Mit dem Bau einer Schule in seinem Heimatdorf in Burkina Faso begann seine Karriere. Viele prämierte Gebäude folgten. Francis Kéré baut ökologisch und sozial. Jetzt erhält er den Praemium Imperiale für sein Lebenswerk.
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In seinem Heimatdorf Gando in Burkina Faso gab es weder elektrisches Licht noch fließendes Wasser aus dem Hahn. Doch Diébédo Francis Kérés Vater wollte seinem ältesten Sohn eine bessere Zukunft bieten. Er wurde mit sieben Jahren als einziges von 13 Geschwistern zur Schule geschickt. Ein Privileg, für das Francis sein Dorf verlassen musste. Fernab von seiner Familie saß er mit mehr als hundert Kindern in einem düsteren, stickigen Klassenraum, in dem sich die Hitze staute. Schon damals fasste er den Entschluss, bessere Schulen - mit natürlichem Licht und besserer Luftzufuhr - zu bauen, sollte er jemals die Möglichkeit dazu haben.
Kérés Mission: nachhaltige Architektur
Heute zählt Kéré zur Elite der Architekten, die weltweit das Sagen haben. Als erster Schwarzer und als erster Architekt des afrikanischen Kontinents erhielt er 2022 den renommierten Pritzker-Preis, der auch als Nobelpreis der Architektur gilt. Nur ein Jahr später ehrt ihn nun für sein Lebenswerk auch die Japan Art Association mit dem Praemium Imperiale - eine Auszeichnung, die nicht nur in der Architektur, sondern auch in den Disziplinen Malerei, Skulptur, Musik und Theater vergeben wird. Der Aufstieg und die Honorierung der Arbeit von Francis Kéré machen Hoffnung, dass Visionen für eine nachhaltige Welt ernst genommen und umgesetzt werden können.
Francis Kéré - Burkina Fasos Meister der Architektur
Diébédo Francis Kéré war das einzige Kind in seinem Dorf, das lesen konnte. Heute ist der Burkiner ein Meister der Architektur - seine afrofuturistischen und doch traditionellen Werke finden sich überall auf dem Globus.
Bild: Niklas Halle'n/AFP
Raus aus stickigen Klassenzimmern
Diébédo Francis Kéré wurde 1965 in Burkina Faso geboren - einem der am wenigsten entwickelten Länder Afrikas. Kéré war der älteste Sohn des Dorfoberhaupts und der erste in seiner Gemeinde, der die Schule besuchte. Das Klassenzimmer in Gando war aus Zementblöcken gebaut und verfügte weder über Belüftung noch über Licht. Hier schwor sich Kéré, eines Tages die Schulen zu verbessern.
Bild: picture-alliance/Photoshot
Eine Schule für sein Dorf
Kéré ging für sein Architekturstudium nach Berlin. Sein erstes Gebäude, die Gando-Grundschule, baute er 2001. Das Projekt wurde mit dem prestigeträchtigen Aga Khan Award ausgezeichnet, der für Bauwerke in Ländern mit einem hohen muslimischen Bevölkerungsanteil vergeben wird. Sein Studium schloss Kéré 2004 ab und gründete eine Stiftung für Projekte in verschiedenen afrikanischen Ländern.
Bild: Erik-Jan Owerkerk
Klimagerecht und luftig
Kéré setzt auf eine klimaschonende Bauweise. In Mali designte er das Besucherrestaurant für den Nationalpark in Bamako. Die großen Überhänge der Blechdächer spenden Schatten und tragen auch zur natürlichen Klimatisierung der Gebäude bei. Die Gebäude sind mit Stein aus der Region verkleidet, was dem Ort Identität verleiht und die Baukosten senkt.
Bild: Diébédo Francis Kéré
Heimische Materialien
2016 eröffnete Kéré das Lycée Schorge in Koudougou in Burkina Faso. Mit lokalen Materialien, natürlicher Belüftung und modernem Design, gebaut von Arbeitern aus der Region, steht das Gebäude für die Qualitäten, die auch in anderen burkinischen Projekten von Kéré zu finden sind. Die Möbel der Schule wurden aus einheimischen Harthölzern und Stahlresten der Dachkonstruktion hergestellt.
Bild: Francis Kéré/Pritzker Prize/AP/picture alliance
Ort für interkulturelle Begegnung
Das Operndorf im Nordosten der Hauptstadt Ouagadougou entstand aus einer Zusammenarbeit Kérés mit dem verstorbenen Christoph Schlingensief, einer Schlüsselfigur der deutschen Kulturszene. Um das geplante Opernhaus gruppieren sich Wohnungen, Ateliers, einer Schule und ein Gesundheitszentrum.
Bild: Francis Kere/Festspielhaus Afrika/dpa/picture alliance
Freiheit der Möglichkeiten
Das Opernhaus ist als Spirale konzipiert, deren offene Form die Freiheit der Möglichkeiten symbolisiert. Noch steht das Herzstück des Operndorfes nicht. Doch das am Computer generierte Bild zeigt, wie das "Remdoogo" (etwa "Treffpunkt") genannte Opernhaus aussehen soll.
