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"Präsentiert die Gewehre"

Naomi Conrad18. September 2014

Feldküchen und Gewehre: Im Materialdepot im norddeutschen Waren werden Waffenlieferungen für den Irak zusammengestellt. In nur wenigen Tagen soll die erste Tranche ausgeflogen werden.

Präsentation der Bundeswehrwaffen in Waren (Foto: Reuters)
Bild: REUTERS/Thomas Peter

Von Waren nach Erbil

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Als der Oberstabsfeldwedel gerade von Transportwegen und Logistik erzählt, kracht es plötzlich in der Lagerhalle: Ein paar Gewehre sind aus einer offenen Kiste auf den Boden gefallen. Eckhard Block zuckt mit den Schultern: Das liege an der ganzen Bewegung, kein Grund zur Sorge. Vor den vielen dunkelgrünen Kisten, in denen Gewehren, Pistolen und Panzerfäuste fein säuberlich aufgereiht sind, wuseln Journalisten herum: Ein Kameramann filmt ein in Plastik verpacktes Schild mit der Aufschrift "Hilfslieferung Irak, Tranche 1", eine Radioreporterin interviewt den Pressesprecher, ein Fotograf versucht, möglichst nah an den Lauf eines Gewehres zu kommen.

Die Bundeswehr hat eingeladen in das Materialdepot Waren in Mecklenburg-Vorpommern. Dort, in den grauen Lagerhallen, wird die erste deutsche Waffenlieferung in den Irak zusammengestellt: unter anderem Lastwagen, Panzerfäuste, Panzerabwehrwaffen und Pistolen, aber auch Feldküchen. 610 Tonnen Material, Gesamtwert: 70 Millionen Euro. Um den 24. September solle die erste von drei Tranchen in den Irak geschickt werden, erklärt Oberstleutnant Klaus Brandel. Das ist zumindest der Plan: So genau könne man das nie wirklich sagen, "rechnen Sie also mit Plus, Minus ein paar Tagen."

Von Waren aus werden die Waffen nach Leipzig gebracht und - nach einem Zwischenstopp in Bagdad - weiter in den Nordirak geflogen: Denn die Peschmerga, die Kämpfer der semi-autonomen Kurdenregion dort, sollen die Waffen für ihren Kampf gegen die Terrormiliz des selbsternannten "Islamischen Staates" (IS) erhalten. In der Hauptstadt Erbil erfolgt die Übergabe durch den deutschen Generalkonsul. "Die Kurden unterschreiben auf dem Zettel: 'Ich hab's empfangen', dann ist es aus unserer Verantwortung raus", so erklärt es Oberst Thomas Jung.

Kisten über Kisten mit Pistolen. Teil der deutschen Waffenlieferung.Bild: REUTERS/Thomas Peter

Veraltete Waffen?

Im August hatte die irakische Regierung Deutschland um Hilfe beim Einsatz gegen die Kämpfer des IS gebeten: Die sunnitisch-extremistische Miliz ist im Irak und Syrien auf dem Vormarsch und rückt immer näher auch an Bagdad heran. Die Bundesregierung schickte zunächst humanitäre Hilfsgüter, unter anderem Nahrungsmittel, dann Helme und Schutzwesten. Ende August fasste die Regierung nach einer längeren politischen Debatte schließlich den Beschluss, auch Waffen aus dem Bestand der Bundeswehr in den Irak zu liefern.

Diese also werden nun im Bundeswehrdepot in Waren gesammelt und gesichtet: Die Gewehre und Pistolen, erklärt Oberstabsfeldwebel Block, seien aus der gesamten Bundesrepublik zum Lager geschickt worden. "Wir machen die Qualitätskontrolle hier." Ob es vorgekommen sei, dass mal etwas so alt oder beschädigt war, dass es ausgetauscht werden musste? Block zuckt die Schultern: Es komme durchaus mal vor, dass man sich verzählt habe. "Zu Hause passiert Ihnen das doch auch mal."

Auch Panzerfäuste liefert Deutschland in den IrakBild: REUTERS/Thomas Peter

Er möchte nicht auf die Tatsache eingehen, dass Deutschland auch Waffen liefert, die von der Bundeswehr eigentlich schon ausrangiert wurden: Das G3-Gewehr etwa, wird – so steht es in der Pressemappe – seit 1997 von der Bundeswehr durch das Gewehr G36 ersetzt. Nun ja, erklärt ein Soldat ohne Namensschild, der den Journalisten die Waffen erklären soll, es sei schon einfacher mit dem moderneren Gewehr. "Das ist einfach leichter", das könne man auch gerne selber ausprobieren. Vor ihm liegen aufgereiht die Pistolen und Gewehre, die die Iraker erhalten sollen. Aber, fügt er schnell hinzu, das andere sei auch voll funktionstüchtig.

Wunsch nach Feldküchen

Die Peschmerga kämpfen im Großteil mit alten russischen Kalaschnikow-Waffen. Ob es da nicht schwer sei, sich mit einer anderen Waffe vertraut zu machen? Der Soldat schüttelt den Kopf: Seine Rekruten würden in etwa zwei Wochen lernen, wie man mit einer Waffe umgehe. "Wenn Sie aber schon Erfahrung haben, geht das natürlich viel schneller."

Weiter geht es in eine andere Halle, in der Schutzbrillen und Feldküchen ausgestellt sind: Unter dem grün-braunen Tarndach der Feldküche hängen riesige Suppenkellen und Pfannenheber. Die Iraker, erklärt ein Soldat, hätten als erstes nach den Feldküchen gefragt. Warum weiß er auch nicht so genau. Aber ganz einfach ist die Bedienung wohl nicht: Am Wochenende sollen 30 Peschmerga nach Deutschland kommen um zu lernen, mit den Waffen - vor allem den Panzerabwehrraketen - umzugehen. Zehn von ihnen sollen auch mit den Feldküchen vertraut gemacht werden - um deutsche Rezepte zu erlernen, witzelt ein Journalisten-Kollege.

Ordentlich aufgereiht: Lastwagen der Bundeswehr, bereit zum AbtransportBild: REUTERS/Thomas Peter

Vor der Halle stehen Lastwagen in akkuraten Reihen. Ganz hinten, in der letzten Reihe, krabbelt eine dicke, hellbraune Spinne träge über ihr Netz, das sie zwischen zwei dicken schwarzen Reifen gebaut hat. Daneben steht Oberst Jung in der Sonne. Ob es sein Albtraum sei, dass man irgendwann Fotos sieht von deutschen Waffen in den Händen der PKK? "Sie gehen jetzt schon wieder in den politischen Bereich", sagt Jung und schüttelt den Kopf. So viel ist klar: Er möchte sich nicht auf die Diskussion einlassen, ob die kurdische Miliz, die in Deutschland verboten ist und im Irak und Syrien gegen den "Islamischen Staat" kämpft, vielleicht doch eines Tages an deutsche Waffen kommen könnte.

Das könne schon passieren, sagt Jung, aber.... Den Satz beendet er nicht. Dann setzt er doch noch mal an: Das G3-Gewehr, von dem 8.000 Stück geliefert werden sollen, sei ziemlich weit verbreitet in der Welt. Ob dann solch ein Gewehr nun aus Deutschland stamme sei also letztlich nur nachzuweisen, wenn jemand die Werknummer kenne. Und die, fügt er noch hinzu, "halten wir sehr gut nach." Die Nummern sämtlicher Waffen werden nach der Lieferung an das Bundeskriminalamt übergeben.

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