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Präsidentenwahl in Griechenland: Rechtsruck statt Konsens

Kaki Bali (aus Athen)
22. Januar 2025

Drei Männer und eine Frau bewerben sich um die Nachfolge der griechischen Staatspräsidentin Sakellaropoulou. Doch nur einer hat Chancen, in das höchste Amt gewählt zu werden: der Kandidat von Regierungschef Mitsotakis.

Ein beiges Gebäude mit einem spitzen Giebel in der Mitte und Zinnen auf dem Dach. Auf der Spitze des Giebels weht eine griechische Fahne. Vor dem Gebäude sind blühende Oleanderbüsche zu sehen
Das Kronprinzenpalais, der Amtssitz des griechischen Präsidenten in AthenBild: Nicolas Economou/NurPhoto/picture alliance

Am 25. Januar findet in Griechenland die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Weitere Runden werden folgen. Doch der Sieger steht schon jetzt fest: Es ist der Kandidat der Regierungspartei Nea Dimokratia, Konstantinos Tasoulas, der bis vor einigen Tagen noch Parlamentspräsident war.

Voraussichtlich wird er vier Runden benötigen, denn dem rechtskonservativen Kandidaten fehlt der überparteiliche Glanz, um im ersten oder zweiten Wahlgang mit der dafür notwendigen Zweidrittelmehrheit des Parlaments, also mit 200 der 300 Stimmen gewählt zu werden. Seine Vorgängerin, die noch amtierende Präsidentin Katerina Sakellaropoulou, hatte das im Jahr 2020 noch mit Bravour geschafft.

Tasoulas wird nicht mal die 180 Stimmen bekommen können, die seit dem Ende der Diktatur 1974 in Griechenland im dritten Wahlgang notwendig sind, um in das höchste Staatsamt gewählt zu werden. Erst im vierten Wahlgang genügt - seit einer Verfassungsänderung im Jahr 2019 - die Regierungsmehrheit von 156 Abgeordneten.

Konstantinos Tasoulas beim Delphi Economic Forum in Athen im Mai 2021Bild: Takis Sagias/ANE Edition/IMAGO

Tasoulas wird der erste Präsident sein, der ohne die Zustimmung mindestens einer großen Oppositionspartei in das überwiegend repräsentative Amt des Staatsoberhaupts kommt. Nur ein Teil der "Spartiaten", der Nachfolgepartei der verbotenen rechtsextremen Goldenen Morgenröte, wird vermutlich für ihn stimmen, was ihm aber nicht besonders gefällt.

Drei Gegenkandidaten

Der 65-jährige Tasoulas ist auch der erste Kandidat, der sich gegen mehrere Gegenkandidaten durchsetzen muss. Bisher gab es in Griechenland nie Konkurrenz bei der Präsidentenwahl, man war auf Konsens eingestimmt.

Doch nachdem am 15. Januar 2025 Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis die als parteilich empfundene Kandidatur des Parlamentspräsidenten angekündigt hatte, nominierte die sozialdemokratische PASOK mit dem ehemaligen Arbeitsminister Tassos Giannitsis einen eigenen Kandidaten. Er ist bekannt für seinen Versuch, das griechische Rentensystem Anfang der 2000er Jahre zu reformieren - allerdings ohne Erfolg. 

Der ehemalige Innenminister Tassos Giannitsis tritt bei der Präsidentschaftswahl für die sozialdemokratische PASOK anBild: Guus Schoonewille/dpa/picture alliance

Auch die linke SYRIZA - oder was davon nach drei Parteispaltungen übrig geblieben ist - hat eine eigene Kandidatin nominiert: die ehemalige Wirtschaftsministerin der letzten PASOK Regierung, Louka Katseli. Sie hatte sich mitten in der Schuldenkrise 2011 als Beschützerin der kleinen Gläubiger vor Bankpfändungen einen Namen gemacht.

Und schließlich stellte sogar die "Niki”, eine neue orthodoxe erzkonservative Partei einen eigenen Kandidaten auf, den eher unbekannten Juristen Kostas Kyriakou. Nach Aussage des Parteivorsitzenden Dimitris Natsios handelt es sich bei ihm um "einen heldenhaften politischen Gefangenen des Regimes von Enver Hoxha in Albanien".

Den Parteien ist bewusst, dass keiner dieser Kandidaten eine Chance hat gewählt zu werden. Walsieger wird Konstantinos Tasoulas von der Nea Dimokratia sein. 