Bild: picture alliance / dpa
Afro-futuristisch und doch traditionell
In der senegalesischen Hauptstadt Dakar entwarf Francis Kéré das neue Goethe-Institut. Sein Ansatz ist ganzheitlich, afro-futuristisch und traditionell zugleich. Dafür nutzt Kéré sogenannte BTC-Ziegel: komprimierte Erdziegel, ein traditionelles Material in modernem Gewand. Die Verwendung lokaler Baumaterialien ist sowohl ökologisch als auch klimatechnisch sinnvoll.
Bild: Kéré Architecture
Aus Afrika in die Welt
Mittlerweile finden sich Kérés Architekturen (im Bild ein Pavillon in London) überall auf der Welt: in Europa, den USA, Mali, Kenia und Mosambik. Auch größere Bauten sind in Planung, wie die Nationalversammlungen in Ouagadougou und im beninischen Porto-Novo. Außerdem plant Kéré eine Waldorfschule im oberbayrischen Weilheim und einen Turm für die Forschung an der Technischen Universität München.
Bild: Niklas Halle'n/AFP
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Ein Stipendium brachte Kéré nach Berlin
Dank eines Stipendiums zog der 1965 geborene Francis Kéré als junger Mann nach Berlin. Dort absolvierte er zunächst eine Ausbildung als Schreiner, bevor er 1995 an der Technischen Universität sein Architekturstudium aufnahm. Schon als Student realisierte er sein erstes größeres Bauvorhaben und errichtete in Gando eine Grundschule aus Lehm - eine, wie er sie als Kind selbst gerne besucht hätte.
Für seinen respektvollen Umgang mit Ressourcen und die Einbeziehung der Umgebung erhielt er 2004 gleich den Agha Khan Award for Architecture, die erste von etlichen Auszeichnungen. Fast wäre er nicht an die Universität zurückgekehrt, doch seine Professoren überzeugten ihn, sein Studium abzuschließen. 2005 gründete er mit Kéré Architecture sein eigenes Büro in Berlin. Mittlerweile hat er neben der burkinischen auch die deutsche Staatsangehörigkeit. International ist er längst sehr erfolgreich. Bekannt geworden ist er unter anderem für das von dem verstorbenen Regisseur Christoph Schlingensief initiierte Operndorf Afrika.
Kéré liebt Lehm - den lokalen Baustoff
Bereits mit dem Bau der Grundschule in Gando stellte Kéré unter Beweis, wie der älteste, aber auch ökologischste Baustoff der Welt moderner und widerstandsfähiger werden kann. Die Ziegel presste er aus leicht angefeuchteter Erde unter Zusatz von ein wenig Zement, wodurch sie fest und wasserdicht werden. Gleichzeitig konstruierte er den Bau so raffiniert, dass dieser keine Klimaanlage braucht - und erwies sich so als Großmeister der Luftzirkulation.
Statt Raubbau an der Natur zu betreiben, nutzt Kéré die Möglichkeiten vorhandener lokaler Baustoffe und setzt sie ressourcenschonend ein. Sein Motto: die natürlichen Gegebenheiten nutzen und nicht gegen sie arbeiten. Das gelingt ihm auch, weil er seine Gebäude im Einklang mit dem Verlauf der Sonne baut und natürliche Schattenspender nutzt.
Mehr Qualität trotz weniger Ressourcen
"Für eine bessere Zukunft für uns alle, nicht nur in Afrika, sondern für uns alle auf diesem Planeten ist es wichtig, zurückzugehen und tatsächlich nur solche Materialien einzusetzen, die die Natur uns frei gibt und keinen Raubbau mehr an ihr zu betreiben", sagte Francis Kéré anlässlich eines seiner letzten Bauprojekte im Senegal im DW-Interview. Dort wird nach seinem Entwurf gerade das Goethe-Institut in Dakar gebaut.
Dafür lässt Kéré ebenfalls Lehm, der in der Sahel-Region aufgrund seiner temperaturregulierenden Eigenschaft schon seit Jahrhunderten zum Einsatz kommt, und Laterit nutzen. Die Gebäudewände sollen aus einer Doppelschicht Ziegel bestehen. Der Umgang mit den extremen Temperaturen ist ein zentrales Anliegen für Kéré. So ist die sprichwörtliche Krönung des Projekts in Dakar für Francis Kéré das Dach: "Wie die Krone eines Baumes spendet diese Struktur Schatten und Schutz. Hier kann man sich treffen oder auch einfach zur Ruhe kommen", sagte er anlässlich der Vorstellung des Bauvorhabens.
Gemeinschaft als Ressource
Ob in Dakar oder in der Republik Benin, wo er derzeit das neue Parlament baut: Kérés Ansatz folgt traditionellen Regeln und basiert auf einem ganzheitlichem Konzept, in dem größtenteils einheimische Arbeiter eingesetzt werden: "Bauen ist eine große Aufgabe und das bedarf vieler, vieler Leute, die zusammenarbeiten, die aber auch viel Erfahrung haben und ihr Wissen auf die nächste Generation übertragen", so der Architekt im Gespräch mit der DW. "Das heißt, es ist ein Gemeinschaftsereignis, und das habe ich in meinen Projekten sehr gut eingeführt."
