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PolitikAfrika

Zurück zu einem "normalen Guinea"

Kossivi Tiassou
17. März 2022

Für den Übergang zur Demokratie hat sich Guineas Premierminister Mohamed Beavogui Großes vorgenommen. Im DW-Interview verspricht er Aufarbeitung in einem der schmerzlichsten Kapitel - und bittet um Zeit.

Mohamed Beavogui
Bild: Kennedy Abwao/MAXPPP/dpa/picture alliance

Ein halbes Jahr nach der Machtübernahme in Guinea gibt es noch keinen Zeitplan für die Rückkehr zu einer zivilen Regierung. Diese Woche nun will sich die regierende Militärjunta mit den politischen Parteien und der Zivilgesellschaft beraten. Dabei soll es auch um Fragen der nationalen Versöhnung und der Übergangsjustiz gehen.

Premierminister Mohamed Beavogui ist der Mann, der den versprochenen Übergang zurück zur Demokratie anführen soll. Auch Fragen der Gerechtigkeit sollen in dieser Zeit vorangetrieben werden, etwa die Aufarbeitung des Massakers von 2009, bei dem Sicherheitskräfte mehr als 150 Menschen in einem Stadion in Conakry töteten.

DW: Herr Beavogui, sowohl der Staatsstreich als auch Ihre Ernennung zum Premierminister wurden in Guinea gut aufgenommen, aber heute merkt man, dass die Schonfrist vorbei ist. Fühlen Sie das auch angesichts der Bildung einer Koalition aus 58 politischen Parteien, die einen strammen Zeitplan erfordert?

Mohamed Beavogui: Ich weiß nicht, ob wir eine Schonfrist hatten. Das Leben geht seinen gewohnten Gang. Es ist ein klassischer Ablauf: Nach solchen Veränderungen gibt es Euphorie, es gibt Erwartungen. Und dann geht man an die Arbeit. Und das in einem Kontext wie diesem, in dem COVID-19 die Wirtschaft getroffen hat - die ganze Welt hat darunter gelitten, unser Land ist davon nicht ausgenommen.

In einem Kontext, in dem es illegale Systeme gab, die die Wirtschaft am Laufen hielten, bringt der Übergang zu legaleren und gerechteren Systemen immer Schwierigkeiten mit sich. Das ist völlig normal. Wir haben die schlechten Schläuche, die unsere finanziellen Ressourcen angezapft haben, entfernt. Aber es ist nicht einfach, die Schläuche zu den Staatskassen wieder anzuschließen.  Die Dinge laufen nicht so schnell, wie es allgemein erwartet wird.

Denken Sie nicht, dass die Zeit des Wartens auf den Zeitplan bis zu den Wahlen in Guinea schon zu lange anhält?

Die Entscheidung, die mit der Charta (für den Übergang zu einer zivilen Regierung, vom September 2021) getroffen wurde, bestand darin, dem Nationalen Übergangsrat (CNT) und den verschiedenen Gruppen die Möglichkeit zu geben, über den Zeitplan zu entscheiden. Der CNT hat begonnen, die Bevölkerung im Land zu konsultieren, und jetzt wird die Arbeit am Zeitplan beginnen. Der politische Dialog wird eröffnet, um zu klären, wie man einen Rahmen für Diskussionen schaffen kann.

Im September 2021 übernahm das Militär unter Führung von Mamady Doumbouya die Macht in GuineaBild: CELLOU BINANI/AFP/ Getty Images

Der Regierungsfahrplan macht große Versprechen in Bezug auf den Aufbau der Infrastruktur und auf eine Bereinigung der Institutionen. Außerdem will er die mutmaßlichen Urheber des Massakers vom 28. September 2009 vor Gericht stellen, damit in Guinea endlich Gerechtigkeit herrscht. Hat die Übergangsregierung die Mittel, das zu tun, was die vorherigen Regierungen in Guinea, insbesondere die von Alpha Condé, nicht geschafft haben?

Der Prozess zum 28. September ist wichtig. Er ist wichtig für uns, für die Menschheit. Dieser Prozess wird stattfinden, wir haben es versprochen. Die Vorbereitungen gehen weiter und ich hoffe, dass der Prozess sehr bald beginnen wird, aber erst, wenn alle Bedingungen erfüllt sind, darunter die Vorbereitung des Justizsystems. In diesem Stadium beginnen wir mit der Änderung des Obersten Rats der Richter und Staatsanwälte. Die Justiz arbeitet. Damit es Gerechtigkeit, ich meine damit ein Urteil zum 28. September, geben wird. Unser Bestreben liegt darin, aus Guinea ein normales Land zu machen. Nicht mehr und nicht weniger.

