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Präsident Kasachstans übt Kritik an Großunternehmen des Landes

8. November 2004

– Zehn Holdings kontrollieren angeblich 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes

Bonn, 7.11.2004, DW-RADIO / Russisch

Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat in Astana während der Eröffnung der Plenarsitzung der beiden Kammern des Parlaments sich darüber besorgt geäußert, dass etwa zehn große Holdings praktisch 80 Prozent des Bruttoinlandsproduktes kontrollieren. Nasarbajew zufolge üben diese Holdings neben ihrer Haupttätigkeit über Tochterunternehmen eine Reihe von Funktionen aus, die für Firmen unüblich sind, was dazu führt, dass deren Tätigkeit ineffektiv und undurchsichtig wird. Der kasachische Präsident meint, dass gerade die großen Holdings versuchen zu verhindern, dass Konkurrenten entstehen. Sie würden die Entwicklung von kleinem und mittlerem Unternehmertum hemmen. Deswegen beauftragte Nasarabajew das Ministerkabinett des Landes, sich engagiert und entschieden dafür einzusetzen, um die für Firmen unüblichen Funktionen, die von jenen großen Holdings ausgeübt werden, mit Hilfe von Steuergesetzen und anderen Hebeln an das kleine und mittlere Unternehmertum zu übertragen. Der Präsident Kasachstans unterstrich zugleich, dass parallel zu dieser Arbeit die Regierung strategisch wichtige große staatliche Unternehmen zusammenführen solle. Die Aktienpakete dieser Unternehmen solle eine eigens gegründete staatliche Holding-Gesellschaft verwalten. Außerdem zeigte sich Nasarbajew mit der Arbeit der kasachischen Banken unzufrieden, die vor allem Kredite zur Finanzierung von Projekten privilegierter Großunternehmen und mit den Banken affiliierten Industrie- und Handelsgruppen gewähren.

Nasarbajews Rede sorgte unter kasachischen Geschäftsleuten und Politikern für unterschiedliche Reaktionen. Nach Ansicht des Eigentümers der großen Produktions-Holding "AlSi", des ehemaligen Parlamentsabgeordneten Isahan Alimschanow, hat Präsident Nasarbajews Rede nichts klargestellt:

"Die Äußerungen waren stupide und inkorrekt. Wenn man über Großunternehmen spricht, dann muss man sie doch aufzählen, wenigstens einige von ihnen. Das sind verwirrende Äußerungen, die keinem öffentlichen Politiker Ehre machen."

Der bekannte kasachische Politologe Erlan Karin meint, dass Nasarbajews Äußerungen politischer Natur sind. Der Präsident habe einer Reihe oligarchischer Gruppen deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich nicht mit deren Macht sowohl in der Wirtschaft als auch in der Politik abfinden werde, und er sei bereit, wenn nötig, deren Privilegien abzuschaffen. Erlan Karin sagte ferner, Nasarbajew habe zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Einerseits habe er den Oligarchen gedroht und andererseits einen geschickten Wahlkampf-Zug gemacht und dem Volk gezeigt, dass er weiterhin ein Schiedsrichter sei, trotz der Unterstützung, die er zuvor der Partei "Otan" gewährt habe. Erlan Karins Meinung stimmt der Politikwissenschaftler Dosym Satpajew teilweise zu. Er ist überzeugt, dass Nasarbajew mit seiner Rede versuchte, das in letzter Zeit ins Wanken geratene Gleichgewicht der politischen Kräfte, auf die große Finanz- und Wirtschaftsgruppen starken Einfluss ausüben, wiederherzustellen. Dosym Satpajew sagte, der kasachische Präsident habe eine Terminologie verwandt, die beim russischen Präsidenten Wladimir Putin entlehnt sei:

"Er deutete darauf hin, dass alle bestehenden Finanz- und Wirtschaftsgruppen in Kasachstan, die als Oligarchen bezeichnet werden, von diesem System geschaffen wurden, also darunter auch vom Präsidenten. Deren Einfluss und Macht hängt vom Präsidenten ab und er kann notfalls gelassen zum Kampf gegen die Oligarchen aufrufen, um das Gleichgewicht wiederherzustellen."

Dosym Satpajew zufolge wird Nasarbajew nicht zu irgendwelchen Repressionen gegen die Oligarchen greifen, weil er genau weiß, dass gerade jene große Holdings die Basis seines politischen Systems darstellen.

Der Direktor des Kasachischen Instituts für soziologische und politische Forschungen, Sabit Schusupow, meint, dass Nasarbajews Rede einen konkreten Adressaten hat. Gemeint sei wohl die größte Finanz- und Wirtschaftsgruppe Kasachstans - die "Kaskommerzbank". Sabit Schusupow sagte, dass gerade die "Kaskommerzbank" und deren Gründer Nurschan Subchanberdin den Wahlkampf der gemäßigt oppositionellen Partei "Ak schol" unterstützt und finanziert habe. Diese Partei habe in jüngster Zeit eine radikalere Position und kritischere Haltung gegenüber der Staatsmacht eingenommen. Sabit Schusupow geht davon aus, dass Astana mit der "rebellischen" oligarchischen Gruppe fertig werden wird, und zwar mittels einer Zerschlagung – einem bereits bekannten und in der Holding "Turan-Alem", die einem der Führer der "Demokratischen Wahl Kasachstans", Muchtar Abljasow gehört, erprobten Szenario. (MO)