1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Literatur

Leipziger Buchmesse: Das sind die Preisträger

Sabine Peschel
12. März 2020

Keine Festveranstaltung, kein Händeschütteln: Die Sieger erfuhren die Nachricht durch den Äther. Nach der Absage der Leipziger Buchmesse wurde der Literaturpreis der Messe im Radio vergeben.

Preis der Leipziger Buchmesse 2020 - Preisträgertitel
Bild: Preis der Leipziger Buchmesse 2020

Für den Preis der Leipziger Buchmesse war es eine echte Premiere. Nach der Absage der Messe war für die Vergabe der drei Preise in den Kategorien Übersetzung, Sachbuch und Belletristik ein alternativer Modus gefragt. Statt wie in allen bisherigen Jahren den Preis in der Glashalle der Leipziger Buchmesse zu vergeben, wurde die Bekanntgabe der Sieger in diesen Tagen wegen der Corona-Pandemie ins Radio verlegt. Als langjähriger Medienpartner der Leipziger Buchmesse hatte Deutschlandfunk Kultur am Donnerstagvormittag (12.03.) die Ehre, die Preisträger in einer Sonderausgabe der Literatursendung "Lesart" zu verkünden.

Mit Jens Bisky, Wiebke Porombka und Tobias Lehmkuhl waren drei von sieben Jurymitgliedern mit im Studio und beobachteten das Öffnen der Umschläge, während Verlagsmitarbeiter, Autoren und Autorinnen draußen im Land gespannt an den Radiogeräten saßen.

Belletristik-Preis für einen Gesellschaftsroman

Die Zuhörerinnen und Zuhörer im deutschlandweiten Sendegebiet interessierte sicherlich am meisten, wer den Preis in der Kategorie Belletristik bekommen würde. Eine große Überraschung wurde allgemein nicht erwartet, zu stark waren die Titel der erfahrenen Bestsellerautoren auf der Shortlist. Die Frage war nur: Würde es Ingo Schulze mit seinem Gesellschaftsroman "Die rechtschaffenen Mörder" oder Lutz Seiler für "Stern 111"?

Erfolgsautor Lutz SeilerBild: picture-alliance/dpa/H. Schmidt

Der Preis ging an Letzteren. "Dieser Roman leuchtet auf jeder Seite, und das mit menschenfreundlichem Humor", zitierte Wiebke Poromka die Jurybegründung. In Lutz Seilers kunstvollem Roman werde "groß und genau die Neuordnung der Dinge in einem plötzlich regellosen Raum beschreiben, in der Verquickung von Geschichtsschreibung und Privatmärchen."

Der zweite große Buchpreis für Seiler

"Stern 111" sei kein Wenderoman, sondern ein Roman über das Aufbrechen, in einer Zeit, als die Mauer gefallen ist, ergänzte Juryvorsitzender Jens Bisky. "Und das Besondere: Er spielt vordigital, mit der Geisteshaltung, dass man die Welt mit den richtigen Werkzeugen reparieren kann. Dabei entstehen auch unglaublich komische Szenen." Nicht nur nebenbei erzähle das Buch auch vom "veränderten Herzschlag in der Mitte Berlins".

Ein Kofferradio aus volkseigener DDR-Produktion "VEB Stern Radio"Bild: Wikipedia/S. Wallroth

Lutz Seiler hörte die Nachricht am Frühstückstisch und teilte die Freude über den Preis aus seiner "Lieblingsstadt Leipzig" durch den Äther sogleich mit seinem Verlag. Bei Suhrkamp hatte man tatsächlich eines der legendären DDR-Kofferradios "Stern 111" aufgetrieben, um davor auf die Bekanntgabe zu lauern. Für Seiler, der 20 Jahre lang als Lyriker geschrieben hatte, ist es nach dem Deutschen Buchpreis 2015 für seinen Roman "Kruso" nun schon der zweite große Literaturpreis. Hatte sich der Übergang von der Lyrik zur Prosa für ihn also gelohnt? "Im Grunde ist alles vom Ohr her geschrieben", betont Seiler die musikalischen Strukturen seiner Bücher.

