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Politik

Öffentliche Befragung der Geheimdienste

5. Oktober 2017

Transparenz war lange ein Fremdwort für die drei Nachrichtendienste BND, MAD und Verfassungsschutz. Doch nach den Skandalen um NSA und NSU hat das Schweigen ein Ende. Nun gibt es die erste Anhörung mit Publikum.

Symbolbild Geheimdienst Akte Top Secret vertraulich
Bild: imago/INSADCO

Allein die Ankündigung klingt nach einer Sensation: Die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) und des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) äußern sich an diesem Donnerstag in aller Öffentlichkeit. Gemeinsam werden sie in Berlin drei Stunden lang die Fragen des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) beantworten. Normalerweise tagt dieser Ausschuss mindestens einmal pro Quartal - streng geheim, in abhörsicheren Räumen des Bundestags.

Dass es nun diese außergewöhnliche Premiere gibt, wäre ohne das teilweise gesetzeswidrige Agieren des BND im Zusammenhang mit der NSA-Affäre kaum denkbar. Aber im Zuge des vom Whistleblower Edward Snowden aufgedeckten transatlantischen Geheimdienst-Skandals drängten die parlamentarischen Kontrolleure auf mehr Befugnisse. Kernelement des 2016 reformierten PKGr-Gesetzes ist der Ständige Bevollmächtigte. Er ist im Auftrag des Gremiums für die "Prüfung von Sachverhalten" zuständig.

Vorsitzender des Kontrollgremiums ist ein Ex-Abgeordneter

Der Anfang des Jahres berufene Arne Schlatmann kann den Sicherheitsbehörden jederzeit Besuche abstatten und Akteneinsicht verlangen. Die ersten Erfahrungen des Verwaltungsjuristen sind positiv. Seine Gespräche seien von "Offenheit" geprägt, sagt er am Tag vor der öffentlichen Anhörung in einem Pressegespräch.

Bleibt einstweilen Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums: Christian BinningerBild: picture-alliance/dpa/M. Kappeler

Vorsitzender des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist weiterhin Clemens Binninger, obwohl er dem neuen Bundestag nicht mehr angehört. Der Christdemokrat hatte auf eine erneute Kandidatur verzichtet. Doch im Unterschied zu anderen Ausschüssen werden die PKGr-Mitglieder auf Vorschlag der Fraktionen vom Plenum des Parlaments gewählt und amtieren bis zur Neuwahl. Mit der rechnet Binninger erst Anfang 2018.

Christian Binninger: "Das Format ist kein Verhör"

Dass durch die Anhörung der Geheimdienst-Präsidenten Überraschendes bekannt werden könnte, glaubt der 55-Jährige nicht. Das Format sei kein "Untersuchungsausschuss light", kein "Verhör", eher eine Art Sachverständigenanhörung. Damit dämpft Binninger schon vorab allzu hochtrabende Erwartungen. Trotzdem hält er die neue Offenheit für einen Fortschritt. Hätte es schon früher mehr Transparenz gegeben, wäre manches Thema "vielleicht nicht so aufgeregt debattiert worden", glaubt der gelernte Polizeibeamte.

Ein Anhörungssaal des Bundestages gehört nicht zu den Lieblingsorten deutscher Geheimdienstchefs Bild: picture-alliance/dpa/Hannibal

Während seiner langen Zeit im PKGr, aber auch als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses zum "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) ärgerte sich Binninger oft darüber, der Presse-Berichterstattung "hinterhergehinkt" zu sein. Er will lieber selber Impulse setzen und die "Kontrolltiefe" verbessern - was mit Hilfe des Ständigen Bevollmächtigten und 20 zusätzlicher Stellen geschafft werden soll.

Anforderung für neue Mitarbeiter: technisches Verständnis

Allerdings sind davon erst zwölf besetzt. Die neuen Mitarbeiter sollen nicht zuletzt technisches Verständnis mitbringen - eine Lehre, die das Parlamentarische Kontrollgremium vor allem unter dem Eindruck der BND-Kooperation mit der National Security Agency (NSA) gewonnen hat. Die  Enthüllungen des ehemaligen NSA-Mitarbeiters Edward Snowden haben die Abgeordneten schlicht überfordert. Kein Wunder angesichts höchst komplexer Überwachungsprogramme mit so kryptischen Codewörtern wie "XKeyscore" oder "Prism".

"Prism" ist eines der Überwachungs-Programme, die im NSA-Untersuchungsausschuss Thema warenBild: imago/McPHOTO

Mit den Antworten in geheimen Sitzungen des PKGr oder bei öffentlichen Zeugen-Befragungen in Untersuchungsausschüssen war Binninger "nicht immer zufrieden".  Aber die Bereitschaft, über Vorgänge zu reden, sei "weit besser" als vor zehn Jahren. Weniger zufrieden ist der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, André Hahn (Linke). Angesichts der diversen Pannen und Skandale der Geheimdienste hätte die Anhörung vor der Bundestagswahl stattfinden müssen. "Union und SPD haben sich mit ihrer Mehrheit leider für einen anderen Termin entschieden", bedauert Hahn.

Für eine Befragung im Plenum

Wäre es nach der Linken gegangen, hätten sich die Geheimdienstchefs im Plenum des Bundestages den Fragen aller Abgeordneten zu stellen. Den nun fragenden PKGr-Mitgliedern seien die Vorgänge und Probleme bei den Geheimdiensten aus den regulären Gremiensitzungen ohnehin bekannt. Eine Befragung durch alle Parlamentarier wäre "weitaus weniger berechenbar" und damit auch für die Öffentlichkeit deutlich spannender, glaubt Hahn.

André Hahn, stv. Vorsitzender im Parlamentarischen Kontrollgremiums, wünscht sich noch mehr TransparenzBild: picture-alliance/dpa/A. Burgi

Immerhin habe er durchsetzen können, dass unter dem Tagesordnungspunkt "Aktuelles" auch Dinge angesprochen werden könnten, "die gerade in der Öffentlichkeit und auch medial eine Rolle spielen". Die anderen Themen stehen bereits fest: Stand der Reformen des BND und des Verfassungsschutzes nach dem NSA-Skandal einerseits und dem NSU-Skandal andererseits, Aufklärung von Extremismus und Terrorismus im In- und Ausland, Cyber-Spionage und Cyber-Terrorismus.

Die Anhörung wird im Livestream übertragen

Eine klassische TV-Übertragung der Anhörung wird es zwar nicht geben, aber der Bundestag bietet im Parlamentsfernsehen einen Livestream im Internet an. Und die Präsidenten der drei deutschen Geheimdienste werden sich an diese Form der Öffentlichkeit gewöhnen müssen. Denn sie ist laut PKGr-Gesetz jährlich vorgesehen. Beim zweiten Mal werden auch Fragen der AfD (Alternative für Deutschland) dabei sein. Binninger hielte es für falsch, die Rechtspopulisten auszuschließen. Damit würde man die neue Fraktion im Bundestag nur zum "Märtyrer" machen.

Bei der Premiere fehlt neben der AfD auch die FDP, weil das künftige Parlamentarische Kontrollgremium erst nach der konstituierenden Sitzung des Bundestages gewählt werden kann. Nur deshalb kann der Ex-Abgeordnete Binninger bei der mit Spannung erwarteten Befragung des Geheimdienstchefs dabei sein.         

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