Ende einer Tradition

Mit seiner Entscheidung für Tasoulas hat Premierminister Mitsotakis mit der politischen Tradition der letzten 50 Jahre gebrochen. Normalerweise hatten die konservativen Regierungen einen progressiven Präsidentschaftskandidaten vorgeschlagen - und linke Regierungen einen konservativen Kandidaten.

Katerina Sakellaropoulou war die erste Frau im höchsten Staatsamt GriechenlandsBild: Chrysa Vachtsevanou/DW

Vor fünf Jahren hatte Mitsotakis mit der als progressiv geltenden Vorsitzenden des Obersten Verwaltungsgerichts, Katerina Sakellaropoulou, zum ersten Mal eine Frau für das höchste Amt des Landes vorgeschlagen. Sakellaropoulou wurde in der ersten Runde mit 261 Stimmen gewählt, und sie hätte noch fünf weitere Jahre Staatsoberhaupt bleiben können. Denn sie war eine zurückhaltende aber allgemein anerkannte Präsidentin, und sie wäre mit einer satten Mehrheit wiedergewählt worden.

Nun stellt sich die Frage, warum Mitsotakis sie nicht nochmal vorgeschlagen hat. Und warum der Regierungschef dieses Mal nicht nach einem Konsens-Kandidaten gesucht hat.

Rechtsruck in der Nea Dimokratia

Sakellaropoulou war beim rechten Flügel der Regierungspartei nicht besonders beliebt, auch weil sie öffentlich ihre Freude über die Einführung der Homo-Ehe im Februar 2024 zum Ausdruck gebracht hatte.

Der konservativen Strömung in der ND war sie zu "woke", zu liberal also und zu aufgeschlossen gegenüber Minderheiten und neuen Lebensformen.

Um seine rechtsgerichteten Abgeordneten nicht zu verärgern, schlug Mitsotakis sie daher nicht für eine Wiederwahl vor. Statt Sakellaropoulou oder einem anderen progressiven Politiker schickte er den Konservativen Tasoulas ins Rennen. Denn Mitsotakis, der sich selbst in der Rolle des liberalen Reformers sieht, fühlt sich eher von rechts bedroht.

Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis, hier auf einer Aufnahme aus dem Januar 2025Bild: One Inch Productions/IMAGO

Während die Opposition links von der ND schwach und zersplittert ist, werden die Parteien rechts von der Regierungspartei immer stärker. Bei den Europawahlen bekamen alle rechtspopulistischen und rechtsextremen Splitterparteien zusammen fast 20 Prozent, Tendenz steigend.

Noch ist in der griechischen rechten Szene keine starke Persönlichkeit erschienen, die attraktiv ist für breitere Wählerschichten, wie in Italien oder Frankreich. Aber eine solche Person könnte jederzeit auftauchen und die Wähler von sich überzeugen.   

Anpassung an den neuen Zeitgeist 

Eine rechte Führungsperson könnte von den starken Männern der neuen Trump-Epoche gefördert werden. Noch hat Elon Musk keinen griechischen Politiker als "Retter der Nation" ausgewählt, aber viele rechtsextreme Personen in Athen träumen schon davon. Im Umfeld des Premierministers scheint angekommen zu sein, dass der Rechtsruck der neue Zeitgeist ist. Und dazu passt die Entscheidung für einen Präsidenten wie Konstantinos Tasoulas ziemlich gut.

Der Politiker steht dem nationalistischen Flügel der konservativen Partei nahe. Er startete seine politische Karriere als Privatsekretär von Evangelos Averoff, der zwischen 1981 und 1984 Vorsitzender der Nea Dimokratia war. Die Arbeit neben dem erzkonservativen Averoff hat Tasoulas tief geprägt. Zum ersten Mal wurde er im Jahr 2000 ins Parlament gewählt und diente unter anderem als Kulturminister und stellvertretender Verteidigungsminister, bis er 2019 Parlamentspräsident wurde.

Der nächste griechische Präsident ist gebildet und hat Sinn für Humor. Aber seine wichtigste Eigenschaft ist seine Treue gegenüber seiner Partei und deren Vorsitzendem. Mitsotakis braucht keine Angst vor irgendeiner unabhängigen Äußerung oder Tat eines zukünftigen Präsidenten Tasoulas zu haben.