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Politik

Kurti: Serbien will Kosovo "bosnisieren"

Bekim Shehu
10. November 2021

Der Dialog zwischen Kosovo und Serbien ist wieder einmal ins Stocken geraten. Albin Kurti, der Premierminister des jüngsten Staates Europas, macht im Interview mit der DW die serbische Regierung dafür verantwortlich.

Kosovo Albin Kurti  DW Interview
Albin Kurti, Premierminister der Republik Kosovo, beim Gespräch mit der DW Bild: Bekim Shehu/DW

DW: Die neue Regelung Ihrer Regierung für Autokennzeichen aus Serbien, die nach Kosovo einreisen wollen, hat zu Protesten und Straßensperren im Norden Kosovos geführt - und dazu, dass der Dialogprozess mit Serbien wieder ins Stocken geraten ist. Zudem hat der EU-Beauftragte für Außenpolitik, Josep Borrell, den Einsatz von Sondereinheiten der Kosovo-Polizei kritisiert. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?

Albin Kurti: Wir haben entsprechend der Verfassung und den geltenden Gesetzen unseres Landes gehandelt. Am 15. September 2021 lief die Vereinbarung über die Autokennzeichen aus und wir haben eine neue Regelung beschlossen, die auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit basiert - nicht etwa, um jemanden zu verärgern oder sich an jemandem zu rächen.

Seit mehr als zehn Jahren müssen unsere Bürger, wenn sie mit dem Auto nach Serbien fahren wollen, fünf Euro bezahlen und provisorische serbische Nummernschilder an ihren Fahrzeugen anbringen, während dies bei der Einreise von Fahrzeugen aus Serbien nach Kosovo nicht der Fall war. Außerdem ist der Dialogprozess mit Serbien mehrmals ins Stocken geraten. Schuld daran ist Serbien, das Kosovo eindeutig "bosnisieren" will.

Serbische Protestierende bei den Unruhen in Kosovo im Oktober 2021Bild: AP Photo/picture alliance

Glauben Sie, dass Kosovo und Serbien bald ein Abkommen erreichen können? Welche Rolle sollen die EU und die USA dabei spielen?

Kosovo und Serbien können außerhalb des EU-Rahmens kein Abkommen erzielen. Die Europäische Union sollte Vermittler dieses Abkommens sein. Und das Abkommen sollte auf einer gegenseitigen Anerkennung basieren, das sollte der zentrale Aspekt sein. Im Moment ist es so, dass Serbien Kosovo nicht anerkennt und Kosovo Serbien auch nicht.

Indem Serbien die in Kosovo begangenen Verbrechen, also Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord nicht anerkennt, erkennt Serbien die Unabhängigkeit Kosovos nicht an, weil die Regierung in Belgrad diese als Ergebnis unseres Befreiungskrieges betrachtet, aber dabei vergisst, dass es die Verbrechen Serbiens waren, die die NATO gezwungen haben, in Europa gegen einen Staat zu intervenieren, der versuchte, eine Bevölkerung zu vertreiben, zu töten und zu vergewaltigen.

Albin Kurti und Vjosa Osmani im Wahlkampf im Februar 2021Bild: Visar Kryeziu/AP/picture alliance

Ein wichtiger Streitpunkt zwischen Pristina und Belgrad ist der sogenannte Verband der Gemeinden der serbischen Minderheit. Die EU fordert Pristina auf, diesen Verband aufgrund eines Abkommens aus dem Jahre 2013 zuzulassen. Was sagen Sie dazu?

Unsere heutige Präsidentin Vjosa Osmani und ich waren schon damals gegen eine Zulassung des Verbandes der Gemeinden der serbischen Minderheit. Heute führen wir unser Land - und finden weiterhin, dass das Abkommen von 2013 unter außerordentlichem Druck auf die Abgeordneten des kosovarischen Parlaments unterzeichnet wurde und dass es an Transparenz und den richtigen Informationen fehlte.

Hinzu kommt, dass auch das Verfassungsgericht von Kosovo 2015 festgestellt hat, dass ein Gemeindeverband auf ethnischen Grundlagen nicht in unser Rechts- und Verfassungssystem integrierbar ist. Mit dem Verband versucht Serbien in Kosovo etwas ähnliches zu erreichen wie in Bosnien und Herzegowina. Schauen Sie, in Bosnien haben wir mit der Republika Srpska einen Staat, der sich nicht Staat, sondern Republik nennt. Und in ähnlicher Weise möchte Belgrad in Kosovo einen Staat haben, der nicht Republik, sondern Verband genannt wird - und dieser soll im Rahmen der Republik Kosovo bestehen, die so genannt wird, aber kein Staat sein soll.

Wir haben also Lehren aus der Vergangenheit gezogen und die Taktik Belgrads studiert und analysiert. Es zeigt sich immer mehr, dass sich Serbien auf dem Westbalkan wie die Russische Föderation verhält und versucht, die Republika Srpska in Bosnien zu Belarus werden zu lassen, während Montenegro in eine Ukraine verwandelt werden soll. Der Kern der Sache ist also, dass Serbien Länder, die nicht in der Europäischen Union sind, d.h. Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Kosovo und sogar Nordmazedonien, nicht als reale Staaten anerkennt, sondern sie als temporäre Staaten betrachtet.

Edi Rama, Ministerpräsident von Albanien, und Albin Kurti im September 2021Bild: Office of the Kosovo Prime minister

Sie lehnen das Open-Balkan-Konzept, das Albanien, Nordmazedonien und Serbien vorantreiben wollen, kategorisch ab. Warum?

Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen den Situationen, in denen sich Albanien und Kosovo befinden, da Serbien Albanien als Staat anerkennt, Kosovo aber nicht. Diese Ablehnung Kosovos durch Serbien führt zu einer Diskriminierung unserer Bürger. Während also ein albanischer Staatsbürger mit seinem Reisepass nach Serbien reisen kann, gilt dies nicht für einen Kosovo-Bürger, da unsere Dokumente in Serbien nicht akzeptiert werden.

Damit der Balkan offen und frei wird, muss sich Serbien ein für alle Mal ändern. Wenn wir mit einem Serbien zusammenarbeiten, das sich nicht verändert, wird das Serbien nicht helfen. Ich bevorzuge Initiativen innerhalb der Europäischen Union. Wir unterstützen den Berliner Prozess und den aus diesem hervorgegangenen gemeinsamen Regionalmarkt, der natürlich Freizügigkeit und Qualifikationen sowie die Anerkennung von Berufs- und Studienabschlüssen braucht - aber Serbien akzeptiert das wiederum nicht für Kosovo.