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Noch immer ein Kampf

Arian Fariborz 2. Mai 2007

Obwohl die Situation besser geworden ist, bedrohen nach wie vor einige Artikel des türkischen Strafrechtes massiv die Pressefreiheit. Davon sind besonders unabhängige und staatskritische Medienschaffende betroffen.

Türkischer Journaliste macht einen Aufsager, Quelle: AP
Für viele türkische Journalisten ist Berichterstattung kein einfacher JobBild: picture-alliance/dpa

In den Büroräumen des Mediennetzwerkes "Bianet" im Herzen des Istanbuler Stadtteils Beyoglu herrscht reger Betrieb: Auf der wöchentlichen Redaktionskonferenz werden letzte Details für den jährlichen Abschlussbericht zur Situation der Pressefreiheit besprochen. Das unabhängige Redaktionsteam, bestehend aus zehn Journalisten, hat sich zur Aufgabe gemacht, über ein Netzwerk lokaler Korrespondenten in der Türkei zu aktuellen politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ereignissen auf ihrer Webseite zu informieren.

Außerdem beobachtet "Bianet" regelmäßig die aktuelle Entwicklung der Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei. Auch 100 Tage nach der Ermordung von Hrant Dink, des Chefredakteurs der armenischen Wochenzeitung "AGOS", ist die Situation für unabhängige und staatskritische Medienschaffende in der Türkei nach wie vor gespannt.

"Der Fall Hrant Dink darf nicht isoliert von anderen Angriffen betrachtet werden, wie etwa jüngst in Malatya oder der Mord an einem katholischen Priester in Trabzon", meint "Bianet"-Redakteur Erol Önderoglu. "Man kann dahinter sehr leicht eine gemeinsame Mentalität in der Türkei entdecken, was Rassismus, Gewalt und leichgültiges, fahrlässiges Verhalten bezüglich der Angriffe gegen Minderheiten angeht."

Journalisten als Zielscheibe

Gedenken an Hrant Dink in IstanbulBild: AP

Mit dem Mord an Hrant Dink am 19. Januar 2007 verlor die armenische Wochenzeitung "AGOS" nicht nur ihren Chefredakteur und einen couragierten, streitbaren Journalisten, sondern auch einen wichtigen Vermittler, der sich in der Minderheitenfrage für eine friedliche Aussöhnung zwischen Armeniern und Türken eingesetzt hatte.

Dink gab vielen eine Stimme, die keine hatten. Sein Tod hinterließ einen tiefen Schock in der Redaktion und viele offene Fragen, wie es mit "AGOS" weitergehen kann, berichtet AGOS-Redakteur Markar Esayan: "Wir haben diesen Mord auch immer befürchtet, aber haben das verdrängt. Es gab danach natürlich zunächst einen inneren Rückzug in unserer Gemeinde, aber dann wurden wieder Stimmen bei uns laut, die weitermachen wollten." Dass "AGOS" weiter herauskommt und die Stimme von Hrant Dink nicht verstummt ist, habe der Gemeinde Hoffnung gemacht, erzählt Esayan.

Hoffnungsvoll stellt sich die Situation für "AGOS" heute auch dar, zumal das Interesse der Leser an der Zeitung sprunghaft gewachsen ist. Seit der Ermordung von Hrant Dink hat sich die Auflage der "AGOS" verdreifacht und seit wenigen Tagen ist die armenische Wochenzeitung auch in englischer Sprachversion im Internet abrufbar. Doch nach wie vor ist die Angst groß, einerseits erneut zur Zielscheibe ultra-nationalistischer Eiferer zu werden. Andererseits befürchten viele unbequeme Journalisten, wegen ihrer Berichterstattung auf der Anklagebank zu landen.

Selber reformieren

Hrant Dink war der erste Journalist in der Türkei, der wegen angeblicher "Beleidigung des Türkentums" nach Strafrechtsparagraf 301 rechtskräftig verurteilt wurde. Allein im vergangenen Jahr mussten sich 72 Journalisten aufgrund dieses berüchtigten Paragrafen vor Gericht verantworten; 35 weitere wegen Paragraf 216, der den Tatbestand der "Aufstachelung zu Hass und Feindschaft in der Bevölkerung" unter Strafe stellt.

Schriftsteller und Journalisten sind davon überzeugt, dass die häufigen Klagen von Staatsanwälten gegen Medienvertreter Methode haben, um die staatskritische Presse mundtot zu machen. Önderoglu von "Bianet" glaubt, dass die Türkei aus eigenen Anstrengungen Gesetzesreformen zur Garantie der Presse- und Meinungsfreiheit einleiten muss. Die Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union könnten nicht alle Probleme lösen: "Wir müssen auch darüber diskutieren, was in der Vergangenheit stattgefunden hat, um einen Ausgleich in der Gesellschaft zu erzielen. Wir müssen die anti-demokratischen Gesetze beseitigen und die Leute dazu bewegen, ihre Meinung über die Regierungspolitik offen zu sagen. Wir müssen das Parteiengesetz reformieren, so dass auch gewöhnliche Leute verstärkt in den Parteien vertreten sind. All diese Angelegenheiten müssen diskutiert werden, noch vor einem möglichen EU-Beitritt der Türkei."

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