Präsidentschaftswahl in Rumänien: Siegt ein Rechtsextremist?
1. Mai 2025
In der rumänischen Öffentlichkeit scheint derzeit nicht das Gefühl zu herrschen, dass man schicksalhafte Tage erlebt. Die Stimmung hat eher etwas von einer Mischung aus Überdruss und Müdigkeit. Dennoch steht das Land an einem Scheideweg.
Am Sonntag (04.05.2025) findet eine der wichtigsten Wahlen der postkommunistischen rumänischen Geschichte statt - jene Präsidentschaftswahl, die nach der annullierten Wahl von Ende 2024 wiederholt werden muss. Der Präsident hat in Rumänien wenige innenpolitische, dafür aber einige außenpolitische Befugnisse und ist eine einflussreiche Stimme im Land. Nun ist für dieses Amt zum ersten Mal seit dem Sturz der national-stalinistischen Ceausescu-Diktatur im Dezember 1989 ein Rechtsextremist der Favorit - der ehemalige Fußball-Hooligan George Simion. Sein wichtigster Kontrahent, Crin Antonescu, steht für die jahrzehntelange Misere der rumänischen Demokratie.
Es ist eine Wahl, bei der nur eines feststeht: Egal, wie sie ausgeht - das bevölkerungsreichste Land Südosteuropas, das zugleich wichtigster EU- und NATO-Partner der Region ist, steuert in eine höchst unsichere, schwierige Zukunft. In einer Situation, in der Rumänien den russischen Krieg gegen die Ukraine so nah erlebt wie kein anderes EU-Land - als Unions-Mitglied, das die längste Grenze zur Ukraine hat, durch immer wieder über sein Territorium fliegende Raketen und im Donaudelta abstürzende Shahed-Drohnen und durch häufige russische Provokationen im Schwarzen Meer.
Simulierte Demokratie
Die Geschichte, wie es zur Konstellation der jetzigen Präsidentschaftswahl kommen konnte, wirkt halb zufällig, halb zwangsläufig. Im November 2024 gewann der Politscharlatan Calin Georgescu überraschend die erste Runde der damaligen Präsidentschaftswahl. Er ist Esoteriker, Verschwörungstheoretiker, prorussischer Rechtsextremist und Apologet des christlich-orthodoxen Legionärsfaschismus der rumänischen Zwischenkriegszeit. Ein wichtiger Grund dafür war, dass er in einer Gesellschaft, die sich von der herkömmlichen medialen Öffentlichkeit in großem Maße abgekoppelt hat, soziale Medien, vor allem TikTok, geschickt nutzte.
Der tiefer liegende Grund war jedoch die Frustration der rumänischen Gesellschaft über die Zustände im Land. Rumäniens Demokratie ist großenteils eine simulierte Form ohne Inhalt. Das Land wird seit Jahrzehnten von Politcliquen beherrscht, die Ressourcen unter sich aufteilen, ihre Klientel bedienen, die Justiz und andere staatliche Institutionen steuern und jegliches verantwortliches, zukunftsorientiertes und nachhaltiges Regieren verhindern.
Kein "Rumänien der gut gemachten Sache"
Da sind zum einen die postkommunistischen Sozialdemokraten (PSD), die nur dem Namen nach so heißen und als nationalistische Traditionalisten auftreten. Zum anderen die Nationalliberalen (PNL), die so gut wie nichts mit klassischem politischem und wirtschaftlichem Liberalismus zu tun haben. Dritter im Bunde ist die Partei der ungarischen Minderheit (UDMR), die zu einem Anhängsel des ungarischen Premiers Viktor Orban in Rumänien verkommen ist. Die drei Kräfte regieren das Land seit langem in wechselnden Konstellationen. Nach der Parlamentswahl vom Dezember 2024 bildeten sie eine Dreier-Koalition.
Eine höchst negative Rolle in der jetzigen Entwicklung hatte auch der seit 2014 amtierende und im Februar 2025 zurückgetretene Staatspräsident Klaus Iohannis gespielt. Er war einst als Politiker angetreten, der tiefgreifende Reformen für das Land und ein "Rumänien der gut gemachten Sache" versprochen hatte. Dann war er aber zehn Jahre im Präsidentenpalast in der Hauptstadt Bukarest abgetaucht, für die Öffentlichkeit im Wesentlichen nur sichtbar bei finanziell aufwendigen Reisen und fragwürdigen Events wie der Eröffnung eines Golfplatzes während der Corona-Pandemie.
Von der Wahl ausgeschlossen
Nachdem der "Systemsprenger" Georgescu im November 2024 die erste Runde der Präsidentschaftswahl gewonnen hatte, wurde die Wahl vom Verfassungsgericht annulliert. Die Begründung lautete: illegale Wahlkampffinanzierung sowie Einmischung zugunsten Georgescus aus dem Ausland, mutmaßlich aus Russland, wobei nur der Tatbestand der illegalen Wahlkampffinanzierung belegt ist. Georgescu wurde später, im März 2025, vollständig von einer Kandidatur bei der neu angesetzten Wahl ausgeschlossen.
