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PolitikKamerun

Eine Kamerunerin gegen die Männerherrschaft

Susanne Lettenbauer
10. Oktober 2025

In Kamerun wird an diesem Wochenende gewählt. Nach 43 Jahren hofft das Land auf eine Abwahl des 92-jährigen Präsidenten Paul Biya. Unter den Kandidaten ist eine selbstbewusste Frau: Patricia Tomaino Ndam Njoya.

Kamerun Yagoua 2025 | Wahlkampfauftritt von Tomaino Ndam Njoya für Modernisierung
Tomaino Ndam Njoya, hier bei einem Auftritt in Yagoua im Hohen Norden, kämpft für eine Modernisierung Kameruns mit einer Frau an der SpitzeBild: UDC

Die Überraschung war groß, als Kameruns Wahlkommission im Juli die zwölf Kandidaten zur Präsidentschaftswahl bekanntgab: Trotz der verheerenden Niederlage von Kah Walla, der ersten weiblichen Präsidentschaftskandidatin Kameruns, im Jahr 2011, bewirbt sich erneut eine Frau um das höchste Staatsamt. Dass Tomaino Ndam Njoya überhaupt zu den Wahlen am 12. Oktober zugelassen wurde, ist angesichts der über 80 Bewerber eine Besonderheit.

Und dieses Mal stehen die Chancen für eine künftige Staatspräsidentin erst einmal gut. Nicht nur, weil es in Afrika immer mehr weibliche Politikerinnen, Ministerinnen und Staatspräsidentinnen gibt. Mit der Verabschiedung der ersten Frauenkonvention 2021 haben die über 81 Frauenorganisationen landesweit ein Gewicht bekommen, das bei früheren Wahlen undenkbar gewesen wäre.

"Meine Stimme, meine Verantwortung": Mit großen Plakaten werden die Menschen in der Hauptstadt Yaoundé aufgerufen, am 12. Oktober wählen zu gehenBild: AFP/Getty Images

"Kamerun muss wieder ein Rechtsstaat werden", fordert Tomaino, "ein Staat, in dem das Regime über den Institutionen steht." In dem patriarchalisch geprägten zentralafrikanischen Land herrscht vor dem Gesetz Gleichberechtigung. Über die Hälfte der Bevölkerung sind Frauen. Doch sich in eine Reihe mit elf männlichen Präsidentschaftskandidaten zu stellen, ist noch immer eine Seltenheit.

Die einstige Kandidatin Kah Walla hatte sich nach einem körperlichen Übergriff aus der Politik zurückgezogen, sie führt heute ein Unternehmen in Douala. Tomaino Ndam Njoya kommt aus der aktiven Politik: Sie ist Bürgermeisterin und Vorsitzende der Demokratischen Union für Kamerun (UDC). Im Wahlkampf verspricht sie, Frauen und junge Menschen in den Mittelpunkt zu rücken: "Frauen sind es, die die Familie am Leben erhalten und die Gemeinschaft widerstandsfähig machen. Als Frau denke ich, dass 65 Jahre Männerherrschaft genug sind. Frauen müssen wirklich die Zügel in die Hand nehmen können."

Bislang lenkt Ndam Njoya die Geschicke der historisch bedeutsamen Stadt Foumban im Westen Kameruns. Dort wurde 1961 der Vertrag über den Zusammenschluss der früheren britischen und französischen Kolonien zur föderalen Republik Kamerun geschlossen. Doch die Vereinigung der unterschiedlich geprägten Regionen wurde nicht gut umgesetzt - Ursache des seit fast zehn Jahren andauernden, verheerenden Konflikts zwischen den anglophonen und frankophonen Gebieten.

Der Rückgriff auf historische Ereignisse gehört denn auch zum Wahlprogramm der 56-jährigen Politikerin mit dem Slogan "Freiheit. Gerechtigkeit. Fortschritt". Kamerun stehe am Scheideweg, sagt Ndam Njoya. "Der Staat ist seit 43 Jahren Geisel eines Regimes." Jetzt müsse das souveräne Volk die Republik in eine "neue Ära" führen, "die wir alle verdienen."

Dass ihr bisher nur wenige Chancen eingeräumt werden, bringt sie nicht aus der Ruhe. Bis zum Wahltag will sie kämpfen. Zwei Wochen quer durch das Land reisen, Kampagnen auf Instagram, Facebook, Tiktok - sie nutzt alle Kanäle, um auf sich aufmerksam zu machen.

Dabei muss sie auch manche Herabwürdigung über sich ergehen lassen. Ihre männlichen Mitbewerber deklarieren sie als "die Frau ihres verstorbenen Mannes". Tatsache ist: 2021 übernahm sie den Vorsitz der UDC von ihrem kurz zuvor verstorbenen Mann Adamou Ndam Njoya, einem prominenten Oppositionellen. Er war Ende der 1970er Jahre Bildungsminister Kameruns, zuletzt langjähriger Bürgermeister der Stadt Foumban. Auch in diesem Amt folgte ihm seine Frau. Adamou Ndam Njoya trat viermal als Präsidentschaftskandidat an: 1992, 2004, 2011 und 2018. Viermal unterlag er Paul Biya, der das Land seit vier Jahrzehnten regiert.