Aber sind diese Ambitionen die Prioritäten einer Übergangsregierung? Sprich, die Politik der großen Bauvorhaben, die Begradigung oder auch der Prozess zu den Gräueltaten vom 28. September 2009?

Sie haben Recht, diese Frage zu stellen, denn die Veränderungen sind so tiefgreifend, dass sie nicht schnell gehen werden. Aber das Problem, das wir haben, ist, dass es ein Minimum braucht. Wenn man zu Ihnen nach Hause kommen kann, um Sie festzunehmen, nur weil Ihr Nachbar seine Beziehungen spielen lässt, wenn man Ihnen den Weg versperrt und Ihnen Geld abnimmt, wenn Sie Ihre Waren transportieren, ist das ein normales Leben? Können wir das einfach so stehen lassen und einen politischen Dialog führen?

Wir brauchen Gerechtigkeit. Zumindest die Opfer müssen spüren, dass dieser Übergang für jeden da ist. Uns ist bewusst, dass man nicht alles ändern kann, aber es gibt ein Minimum, das geändert werden muss, damit der politische Prozess auf einer echten Justiz, einer funktionierenden Mindestverwaltung und einer Wirtschaft, die ordentlich geführt wird, aufbauen kann.

Ein Jahr war Junta-Chef Moussa Dadis Camara an der Macht. Das Massaker vom September 2009 ist bis heute nicht juristisch aufgearbeitet.Bild: dpa/picture-alliance

Wir versuchen, alles zu tun, was wir können, um unsere Wirtschaft auf gute Weise zu verwalten. Heute sind alle Geldgeber zurück. Nicht ein einziger fehlt. Damit stehen uns finanzielle Mittel zur Verfügung. Und jetzt geht es für uns darum, uns an die Arbeit zu machen, während unsere Vertreter im CNT, unsere politische Klasse, unsere Akteure der Zivilgesellschaft sich an den Tisch setzen und gemeinsam das Guinea von morgen entwerfen.

Die Rolle der Regierung besteht darin, dafür zu sorgen, dass alle Bedingungen geschaffen werden, damit diese Dialoge ruhig und friedlich ablaufen können. Das ist jedenfalls der Wunsch von Oberst Mamady Doumbouya. Das ist es, was er will, und das ist es, was wir zu tun versuchen.

Lassen Sie uns zum Abschluss über die Ukraine-Krise sprechen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine wurde die Aluminiumfabrik in Mykolajiw in der Südukraine stillgelegt, die mit Bauxit aus Guinea betrieben wurde. Sehen Sie sich heute als Kollateralopfer dieses Konflikts zwischen Russland und der Ukraine?

Im Moment funktionieren hier in Guinea alle Industrien. Daher haben wir die direkten Auswirkungen dessen, was Sie gerade angesprochen haben, noch nicht gespürt. Was klar ist, ist, dass der Krieg in der Ukraine die ganze Welt betrifft. Der Preis für ein Barrel Öl ist bereits auf 140 US-Dollar gestiegen. Das hat Auswirkungen auf Guinea, so wie es Auswirkungen auf alle Länder der Welt hat. Und dann gibt es noch die anderen Aspekte des Handels, weil es einen Handel zwischen Russland, der Ukraine und uns gibt. Wir kaufen zum Beispiel viel Weizen in der Ukraine. Es ist also klar, dass es Auswirkungen geben wird.

Nun haben wir auf Regierungsebene einen Krisenausschuss eingerichtet. Ihm gehören natürlich auch Diplomaten an, denn vergessen Sie nicht, dass wir Landsleute in Russland und in der Ukraine haben und dass einige dieser Landsleute beschlossen haben, das Land zu verlassen und zurückzukehren. Wir arbeiten also zunächst einmal daran, dass unsere Bürgerinnen und Bürger geschützt werden. Sie werden betreut und ihnen wird geholfen. Wir haben den Botschaften kürzlich erhebliche finanzielle Mittel bereitgestellt, die direkt an die Betroffenen verteilt werden sollen.

Auf der strategischen Ebene denken wir natürlich über wirtschaftliche Fragen nach und über die Auswirkungen dieses Krieges, die zu den Auswirkungen von COVID-19 hinzukommen. Wie Sie wissen, arbeiten wir daran und werden die notwendigen Maßnahmen ergreifen, damit die Menschen in Guinea so wenig wie möglich betroffen sind.

Mohamed Beavogui ist ein ehemaliger Beamter und Experte für landwirtschaftliche Finanzen. Er arbeitete als UN-Regionaldirektor für West- und Zentralafrika und Direktor der African Capacity Building Foundation. Einen Monat nach dem Militärputsch in Guinea ernannte Putschistenführer Mamady Doumbouya ihn am 6. Oktober 2021 zum zivilen Premierminister des Landes.

Das Interview führte Kossivi Tiassou.