An seine Stelle trat George Simion, Rumäniens bekanntester Rechtsextremist. Der 38-Jährige begann seine politische Karriere bei Bukarester Fußball-Hooligans, machte später mit gewalttätigen Aktionen gegen die ungarische Minderheit Rumäniens Schlagzeilen und gründete 2019 die Partei Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR), die für ein Großrumänien eintritt, das die Republik Moldau sowie Gebiete der Ukraine einschließt.
Bei der Parlamentswahl im November 2024 wurde AUR mit rund 18 Prozent zweitstärkste Kraft. Zusammen mit zwei weiteren Parteien kommt das rechtsextreme Lager auf rund 35 Prozent der Sitze im Parlament.
Verbindungen nach Russland
Simion fiel in den vergangenen Jahren durch äußerst aggressives Auftreten und Handgreiflichkeiten im Parlament auf. Im Februar 2022 griff er einen Minister am Rednerpult tätlich an. Einer ehemaligen Parteigenossin rief er im Dezember 2023 im Plenarsaal zu: "Ich greife dich sexuell an, du Sau!" Seine TikTok- und Facebook-Videos sind meistens in der typischen gewalttätigen Sprache rumänischer Straßenkrimineller gehalten. Simion steht in Verdacht, Verbindungen zum russischen Geheimdienst FSB und zu russischen Ultranationalisten zu haben, unter anderem zum Ideologen des russisch-eurasischen Faschismus, Alexander Dugin. In der Ukraine und der Republik Moldau hat er Einreiseverbot. Im jetzigen Wahlkampf tritt Simion deutlich ruhiger auf, um für breite Schichten wählbarer zu sein. Er positioniert sich als Trump-Anhänger und als "Retter der rumänischen Demokratie".
In den meisten Umfragen kommt Simion auf deutlich über 30 Prozent. Allerdings sind Umfragen in Rumänien unzuverlässig, da sie oft als Mittel der politischen Propaganda genutzt werden und viele Meinungsforschungsinstitute nicht unabhängig agieren.
Mann aus der Vergangenheit
Den zweiten Platz in den Umfragen teilen sich der ehemalige nationalliberale Politiker Crin Antonescu (65) und der Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan (55), wobei Antonescu in den meisten Umfragen leicht vor Dan liegt. Antonescu ist der gemeinsame Kandidat der regierenden Dreier-Koalition aus PSD, PNL und UDMR.
Er war eine zentrale politische Figur in der Staatskrise von 2012, bei der es darum ging, den Kampf gegen die Korruption zu schwächen. Den "Mann aus der Vergangenheit, der Rumänien voran bringen will", nennen ihn einige rumänische Medien ironisch in Anspielung auf den Namen seines Wahlbündnisses "Rumänien voran". Dabei repräsentiert Antonescu vor allem die Vergangenheit aus Klientelismus und Korruption.
Mathematiker im Bürgermeisteramt
Tatsächlich voranbringen könnte Rumänien der Bukarester Bürgermeister Nicusor Dan, ein progressiv-liberaler, derzeit parteiloser Politiker, der sich einen Namen als Aktivist gegen die Bukarester Immobilienmafia gemacht und die grün-liberale Protestpartei Union Rettet Rumänien (USR) mitgegründet hatte. Dan ist Mathematiker und gilt als ehrlich, nicht korrupt, aber auch als nicht allzu erfolgreich in seiner Funktion als Bürgermeister, da er allein gegen einen mächtigen Apparat steht. Anders als Antonescu setzt er sich für eine vorbehaltlose Unterstützung der Ukraine ein.
Dan spricht ruhig, unaufgeregt und gilt als besonnener, rationaler und konfliktscheuer Politiker, der Probleme analytisch angeht und langfristige Lösungen anstrebt. Er gilt auch als volksnah und setzte Bürgernähe tatsächlich um, indem er zum Beispiel den jahrzehntelang verschlossenen Haupteingang des Bukarester Bürgermeisteramtes, der nur für bestimmte Zeremonien geöffnet wurde, frei zugänglich machen ließ.
Chancenlos ist diesmal die liberale Kandidatin Elena Lasconi, die bei der annullierten Wahl im vergangenen November noch überraschend den zweiten Platz erreicht hatte. Sie hat inzwischen die Unterstützung ihrer Partei USR verloren, die sich hinter Nicusor Dan gestellt hat.
Die Wahl am Sonntag wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht im ersten Wahlgang entschieden, weil dafür eine absolute Mehrheit notwendig wäre, die wohl kein Kandidat erreichen wird. Die Stichwahl wird deshalb am 18.05.2025 stattfinden.