Foumban. Berlin. Rom. Paris.

Patricia Tomaino Ndam Njoya hat sich viel vorgenommen. Ihr geht es nicht allein um Kamerun. Im Vorfeld der Wahlen besuchte sie die Diaspora in Deutschland, Italien und Frankreich, um sie für ihre Stimmabgabe zu gewinnen. Anders als die Biya-kritische Diaspora in Frankreich steht die deutsche Community überwiegend zur Regierungspartei RDPC des inzwischen 92-jährigen Präsidenten.

Der 92-jährige Paul Biya weilt auch mal unangekündigt außer Landes - wie noch zum Wahlkampfauftakt. In der Heimat ist er trotzdem omnipräsent - wie auf diesen Regenschirmen, die "Größe und Hoffnung" verkünden.Bild: AFP/Getty Images

Um sie von ihrer Kandidatur zu überzeugen, traf Ndam Njoya in der süddeutschen Stadt Schwäbisch-Gmünd unter anderem mit Joy Alemazung zusammen, dem kamerunstämmigen Bürgermeister der deutschen Kommune Heubach, mit dem kamerunstämmigen SPD-Kommunalpolitiker Steve Kommogne und anderen Kamerunerinnen und Kamerunern.

Und sie vernetzt sich weltweit: In Rom sprach sie im September im Beisein des Papstes auf dem Jahrestreffen der Weltbruderschaft über die Dringlichkeit von Frieden und Solidarität. Kurz darauf skizzierte sie in Gabun ihre Ideen einer besseren Nachbarschaft für beide Seiten des kamerunischen Konflikts. Als Parlamentsabgeordnete war sie Mitglied des Forums der Frauen in Afrika und Spanien für eine bessere Welt sowie Mitglied der Afrikanischen Parlamentarischen Union.

Vernetzung von Kameruns Opposition

Dass sie sich trotz ihrer weitreichenden Kontakte nicht für eine internationale Karriere entscheidet, sondern für die Zukunft ihres Landes kämpft, hat ihr auch das Wohlwollen anderer Oppositionspolitiker eingebracht. Seit einem Treffen Mitte September in einem Hinterzimmer der Maison du Café in der Hauptstadt Jaunde stehen ein Dutzend frühere Wahlkandidaten hinter ihr, die im Juli bei der Bewerbung als Präsidentschaftskandidaten gescheitert waren.

Ortsbesuch: Tomaino (Mitte) scheut nicht den Kontakt zur traditionellen Elite des Hohen Nordens, den Lamido von Yagoua, Pouss und Garoua.Bild: UDC

Darunter Shewa David Damuel, aufgestellt von der Patriotischen Bewegung für ein neues Kamerun (MPCN) und zuvor Mitglied der Sozialdemokratischen Partei SDF: Er beschwört die Einheit der Opposition in schwierigen Zeiten: "Es ist Zeit für Veränderung. Es ist eine Zeit, die uns dazu gebracht hat, auf die Stimme der Befreier zu hören", so der Unternehmer. Alle sollten Tomaino wählen, sagt er und richtet sich besonders an die anderen Oppositionsparteien: "Sie ist die beste, die uns befreien kann!"

Tansania, Liberia, Namibia - künftig könnte auch Kamerun zur wachsenden Zahl an Ländern Afrikas gehören, die von einer Frau geführt werden.

Und sie hat sich viel vorgenommen. Die Durchsetzung der Ziele ihres Mannes: Einigung Kameruns als föderaler Staat, Beendigung des Konflikts zwischen den anglophonen und frankophonen Gebieten, Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit, Verbesserung der Investitionsbedingungen für ausländische Firmen.

Rotationsprinzip für Kameruner Kulturgut zwischen Deutschland und Kamerun

In Deutschland sorgt sie für Aufmerksamkeit, weil sie sich bei der Frage der Restitution geraubter Kulturgüter für ein Rotationsprinzip einsetzt. Kameruns Kulturgut und Kolonialgeschichte müssten auch für deutsche Museumsbesucher zugänglich bleiben, ist Tomaino überzeugt. Die Diskussion um Dekolonisierung solle die Beziehungen zwischen der ehemaligen Kolonie und Berlin neu ordnen und künftig einen Austausch auf Augenhöhe ermöglichen.

Unzählige kamerunische Objekte lagern in den Archiven deutscher Museen - wie hier im Bremer Übersee-Museum (Aufnahme von 2022)Bild: Sina Schuldt/dpa/picture alliance

Dabei spielt auch das Volk als Souverän eine Rolle - was sich an einem berühmten Objekt der postkolonialen Debatte zeigt, dem Thron von Foumban: Anders als ihr Gegenpart in Foumban, der Sultan vom traditionellen Königreich der Bamoun, will Ndam Njoya den seit 1907 in Berlin aufbewahrten Thron für die Bevölkerung zurückholen und nicht für das neue Museum des Sultans. Nach den Präsidentschaftswahlen am 12. Oktober will sie deshalb noch einmal nach Berlin fahren. Ob als neue Staatspräsidentin Kameruns oder als Bürgermeisterin von Foumban.