Architekt mit Mission: Francis Kéré
04:48
Bereits seit dem Bau der Dorfschule in Gando engagiert sich Kéré für eine Architektur, die die Energie der lokalen Gemeinschaft nutzt, voller Luft und Licht ist und Identität und Stolz vermittelt. "Natürlich möchte ich Qualität und Komfort schaffen. Aber vor allem möchte ich, dass das Ergebnis die Menschen inspiriert", sagt er anlässlich der Preis-Verleihung des Praemium Imperiale. So auch im aktuellen Projekt, dem Parlament der Republik Benin, das den traditionellen afrikanischen Palaverbaum inkorporiert und für demokratische Werte und kulturelles Bewusstsein steht.
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Ein Preis in fünf Kategorien
Die Preisträger 2023 des Praemium Imperiale
Neben Francis Kéré gibt es noch vier weitere Preisträger des Praemium Imperiale: Robert Wilson, Vija Celmins, Olafur Eliasson und Wynton Marsalis. Wir stellen sie vor.
Bild: Georg Wendt/dpa/picture alliance
Architektur: Francis Kéré
Als kleiner Junge in Burkina Faso träumte Francis Kéré davon, eines Tages Architekt zu werden. Und er hat seinen Traum erfüllt: Heute gehört er international zu den Gefragtesten seines Fachs. Bei seinen Bauten setzt er auf natürliche Materialien, Nachhaltigkeit und soziales Miteinander. Ein Konzept, mit dem er auch die Jury des Praemium Imperiale überzeugte.
Bild: DW
Skulptur: Olafur Eliasson
Olafur Eliasson, ein dänischer Künstler isländischer Herkunft, experimentiert mit physikalischen Phänomenen wie Licht und Wasser. Er arrangiert Eisblöcke aus Grönland, die vor den Augen der Betrachter schmelzen, oder zeichnet im Werk "Earth Speakr" die Ängste von Kindern in der Klimakrise auf. Sein Projekt "Little Sun" soll allen Licht verschaffen, die noch immer ohne Stromanschluss leben müssen.
Bild: Georg Wendt/dpa/picture alliance
Theater: Robert Wilson
Der US-Amerikaner Robert Wilson ist Regisseur, Autor, Choreograf, Lichtdesigner, Bühnenbildner, Video- und Installationskünstler in einer Person. Er gilt weltweit als einer der bedeutendsten Repräsentanten des Gegenwartstheaters. Sein Markenzeichen: magische Bilder von großer Schönheit, die schwer zu deuten, aber immer faszinierend sind.
Bild: Markus Scholz/dpa/picture alliance
Musik: Wynton Marsalis
Der 1961 geborene US-Amerikaner ist weltweit als herausragender Trompeter, Komponist und Vordenker der Musikpädagogik bekannt. Er ist sowohl in der Klassik als auch im Jazz zu Hause - wobei er modernen Jazz strikt ablehnt, Im Laufe seiner Karriere hat er insgesamt neun Grammys und einen Pulitzerpreis für seine Jazz-Oper "Blood on the Fields" eingeheimst. Jetzt kommt der Praemium Imperiale dazu.
Bild: Nancy Kaszerman/dpa/picture alliance
Malerei: Vija Celmins
Vija Celmins zählt zu den bedeutendsten amerikanischen Künstlerinnen der Gegenwart. Ihr Schaffen entzieht sich gängigen kunsthistorischen Kategorien: Mal thematisiert sie in ihrem Werk Alltagsgegenstände wie "Heater" (dt.: Heizkörper/Foto), dann wieder malt sie Nachthimmel, Wüsten oder Spinnennetze. Celmins wurde1938 im lettischen Riga geboren und lebt seit 1948 in den Vereinigten Staaten.
Bild: Georg Wendt/dpa/picture alliance
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Der Praemium Imperiale zählt zu den wichtigsten Kunstpreisen der Welt. Er wird seit 1989 jährlich durch die Japan Art Association verliehen. Das japanische Kaiserhaus hatte ihn ins Leben gerufen, um des 1987 gestorbenen Prinzen Takamatsu zu gedenken. Vergeben wird die Auszeichnung für Malerei, Skulptur, Architektur, Musik sowie Theater/Film. Der Preis ist mit jeweils 15 Millionen Yen (derzeit rund 95.000 Euro) dotiert. Die festliche Verleihung findet im Oktober in Tokio durch das japanische Kaiserhaus statt.
Zu den früheren Preisträgerinnen und Preisträgern des Praemium Imperiale gehören unter anderem Architekten wie Norman Foster und Rem Koolhaas, der Regisseur Martin Scorsese , der 2022 verstorbene Modedesigner Issey Miyake, die Fotokünstlerin Cindy Sherman und der Maler Georg Baselitz.