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Politik

Prediger Al-Sadr nach Wahl im Irak vorn

12. Oktober 2021

Der populistische Kleriker warnt das Ausland, sich in die Regierungsbildung einzumischen. Das zielt auf die USA, die hinter den Kulissen Einfluss ausüben.

Irak Wahlen Der irakische schiitische Geistliche Muqtada al-Sadr
Der schiitische Kleriker Muktada al-Sadr beansprucht den Sieg für seine BewegungBild: Alaa Al-Marjani/REUTERS

Bei der Parlamentswahl im Irak liegt die Strömung des schiitischen Geistlichen Muktada al-Sadr deutlich in Führung. Nach vorläufigen Ergebnissen der Wahlkommission erreichte sie bei der Abstimmung am Sonntag mehr als 60 von 329 Sitzen im Abgeordnetenhaus. Al-Sadr, der selbst nicht kandidierte, beanspruchte den Sieg für seine Bewegung. In einer Fernsehansprache warnte er andere Staaten, sich in die Regierungsbildung einzumischen. Zugleich sagte er der grassierenden Korruption den Kampf an.

Al-Sadrs Strömung war bereits aus der Parlamentswahl 2018 als stärkste Kraft hervorgegangen. Die damals zweitplatzierte Fatah-Koalition muss diesmal deutliche Einbußen hinnehmen: Sie könnte mehr als die Hälfte ihrer Sitze verlieren. Die Fatah ist mit schiitischen Milizen verbunden und wird vom Iran unterstützt, der seinen Einfluss auf das Nachbarland auszuweiten sucht.

Wahlbeteiligung sinkt auf Rekordtief

Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi hatte die Abstimmung nach Massenprotesten gegen die politische Führung des Landes um mehrere Monate vorgezogen. Die im Oktober 2019 ausgebrochenen Demonstrationen richteten sich unter anderem gegen die grassierende Korruption, die schlechte wirtschaftliche Lage und die miserable Infrastruktur. Die Proteste wurden teils gewaltsam niedergeschlagen. Mehrere Aktivisten und Hunderte Demonstranten wurden getötet. Die genauen Umstände und die Verantwortlichen sind in vielen Fällen unklar.

Anhänger al-Sadrs feiern auf den Straßen von Bagdad, als erste Ergebnisse bekannt werdenBild: Hadi Mizban/AP Photo/picture alliance

Wie tief das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber der politischen Klasse ist, zeigt auch die niedrige Wahlbeteiligung, die auf ein Rekordtief von 41 Prozent sank. Anhänger der Protestbewegung hatten zum Boykott der Wahl aufgerufen. Sie erwarten innerhalb des bestehenden Systems keine Änderung der Machtverhältnisse.

Prediger als Königsmacher

Die schiitische Mehrheit in der irakischen Bevölkerung hat seit der US-geführten Invasion 2003 alle Regierungen nach dem Sturz des Diktators Saddam Hussein gestellt oder dominiert. Der populistische Prediger al-Sadr war immer wieder der Königsmacher. Er hatte vor der Wahl Anspruch auf das Amt des Ministerpräsidenten für ein Mitglied seiner Bewegung erhoben. Ob er dies durchsetzen kann, ist offen. Hinter den Kulissen üben neben dem Iran vor allem die USA Einfluss auf die Regierungsbildung aus.

Regierungschef Mustafa al-Kadimi - hier bei der Stimmabgabe - könnte als Kompromisskandidat erneut das Rennen machenBild: Iraqi Prime Ministry Press Office/AA/picture alliance

Auch der parteilose Regierungschef al-Kasimi, der im Mai 2020 - rund ein halbes Jahr nach dem Rücktritt seines Vorgängers Adel Abdel Mahdi - ins Amt kam, könnte als Kompromisskandidat wiederum Chancen haben. Der säkulare Politiker genießt im Westen hohes Ansehen, trat bei der Wahl aber selbst nicht an und verfügt über keine Hausmacht. Traditionell werden die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den höchsten Staatsämtern berücksichtigt: Der Präsident ist ein Kurde, der Parlamentspräsident ein Sunnit und der Ministerpräsident meistens ein Schiit.

Insgesamt waren rund 25 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Um Anschläge zu verhindern, wurden nach Militärangaben 250.000 Sicherheitskräfte eingesetzt. Einzelne Zellen der zurückgedrängten Terrororganisation "Islamischer Staat" sind weiterhin aktiv und verüben blutige Anschläge im Land. Die Extremisten hatten 2014 große Gebiete im Norden und Westen des Iraks überrannt.

jj/fw (dpa, afp, rtr)