine eigenen Warzen"-Biokasten bekommt.
Depressionen und Erbrechen
Der neue Harry Potter dreht so manchem den Magen um. Im Laufe der Geschichte wird Harry von Voldemort besessen, weil der "Dunkle Lord" ein Gebräu aus Harrys Blut, einem abgehackten Arm seines Dieners und einem gekochten Baby trinkt. "Ich musste mich bei der Lektüre mehrmals heftig erbrechen", sagt Reinhard Franzke, Professor für Pädagogik an der Universität Hannover. Und wenn es ihm schon so schlimm ergehe, seien die Auswirkungen auf Kinder mindestens ebenso drastisch. "Die Horrorszenen vergewaltigen junge Seelen. Sie werden sensible Kinder seelisch krank machen, Depressionen und Albträume verursachen und die Lern- und Leistungsfähigkeit unserer Schüler beeinträchtigen."
Wenn über Harry Potter nicht bald der Zauberstab gebrochen würde, fürchtet Franzke die Apokalypse. "Christen, die Magie ablehnen, werden verfolgt, die Zahl der Einweisungen in die Psychiatrie explodiert, die Krankenkassenbeiträge müssen drastisch steigen, die Zahl der 'unerklärlichen' Morde, Suizide und Amokläufe wird zunehmen", behauptet er.
Teufelswerk oder normale Welt?
Der bekannte Exorzist des Vatikans, Pater Gabriele Amorth, verurteilte die Harry-Potter-Geschichten als "ein Machwerk des Teufels". Sie lieferten Hunderte Kinder dem Satan aus.
Derartige Kritik aus religiös-konservativen Kreisen kann der katholische Theologe Mark Achilles nicht nachvollziehen. "Bei genauem Hinsehen geht es in den Romanen gar nicht um Magie, Zauberei und schon gar nicht um Okkultismus", sagt der Wissenschaftler an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität. "Wenn wir diese ganze fantastische Atmosphäre einmal beiseite lassen, haben wir eine Welt wie die unsere, in der sich Harry Potter und seine Freunde jeden Tag neu entscheiden müssen für das Gute und ihre Werte, die sie verwirklichen wollen." (reh)