Leipziger Buchpreis verliehen
17. März 2022Keine Buchmesse - kein Problem: Die Preise der Leipziger Buchmesse wurden trotzdem verliehen, in den drei Kategorien "Belletristik", "Sachbuch/Essayistik" und "Übersetzung". Auch diese Preisverleihung stand im Zeichen des Krieges in der Ukraine. Sie begann mit einer eindringlichen Forderung nach der "sofortigen bedingungslosen Beendigung des Krieges", die Messedirektor Oliver Zille aussprach, bevor er die diesjährige Jury auf die Bühne bat.
"Ein brüllend komisches Antimärchen"
Der israelische Schriftsteller Tomer Gardi gewinnt den Leipziger Buchpreis für Belletristik. Der Wahlberliner hat mit "Eine runde Sache" einen so humorvollen wie klugen Roman geschrieben: Im ersten Teil, verfasst in einem gebrochenen und völlig falschen Deutsch, geht er selbst als Romanfigur auf eine Odyssee, gemartert von der Frage, ob er auf Deutsch oder Hebräisch schreiben soll. Im zweiten Teil, rückübersetzt aus dem Hebräischen, folgt er dem im 19. Jahrhundert lebenden indonesischen Maler Raden Saleh von Java durch Europa und zurück nach Asien.
Klingt irrwitzig, ist es auch, und hat die Jury hellauf begeistert: Sie bezeichnete den Roman als "Feuerwerk", als "tollkühn" und ein "brüllend komisches Antimärchen", in dem Gardi die deutsche Sprache "zauberhaft fehlerhaft" neu erfinde.
"Man möchte nicht aufhören zu lauschen"
Gewonnen in der Kategorie "Sachbuch" hat Uljana Wolf für das Buch "Ethymologischer Gossip: Essays und Reden". "Wow - es ist verrückt", sagte Wolf und bedankte sich bei allen Menschen, die ihr während des Entstehungsprozesses des Buches begegnet sind und mit zum Gelingen beigetragen haben.
Nach Auffassung der Jury hätte Wolf mit diesem einen Buch in allen Kategorien teilnehmen können. Es seien "hinreißende Gedichte und brillante Übersetzungen aus vielen Sprachen, "ein Musterbeispiel für Essayistik." Dieses Sachbuch sei nicht zuletzt ein Lachbuch und eine Liebeserklärung an das Werk anderer Dichterinnen und Dichter. "Ihrem ethymologischen Gossip möchte man gar nicht aufhören zu lauschen", so die Jury.
"Ein Roman Noir der Übersetzungskunst"
Preisträgerin in der Kategorie "Übersetzung" ist Anne Weber. Sie hat das Werk "Nevermore" von Cécile Wajsbrot aus dem Französischen ins Deutsche übersetzt. Dies sei nicht nur eine Übersetzung sondern ein Buch, in dem übersetzt werde, sagt die Preisträgerin. Im Klartext: Eine französische Autorin übersetzt "To the Lighthouse" von Virgina Woolf und das Übersetzte wird nun von Anne Weber ins Deutsche übersetzt. Es sei "ein Roman Noir der Übersetzungskunst," hieß es in der Laudatio.
"Der Preis ist wichtiger denn je"
Die Leipziger Frühjahrsbuchmesse ist normalerweise ein Publikumsmagnet. Nun ist sie coronabedingt zum dritten Mal in Folge abgesagt worden - zu viele große Verlage hatten ihre Zusagen an einer Teilnahme zurückgezogen. Die renommierten Buchpreise wurden dennoch vergeben. Zurecht. So sagte der Direktor der Buchmesse der Nachrichtenagentur dpa: "Der Preis der Leipziger Buchmesse hat durch die drei Messe-Absagen seit Beginn der Corona-Pandemie nicht gelitten - eher im Gegenteil: Er ist wichtiger denn je." Denn die fehlende Bühne bringe auch fehlende Aufmerksamkeit für Literatur mit sich. Durch den Preis aber gelinge es, auf ausgewählte Bücher dieses Schlaglicht zu werfen.
Zudem werden mit dem Leipziger Buchpreis auch Sachbücher und Übersetzungen prämiert - das macht die Auszeichnung in Deutschland einzigartig. Sie ist mit insgesamt 60.000 Euro dotiert, davon gehen 45.000 an die drei Gewinner - die 15 Nominierten aber gehen auch nicht leer aus: für den Platz auf der Shortlisthaben alle jeweils 1000 Euro erhalten. Insgesamt waren 441 Werke eingereicht worden.
Vielfalt wird immer wichtiger
Schon die Nominierungsliste hatte gezeigt, dass die Leipziger Jury zunehmend auf Vielfalt setzt. Die frühere Kritik, dass weibliche oder migrantische Perspektiven zu wenig wahrgenommen würden, ist offenbar angekommen.
Gefragt sind "originelle Themen und Gestaltung"
Immer wieder für eine Überraschung gut - dafür ist die Leipziger Jury bekannt. So findet man wagemutige, experimentierfreudige oder auch etwas abseitige Literatur auf den Nominierungslisten. Bereits am Mittwoch (16.3.) ist der österreichische Autor Karl-Markus Gauß mit dem Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2022 ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 20.000 Euro dotiert und wurde Gauß für sein Buch "Die unaufhörliche Wanderung: Reportagen" verliehen.
Die Alternative: Ein "Buchmesse Pop Up"
Die Absage der Buchmesse indes war mit Misstönen verbunden: Angesichts der Öffnungsstrategie in der Coronapandemie und des zeitgleich stattfindenden Literaturfestivals Lit:Cologne in Köln fragte man sich vielerorts, warum denn Leipzig nicht stattfinden könne - und wurde aktiv: Mehr als 60 kleinere und auch große Verlage, darunter Suhrkamp, C. H. Beck und Aufbau, kommen trotz Absage nach Leipzig und präsentieren vom 18. bis 20. März 2022 in einer spontan auf die Beine gestellten alternativen Buchmesse ihre Bücher und Autoren. Auch die Gastländer Portugal und Österreich zeigen sich, und die Initiative »weiter:lesen« bietet ebenfalls eine Bühne.
Das "Buchmesse Pop Up" versteht sich allerdings nicht als Gegenveranstaltung zur offiziellen Buchmesse, sondern als eine einmalige Sache, bevor - so hofft man - nächstes Jahr wieder alles so stattfinden kann wie früher und die Buchmesse wieder Hunderttausende zum Lesefest nach Leipzig lockt.