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Politik

Kiewer Kandidaten stehen fest

Roman Goncharenko
4. Februar 2019

Die Ukraine wählt bald einen neuen Präsidenten, doch einen klaren Favoriten gibt es nicht. Kann sich Amtsinhaber Petro Poroschenko halten, triumphiert Herausfordererin Julia Timoschenko oder wird es doch ein Außenseiter?

Ukraine Politische Werbung vor den Wahlen
Bild: Imago/Zuma

In der Ukraine ist am Sonntag die Bewerbungsfrist für die Kandidaten bei der Präsidentenwahl am 31. März abgelaufen. Dutzende haben ihre Papiere eingereicht. Anders als vor fünf Jahren gibt es keinen klaren Favoriten. Auch die rekordverdächtige Anzahl an Kandidaten macht den Ausgang schwer vorhersehbar. Ein zweiter Wahlgang gilt als unausweichlich. Ein Duell zwischen dem Amtsinhaber Petro Poroschenko und der oppositionellen Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko scheint wahrscheinlich, doch auch Überraschungen sind möglich. Welche neuen Namen sollte man sich merken? Wer steht wofür? Eine Übersicht.

Timoschenko als Favoritin mit Altlasten

Julia Timoschenko steht vor der Krönung ihrer politischen Karriere. Nachdem sie die Präsidentenwahl 2010 knapp gegen Viktor Janukowitsch und 2014 deutlich gegen Petro Poroschenko verloren hatte, hat sie diesmal wohl bessere Chancen, als erste Frau Präsidentin der Ukraine zu werden.

Unternimmt einen neuen Anlauf: Präsidentschaftskandidatin Julia Timoschenko Bild: Reuters/V. Ogirenko

Die 58-Jährige verspricht einen "neuen Weg", obwohl sie selbst die alten Eliten verkörpert. In den vergangenen mehr als 20 Jahren war Timoschenko zweimal Ministerpräsidentin, saß zweimal aus politischen Gründen im Gefängnis und kam doch nach Niederlagen immer wieder zurück. In der jüngsten Oppositionszeit gelang es ihr, ihre Basis zu halten und auszubauen. Viel tun musste sie dafür nicht. Der anhaltende Stellungskrieg in der Ostukraine, die Verarmung der Bevölkerung und mäßige Erfolge im Kampf gegen die Korruption sorgten für sinkende Umfragewerte des Präsidenten Poroschenko, ihres alten Rivalen.

Im Wahlkampf verspricht Timoschenko, der Ukraine "Größe" und ihren Bürgern "Glücksgefühl und Würde" zurückzugeben. Und sie will sich dafür einsetzen, die zuletzt stark gestiegenen Gaspreise zu halbieren. Ein weiterer Kernpunkt in ihrem Wahlprogramm ist eine Verfassungsreform, die sie noch vor den Parlamentswahlen im Herbst mittels Referendum durchführen will. Timoschenko strebt dabei eine rein parlamentarische Demokratie nach deutschem Vorbild an. Ohne Zustimmung des jetzigen Parlaments erscheint eine solche Reform jedoch schwierig bis unmöglich.

Kritiker werfen Timoschenko Populismus vor und warnen vor einer freundlicheren Russland-Politik, sollte sie an die Macht kommen. Ob Timoschenko tatsächlich eine Annäherung an Moskau betreiben könnte, ist jedoch unklar. Aktuelle Anlässe für eine derartige Vermutung gab es nicht. Sicher ist ein Sieg Timoschenkos keineswegs: Sie polarisiert stark und trägt einige Altlasten mit sich. Nachteilig könnte sich vor allem ihr Machtkampf mit Präsident Viktor Juschtschenko nach der "Orangenen Revolution" 2004 auswirken, der das Land über Monate geschwächt hatte.  

Warum Poroschenko wiedergewählt werden kann    

Der amtierende Präsident Petro Poroschenko kämpft um seine Wiederwahl. Die Umfragewerte des 53-Jährigen verharrten bis vor kurzem im unteren zweistelligen Bereich. Es gab Zweifel, ob er den Einzug in die Stichwahl schafft. Poroschenkos Bilanz als Präsident ist durchwachsen: Vor allem in der Außenpolitik konnte er wichtige Erfolge feiern, so brachte er die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU genauso unter Dach und Fach wie die Abschaffung der Visumspflicht. Auch einigte er sich mit den USA auf Waffenlieferungen für die ukrainische Armee. Im Wahlkampf setzt Poroschenko auf die Fortsetzung dieser für ihn erfolgreichen Linie und verspricht, spätestens 2024 einen EU-Beitrittsantrag zu stellen.

Erhofft sich kirchlichen Beistand: Petro Poroschenko und Metropolit Epiphanius, das erste Oberhaupt der neuen orthodoxen Kirche in der Ukraine Bild: picture-alliance/AP Photo/E. Lukatsky

Poroschenkos Schwächen liegen in der Innenpolitik. Dem Präsidenten gelang es unter anderem nicht, die stark verbreitete Korruption spürbar zu bekämpfen. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs 2018 zwar um mehr als drei Prozent, doch die Inflation und vor allem die stark steigenden Energiepreise machen das Leben für Millionen Ukrainer immer schwerer.

Und doch ist Poroschenkos Lage nicht aussichtslos. Grund für seine wieder steigenden Umfragewerte dürfte sein Einsatz für die Gründung einer neuen, von Moskau unabhängigen orthodoxen Kirche in der Ukraine sein. Seine Gegner werfen ihm vor, die Kirche für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren. Doch am Ende könnte genau das ihm dabei helfen, wiedergewählt zu werden.     

Selenskyj: Ein Komiker will Präsident werden 

Vom Komiker zum Präsidenten? Fernsehstar Wolodymyr SelenskyjBild: picture-alliance/Pacific Press/A. Gusev

Zu den neuen und überraschenden Gesichtern dieser Wahl gehört Wolodymyr Selenskyj. Einige Umfragen sehen ihn gar als Favoriten. Der 41-Jährige ist Fernsehkomiker mit einer markanten rauen Stimme und genießt als Künstler hohe Beliebtheitswerte. In der Politik ist er ein absoluter Neuling. Selenskyj ist unter anderem für seine Hauptrolle in der Satireserie "Diener des Volkes" bekannt. Passenderweise spielt er darin einen Schullehrer, der zum Präsidenten gewählt wird.

Im Wahlkampf setzt Selenskyj vor allem auf junge, russisch-sprachige Wähler aus dem Osten und Süden der Ukraine, die sich neue Gesichter in der Politik wünschen. In seinem locker geschriebenen Wahlprogramm verspricht er Frieden, den Kampf gegen Korruption und für mehr direkte Demokratie, etwa durch eine größere Anzahl an Referenden. In der Ukraine wird darüber spekuliert, ob Selenskyj womöglich im Auftrag eines bekannten ukrainischen Oligarchen kandidiert, um Poroschenkos Wiederwahl zu verhindern.

Das prorussische Lager setzt auf Boiko

Zu den weiteren Kandidaten, denen ein Einzig in die Stichwahl zugetraut wird, zählt der ehemalige Verteidigungsminister Anatolij Hryzenko. Er versucht, bei patriotisch gesinnten Wählern zu punkten. Der 61-jährige Hryzenko ist ein erfahrener, aber bisher erfolgloser Oppositionspolitiker.

Die Hoffnung des prorussischen Lagers ruhen auf ihm: Jurij BoikoBild: Imago/Ukraine News

Das latent prorussische Lager in der ukrainischen Politik erlebte zuletzt Spaltungen und neue Allianzen. Als Hoffnungsträger der wohl größten Gruppe gilt Jurij Boiko, der von der Partei "Oppositionelle Plattform - für das Leben" ins Präsidentschaftsrennen geschickt wurde.

Diese Partei ist ein Sammelbecken für oppositionelle Politiker, die früher auf der Seite des prorussischen Präsidenten Janukowitsch standen. Der 60-jährige Boiko war unter Janukowitsch Vizeregierungschef. Er positioniert sich im Wahlkampf als Friedensbringer und verspricht, die Minsker Vereinbarungen umzusetzen. Doch seine Wählerbasis ist begrenzt auf den russischsprachigen Osten und Süden der Ukraine.