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Politik

Pragmatische Freunde am östlichen Mittelmeer

16. Juni 2017

Griechenland, Israel und Zypern wollen das politische und wirtschaftliche Blatt im östlichen Mittelmeer wenden. Eine strategische Partnerschaft der drei Staaten hätte Vorteile für Europa.

Griechenland Treffen der Premierminister Anastasiades, Tsipras und Netanjahu in Thessaloniki
Zufriedene Gesichter für die Presse: Anastasiades, Tsipras und Netanjahu in Thessaloniki Bild: Imago/Xinhua/V. Ververidi

Von der westlichen Welt weitgehend unbemerkt hatte der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras zum dritten trilateralen Gipfel zwischen Israel, Zypern und Griechenland eingeladen. Nach vorausgegangenen Treffen in Nikosia und Jerusalem wollten die Beteiligten hier erneut über wirtschaftliche Zusammenarbeit verhandeln, über gemeinsame Forschung und ein wenig auch über die Sicherheitslage. Im Konzertsaal von Thessaloniki, pittoresk und sicherheitstechnisch günstig direkt am Meer gelegen, wollten die "drei demokratischen Staaten am östlichen Mittelmeer", so der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, eine Wende vor der gemeinsamen Haustür einleiten. Sie betrachten sich gerne als Lichtblick in einer krisengeschüttelten Region.

Aufbruchsstimmung aber machte sich nicht so recht breit. Regelmäßig informierte ein Mitarbeiter aus Tsipras' Pressebüro über Neuigkeiten, Fotografen machten Bilder von Gedenktafel-Enthüllungen und die abschließende Erklärung der drei Staatsvertreter war geprägt von einem heiteren Miteinander. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades konnte sich selbst einen Witz über Tsipras' wie immer fehlende Krawatte nicht verkneifen. Ergebnis: Viele Ideen, Absichtserklärungen über ein gemeinsames Erdgaspipeline-Projekt, von dem sich alle drei Staaten lukrative Geschäfte erhoffen, und die gefühlte Einigkeit einer westlichen Achse im Nahen Osten.

Die jüdische Geschichte der Stadt

Besondere Bedeutung hat aber dieses Treffen auch im Hinblick auf die Vergangenheit des Gipfelortes, der Stadt Thessaloniki. Hier hat die jüdische Gemeinde bis zur Besatzung durch die nationalsozialistische Wehrmacht 1941 bis 1945 die Hälfte der Bevölkerung ausgemacht. Sephardische Juden, die im 15. und 16. Jahrhundert als Vertriebene aus Spanien kamen, hatten die Kultur und das Leben der Stadt maßgeblich geprägt. Man nannte sie "Jerusalem des Balkans".

Einst nannte man Thessaloniki "Jerusalem des Balkans" - Netanjahu in der Monastirioton-Synagoge Bild: Reuters/A. Avramidis

Doch nicht nur hatten die Nazis das jüdische Leben der Stadt ausgelöscht. Nach dem Ende der deutschen Besatzung hatte Thessaloniki die Juden aus dem Gedächtnis verdrängt. Erst seit wenigen Jahren besinnt sich die nordgriechische Metropole wieder auf diesen Teil ihrer Geschichte. Jahrzehnte lang hatte sie sich auf die nicht-jüdischen Opfer konzentriert, die den Massakern des NS-Regimes zum Opfer gefallen waren. Mit dem amtierenden Bürgermeister Giannis Boutaris änderte sich das Verhältnis zur jüdischen Gemeinde. Er war es, der Israel regelmäßig besuchte, und er war es, der auf die jüdischen Griechen in Thessaloniki zuging.

Nun soll auf dem Gelände des alten Bahnhofs, dort, wo die Juden von den Nazis in ein Ghetto gepfercht wurden, ein Holocaust-Museum entstehen. An dem Bau wird sich auch Deutschland beteiligen. Beim dem jetzigen Dreier-Treffen haben die Beteiligten dort eine Tafel für den noch zu errichtenden Bau enthüllt und bei der gemeinsamen Kundgebung die "symbolische Rolle der Stadt" betont. Der israelische Ministerpräsident nannte Thessaloniki sogar einen "Schmelztiegel der griechischen und jüdischen Kultur", der viel zur Entwicklung der modernen Zivilisation beigetragen habe. Doch noch gibt es kein Museum. Noch gibt es keine Pipeline. Noch gibt es vor allem Ideen, auf die jetzt konkrete Pläne folgen müssen.

Harmonie statt Problemlösung

Insgesamt lag der Fokus der Zusammenkunft vor allem auf einem: Harmonie beweisen. Vielleicht wirkte die Veranstaltung auch deswegen ein wenig steif, weil sie die "Freunde" und "natürlichen Partner" betonte, wie Ministerpräsident Netanjahu es ausdrückte, und nicht die Probleme, die es zu lösen gilt. Zum Beispiel das Verhältnis zur Türkei. Zwar profitiert Griechenland derzeit von Erdogans rigoroser Politik, sowohl in der Flüchtlingsfrage als auch beim Tourismus. Die politischen Beziehungen zwischen den beiden NATO-Mitglieder bleiben aber angespannt. Israel wiederum hofft, Ankara als Bündnispartner halten zu können, und hält sich in der Türkeikritik auffallend zurück. So kam der einzige Verweis auf die Türkei vom zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades, der eine für alle akzeptable Lösung der seit 1974 geteilten Insel forderte.

Gedenktafel auf dem Gelände des Bahnhofs, von dem aus Nationalsozialisten Juden in Vernichtungslager transportiertenBild: Reuters/A. Avramidis

Weniger steif hätte es vielleicht gewirkt, wenn die Politiker zu dem gestanden hätten, was sie eigentlich zusammengeführt hatte: Pragmatismus. Das muss nicht schlecht sein. Schließlich könnte eine funktionierende Allianz der drei Staaten zu einer Entspannung in der Region beitragen. Griechenland könnte vom vermuteten Erdgasvorkommen in östlichen Mittelmeer profitieren und endlich nachhaltigen, wirtschaftlichen Aufschwung generieren. Gleichzeitig hätte es mit Israel einen mächtigen Verbündeten im Konflikt mit der Türkei, einen Partner, der kein Mitglied der NATO ist. Und allen dreien geht es im Endeffekt darum, die Erdgasvorkommen vor Ankara zu schützen.

Freundschaft durch Pragmatismus

Jetzt kommt es vor allem darauf an, dass Israel und Griechenland ihre Differenzen überwinden. Erst seit den 1990er Jahre unterhalten die beiden Länder diplomatische Beziehungen. Der frühere Ministerpräsident Andreas Papandreou (1993 - 1996) war ein Freund Arafats und hatte stets die palästinensische Seite unterstützt. Erst sein Sohn Giorgos A. Papandreou, ebenfalls Ministerpräsident (2009 - 2011), freundete sich mit Benjamin Netanjahu an und die Situation entspannte sich langsam.

Wenn das so bleiben soll, müsste Tsipras seinen krisengetriebenen Pragmatismus beibehalten und somit auch seine Standpunkte zu Palästina hintanstellen. Dass er das kann, hat er in den vergangenen Jahren bewiesen. Gleichzeitig unterhält er gute Beziehungen zu Ägypten und steht im regen Austausch mit der arabischen Welt. Auf der anderen Seite müsste Netanjahu seine Einstellung zur Zweistaatenlösung überdenken. Und vor allem müsste Europa sich für das Bündnis im östlichen Mittelmeer interessieren.