Hoffen auf die zweite Runde in Guinea-Bissau
27. November 2019"Es wird eine zweite Runde geben. Wir hoffen, dann gibt es endlich politische Klarheit. Wir sind müde von dem ewigen Chaos in unserem Land", sagt ein Straßenverkäufer dem DW-Reporter in der Hauptstadt Bissau. Das politische Chaos in dem kleinen westafrikanischen Land wurde in den vergangenen fünf Jahren vor allem durch den Dauerstreit zwischen dem Präsidenten, der größten Partei PAIGC ("Afrikanische Partei für die Unabhängigkeit Guineas und Cabo Verdes") und dem Parlament verursacht. Die Folgen: Zusammenbruch der staatlichen Instanzen, Wirtschaftskrise, Stillstand.
"Wir haben nichts"
Der Straßenverkäufer beschreibt das so: "Es geht uns immer schlechter. Wir haben keine Gehälter. Wir haben nichts. Die Kinder haben keine Schulen. Es gibt nichts. Wir haben es so satt. Wir wollen nur, dass alle Bürger Guinea-Bissaus endlich anfangen können, gemeinsam für ein besseres Land zu arbeiten! Dazu brauchen wir bald einen neuen Präsidenten, der sich mit der Regierung zusammensetzt."
Die Nationale Wahlkommission (CNE) veröffentlichte am Mittwoch das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom vergangenen Sonntag (24.11.2019). Demnach hat Domingos Simões Pereira mit klarem Vorsprung gewonnen. Der 56-Jährige kam auf 40,13 Prozent der Stimmen. Er verfehlte damit die für einen Sieg in der ersten Runde notwendige absolute Mehrheit und muss in vier Wochen in einer Stichwahl gegen den Zweitplatzierten antreten. Das ist Umaro Sissoco Embaló, 48 Jahre alt, von der Oppositionspartei Madem G15 ("Bewegung für eine demokratische Alternative"). Der Oppositionspolitiker kommt mit 27,65 Prozent auf Platz zwei.
Der amtierende Präsident José Marió Vaz, der ebenfalls der PAIGC angehört, trat als unabhängiger Kandidat an. Er kommt auf 12,41 Prozent der Stimmen und landete abgeschlagen auf dem vierten Platz, hinter dem Kandidaten der Oppositionellen PRS ("Partei der Sozialen Erneuerung"), Nuno Nabiam, der 13,16 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen konnte.
Zwei völlig unterschiedliche Politikertypen
Über die beiden Kandidaten, die in die Stichwahl einziehen, sagt der politische Analyst Augusto Nhaga aus Guinea-Bissau: "Unterschiedlicher könnten sie nicht sein. Domingos Simões Pereira gibt sich vom Stil her weltmännisch und westlich. Sein Kontrahent ist schon vom Auftreten her viel exzentrischer, viel volksnäher."
Tatsächlich trittt der in den USA und Portugal ausgebildete Finanzfachmann Domingos Simões Pereira meist im Maßanzug auf, während Ex-General Umaro Sissoco Embaló im Wahlkampf mit einem arabischen Turban auf dem Kopf von sich reden machte.
Domingos Simões Pereira ist Vorsitzender der seit der Unabhängigkeit dominierenden PAIGC-Partei. Er kann mit der Unterstützung des mächtigen Apparats seiner Partei rechnen und punktet auch mit engen Beziehungen zur portugiesischsprachigen Welt. Von 2008 bis 2012 war er Generalsekretär der Gemeinschaft der Portugiesischsprachigen Länder. Seine Kritiker machen ihm schwere Vorwürfe: Er sei korrupt, der aufwendige Wahlkampf der PAIGC auch mit Drogengeld finanziert.
Umaru Sissoco Embaló - genannt "Sissoco" - war bis zum 31. Januar 2018 Premierminister, damals noch für die Regierungspartei, der auch sein Kontrahent angehört. Jetzt tritt der reiche Geschäftsmann als Kandidat der "Bewegung für eine Demokratische Alternative" (MADEM-G15) an, einer Abspaltung der PAIGC. Er gehört zur Ethnie der mehrheitlich muslimischen Fulani - und hat das auch im Wahlkampf mehrfach betont. Das brachte ihm in dem multiethnischen und multireligiösen Land große Kritik ein. Im Wahlkampf tritt er immer wieder mit einer nicht landestypischen arabischen Kopfbedeckung auf, außerdem pflegt er enge Beziehungen zu arabischen und anderen mehrheitlich muslimisch geprägten Ländern.
Schmutziger Wahlkampf
"Sissoco wurde von seinen Kontrahenten beschuldigt, ein Islamist zu sein, und seinen aufwendigen Wahlkampf aus obskuren arabischen Quellen finanziert zu haben. Dem kann ich aber nicht zustimmen", sagt Analyst Nhaga im DW-Interview. Sissoco sei zwar Muslim, aber mit einer Katholikin verheiratet. Den Turban habe er vor allem getragen, um sich optisch von den anderen Kandidaten zu unterscheiden. Doch es gebe offene Fragen: "Im Wahlkampf tauchten Unmengen von Geld auf, große Mittel aus dem Nichts, und Jedermann fragt sich natürlich: Wo kommt dieses ganze Geld her?", sagt Nhaga. Sissoco warf dem PAIGC-Kandidaten Domingos Simões Pereira dagegen vor, sich von der internationalen Drogenmafia finanzieren zu lassen.
Wer hat die besseren Aussichten in der zweiten Runde? Analyst Nhaga ist gespannt: "Es kommt auf die Wahlempfehlungen der unterlegenen Kandidaten an. Viele haben sich noch nicht festgelegt. In den nächsten Tagen fangen die Verhandlungen an. Und erfahrungsgemäß werden die meisten Wähler der unterlegenen Kandidaten diesen Empfehlungen folgen."
Mitarbeit: Braima Darame (Bissau)