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Krawalle in Kolumbien

Marc Koch, Buenos Aires31. August 2013

Die Bauern in Kolumbien protestieren gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen. Präsident Santos reagiert heftig – und ungeschickt, so Beobachter. Denn der Konflikt hat alte Wurzeln.

Landwirte protestieren gegen kolombianische Regierung in Bogota
Bild: Reuters

"Wir werden aus diesem Gewitter herauskommen!“ So sprach Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos. Da hatten Demonstranten nach zunächst friedlichen Protesten Teile der Hauptstadt Bogotá zerlegt und Schäden in Höhe von 1,6 Millionen Euro angerichtet. Und Präsident Santos muss jetzt aufpassen, dass ihn das Unwetter nicht selbst hinwegfegt. Der Gegenwind ist so stark, dass er schon eine Drehung um 180 Grad machen musste. Denn immerhin hat der konservative Staatschef jetzt öffentlich eingestanden, dass Kolumbiens Landwirtschaft ein Problem hat. Und hat versprochen, dass seine Regierung etwas dagegen unternehmen will.

Lange Leidenszeit

Der Aufstand der Bauern, dem sich inzwischen auch LKW-Fahrer, Bergarbeiter und öffentliche Angestellte angeschlossen haben, kommt nicht überraschend. Überraschend ist allenfalls, dass die Landwirte erst so spät auf die Barrikaden gegangen sind: Seit Jahrzehnten leidet der Sektor. Die Gewinne der Produzenten von Kartoffeln, Kakao, Gemüse und Kaffee schrumpfen unaufhörlich, während die Kosten rasant steigen. Das private Zentrum für Wirtschafts- und Sozialforschung hat gerade erklärt, dass in Kolumbien die Armut generell zurückgeht. Nur auf dem Land wird sie immer schlimmer: Zwei von drei Landarbeitern verdienen weniger als den Mindestlohn. Dünger und Pflanzenschutzmittel sind nirgendwo auf der Welt so teuer wie in Kolumbien. Zahllose Landreformen und Hilfsmaßnahmen wurden versprochen. Umgesetzt wurde davon kaum etwas.

Kolumbiens Präsident ohne fortune

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Keine Chance auf Gewinne

Den 560.000 Kaffeepflanzern zum Beispiel wurden im vergangenen März mehr Subventionen versprochen – und auch gezahlt. Leider hat sich bei dem Abkommen jemand verrechnet: Die Produktion einer Arrobe Kaffee (ca. 11,5 Kilogramm) kostet etwa 24 Euro. Der Verkaufspreis allerdings liegt bei knapp 17 Euro – da helfen auch die 6 Euro Subvention nicht in die Gewinnzone. Wenn sie überhaupt jemanden erreichen: Bei vielen Kleinbauern kommen die Zahlungen gar nicht erst an. Der Gipfel der Ironie: Kolumbien, der drittgrößte Kaffeeproduzent der Welt, muss 80 Prozent des im Land verbrauchten Kaffees importieren. Und der Importkaffee ist billiger als der einheimische. Ein Ergebnis der Freihandelsabkommen, durch die Kolumbien mit billigen, importierten Lebensmitteln überflutet wird, sagen die Landwirte. Die Einfuhr von Soja ist um 470 Prozent angestiegen, die von Milchprodukten um 214, von Schweinefleisch um 66 Prozent.

Schlechte Zeit für Proteste

Jetzt ist die Schmerzgrenze der Bauern überschritten: Das halbe Land haben sie mit ihrem Streik und den Protesten lahmgelegt. Für einen Dialog mit der Regierung stellen sie Bedingungen: Sie verhandeln nur geschlossen. Gespräche mit den einzelnen Sektoren lehnen sie ab. "Sonst geht der Protest weiter", erklärt Eberto Díaz, Chef einer Bauernorganisation. Diese Haltung können sich die Landwirte erlauben: Der Ball liegt bei der Regierung und beim Präsidenten. Dem kommen die Aufstände ausgesprochen ungelegen: Santos ist in Friedensverhandlungen mit der Guerillatruppe FARC, die Kolumbien jahrzehntelang terrorisiert hat. Die Bauernproteste, deren Forderungen sich an vielen Stellen mit denen der FARC decken, schwächen die Position des Präsidenten. Auch deshalb hat er jetzt schnelle Lösungen und Hilfen versprochen.

Ungeschickt und spät

Ob er damit etwas erreicht, ist fraglich. Denn Juan Manuel Santos agiert in der größten Krise seiner Amtszeit alles andere als souverän: Der Kommunikationsspezialist Ricardo Galán bezeichnet Santos' Reaktionen als "ungeschickt, leichtsinnig und improvisiert“. Dass der Präsident jetzt zugibt, dass es eine chronische Krise in der kolumbianischen Landwirtschaft gibt, hilft ihm nicht wirklich weiter, glauben Analysten: Auch wenn er handele, handele er zu spät, meint der Innenpolitik-Experte Héctor Riveros. "Ein Präsident, der jetzt drei Jahre im Amt ist, sagt, dass es hier seit ewigen Zeiten keine Agrarpolitik gibt. Schön, dass er das anerkennt. Aber er ist seit drei Jahren Präsident", so Riveros. Für den Publizisten León Valencia steht der Staatschef gerade ziemlich hilflos da: "Er hat keine Strategie für einen nationalen, sozialen Dialog, er ist in der Defensive und er hat kein klar definiertes Reformpaket, das er anbieten könnte.“ Stattdessen hat er auf die Proteste mit Militär und harter Hand reagiert.

Das kann ihm auch als Schwäche ausgelegt werden. Schon jetzt habe sich der Präsident zu weit vom Volk entfernt, sagen seine Kritiker. Und für Santos steht viel auf dem Spiel: Nächstes Jahr will er wiedergewählt werden. Dazu muss er Kolumbien aus dem Gewittersturm führen. Wenn er nicht von ihm fortgeweht werden will.

Kolumbiens Präsident Juan Manuel SantosBild: picture-alliance/dpa
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