Präsidentenwahl in Polen entschieden
24. Oktober 2005Lech Kaczynski von der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) löst den bisherigen Amtsinhaber Alexander Kwasniewski ab. Kaczynski schlug Donald Tusk von der liberalen Bürgerplattform (PO) mit 54 zu knapp 46 Prozent der Stimmen.
Leere Versprechen?
Damit ist auch der Weg frei für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen PiS und PO. Kaczynski rief Tusk zur Zusammenarbeit in der künftigen Regierung auf. Polen brauche jetzt Einigkeit, sagte Kaczynski. Beide Parteien sind aus der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc hervorgegangen. Während die Bürgerplattform einen klaren Kurs der Marktwirtschaft und der Westintegration vertritt, tritt die PiS für die Erhaltung des Sozialstaats ein. Kritiker hielten Kaczynski allerdings vor, dass etwa das von ihm angekündigte Wohnungsbauprogramm, das ohnehin nicht in die Zuständigkeit des Präsidenten fällt, angesichts leerer öffentlicher Kassen gar nicht finanziert werden kann.
Deutschland soll zahlen
Entscheidend bei der Präsidentenwahl waren die ärmeren Regionen im Osten, wo sich die meisten Wähler für Kaczynski entschieden. Einen klaren Vorsprung hatte der 56-jährige Kaczinsky auch bei den Wählern über 60 Jahren - hier wirkte sich wahrscheinlich die Forderung des Wahlsiegers nach einer Entschädigungszahlung Deutschlands für die Zerstörung von Warschau im Zweiten Weltkrieg aus. Der 48-jährige Tusk wurde vor allem von jungen Wählern, Großstädtern und Akademikern gewählt. In einer ersten Ansprache sagte Kaczynski, er wolle ein Präsident der Eintracht sein.
Unterstützung der radikalen Bauernpartei
In der ersten Runde der Präsidentenwahl hatte Tusk vor zwei Wochen von allen zwölf Kandidaten die meisten Stimmen bekommen. Er kam damals auf 36 Prozent, Kaczynski auf 33 Prozent. Unterstützt wurde Kaczynski am Sonntag aber auch von den Anhängern der radikalen Bauernpartei Selbstverteidigung, deren Kandidat Andrzej Lepper mit seinem Anti-EU-Kurs am 9. Oktober 15 Prozent der Stimmen erhalten hatte.
Verschärftes Strafrecht
Wegen der Präsidentschaftskandidatur Kaczynskis verzichtete dessen Zwillingsbruder Jaroslaw auf das Amt des Ministerpräsidenten, das er als Parteivorsitzender sonst sicher gehabt hätte. Die beiden Brüder wollen Polen gemeinsam in die so genannte "Vierte Republik" umwandeln und unter anderem das Strafrecht verschärfen sowie die Befugnisse von Polizei und Gerichten ausbauen.
Hoffnung auf schnelle Regierungsbildung
Designierter Regierungschef ist nun der PiS-Politiker Kazimierz Marcinkiewicz. Derzeit verhandelt er mit der von Tusk geführten liberalkonservativen Bürgerplattform über eine Regierungskoalition. Der Präsidentenwahlkampf hatte die Regierungsbildung in den vergangenen Wochen verzögert. (chr)