Sachbuch-Preis für die Geschichte der mit Krebs verbundenen Gefühle

Für das beste Sachbuch wurde die Max-Planck-Forscherin am Berliner Institut für Bildungsforschung Bettina Hitzer ausgezeichnet. "Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts" ist eine überarbeitete Publikation ihrer Habilitation und sei als solche eine präzise wissenschaftliche Arbeit, gleichzeitig sei das Buch auch eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts, würdigte die Jury. Was hatte die Forscherin zu ihrem ungewöhnlichen Ansatz, die Krankheit Krebs als eine Geschichte von Gefühlen zu beschreiben, bewegt?

Bettina Hitzer erhält den Sachbuch-Preis 2020Bild: Imago-Images/teutopress

"Das war für mich eine sehr interessante, neue Perspektive, mit der man eben nicht nur die subjektive Erfahrung der Beteiligten in den Blick nehmen kann, sondern auch, wie solche Gefühle Entscheidungen mitprägen – auch in Bereichen, die man normalerweise nicht mit Gefühlen in Verbindung bringt: in der medizinischen Forschung, der Gesundheitspolitik", berichtete Hitzer. Der Umgang mit Gefühlen habe sich seit den 1960er Jahren stark gewandelt, man mache sie längst nicht mehr nur persönlich und privat zum Thema, sondern auch öffentlich. "Angst, zum Beispiel, ist neu bewertet worden. Gefühle sind nicht nur irrational, sondern haben auch mit Erkenntnis zu tun."

Übersetzerpreis für eine Amour Fou

Auch die Übersetzerin Pieke Biermann hörte am Radio zu, als der Preis für die beste Übersetzung an sie vergeben wurde. Sie erhält ihn für ihre Übertragung von Fran Ross' Roman "Oreo" aus dem amerikanischen Englisch. "Ich habe dieses Buch, das ja schon 1974 erschienen ist, durch Zufall entdeckt. Das war eine Amour Fou. Ein saukomisches, schwierig zu übersetzendes Buch", erzählt sie begeistert. Der Roman um die Geschichte einer dunkelhäutigen jungen Frau aus jüdischem Milieu auf der Suche nach ihrem Vater lasse sich nicht eng kategorisieren: "Er ist ein Genrehopper vom feinsten", beschreibt die Übersetzerin das Buch der afroamerikanischen Autorin. "Ein Schelmenroman, eine Gesellschaftssatire, ein ungeheuer gebildetes Buch, geschrieben in verschiedenen Soziolekten, einem Gemisch aus Jiddisch, ganz hohen Sprachen und auch Gossenjargon."

Pieke Biermann wird für ihre Übersetzung von "Oreo" ausgezeichnetBild: Imago-Images/W. Boegel

Dieses sprachliche Feuerwerk zu übersetzen und dabei "den Witz und das halsbrecherische Tempo der durch New York preschenden Superfrau" mitzutransportieren, müsse ungeheuer anstrengend gewesen sein, mutmaßte Jurymitglied Tobias Lehmkuhl. Schwierig sei es gewesen, räumte Pieke Biermann ein, großen Spaß hatte sie trotzdem. "Ich musste auch beim siebten, achten Überarbeitungsdurchgang immer wieder lachen, der Witz funktioniert so gut!"

Pragmatische Hilfe bei der Preisvergabe

"Die Leipziger Buchmesse und ihr Preis leben, auch wenn wir die Messe schweren Herzens absagen mussten", sagte Oliver Zille, Chef der Leipziger Buchmesse, und bedankte sich für die "pragmatische kollegiale Hilfe", die Preisverleihung ins Radio zu verlegen. Die nächste Buchmesse in Leipzig ist für März 2021 geplant. Dann wird der seit 2005 vergebene Preis, der mit insgesamt 60.000 Euro dotiert ist, hoffentlich wieder unter dem Beifall des Publikums und mit einem Blumenstrauß direkt an die Autorinnen und Übersetzer überreicht.

Diese Titel wurden 2020 ausgezeichnet:

Belletristik: Lutz Seiler, "Stern 111", Suhrkamp Verlag 2020, 528 Seiten

Sachbuch/ Essayistik: Bettina Hitzer, "Krebs fühlen. Eine Emotionsgeschichte des 20. Jahrhunderts", Klett-Cotta 2020, 540 Seiten

Übersetzung: Fran Ross, "Oreo", aus dem amerikanischen Englisch von Pieke Biermann, dtv 2019, 288 Seiten

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen