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Pressefreiheit unter Beschuss

Peter Philipp27. Juni 2005

Journalisten müssen im Irak um ihr Leben fürchten, wenn sie kritisch über den Terror schreiben. Westliche Reporter werden von ihren Regierungen bedrängt, das Land zu verlassen: Sie wollen Erpressungen aus dem Weg gehen.

Wer gegen den Terror schreibt, lebt gefährlichBild: AP

Spätestens seitdem der katarische Fernsehsender "Al-Dschasira" immer wieder Videobotschaften des verschwundenen "El-Kaida"-Führers Osama Bin Laden ausstrahlte, galt der populäre Satellitenkanal in Washington als Handlanger des saudischen Erzterroristen. Während des amerikanischen Einmarsches im Irak wurde – sicher nicht ganz versehentlich – das "Al-Dschasira"-Büro in Bagdad bombardiert, später wurde dem Sender vorübergehend die Akkreditierung entzogen. Für Abu Moussab al Sarkawi, den selbsternannten Stellvertreter Bin Ladens im Irak, gehört "Al-Dschasira" inzwischen aber zur Gegenseite: Auf seiner Internetseite wurde dem Sender vorgeworfen, er befolge die amerikanische Linie.

Aus "Widerstand" wurde "Terror"

Blick in den Regieraum des arabischen Nachrichtensenders Al ArabijaBild: dpa

Solch eine Beurteilung kommt im heutigen Irak fast einem Todesurteil gleich: Der Korrespondent des arabischen TV-Senders "Al Arabija" entging kürzlich nur knapp einem Anschlag und auch andere arabische TV-Korrespondenten sind ihrer Haut nicht mehr sicher. Der Hauptgrund hierfür ist die in zunehmendem Maße differenzierte Berichterstattung dieser Medien über den täglichen Terrorkrieg im Irak: Längst sprechen diese Sender nicht mehr von "Widerstand" oder "Befreiungskampf", sondern von "Terror-" oder doch zumindest "Selbstmordanschlägen", deren Zielscheibe in erster Linie Iraker seien und nicht die Amerikaner.

Banden sind scharf auf Lösegeld

Westliche Journalisten wie die Italienerin Giuliana Sgrena werden oft von Banden entführt, um Lösegeld zu erpressenBild: AP

Noch mehr als die arabischen Korrespondenten geraten freilich weiterhin westliche Journalisten unter Druck. Im Irak gibt es nicht die anderenorts bekannte Situation, in der Untergrundkämpfer Zugang zu westlichen Medien suchen, weil diese meist bereit sind, mit ihren Berichten die Botschaft dieser Gruppen weiterzutragen. Im Irak sind westliche Journalisten Freiwild: Werden sie nicht von den Terroristen selbst getötet oder gefangengenommen, dann droht ihnen die Entführung durch kriminelle Banden, die sie dann an die Terroristen weiterverkaufen oder auch an die Regierungen ihrer Herkunftsländer.

Aus Sicherheitsgründen zum Gehen gedrängt

Besonders italienische und französische Journalistinnen und Journalisten wurden im zurückliegenden Jahr Opfer solcher Entführungen. Ihre Regierungen bestreiten bis heute, sie freigekauft zu haben, ein jüngster Vorfall scheint genau dies nun aber zu bestätigen: Anne-Sophie Le Mauff, die letzte französische Journalistin in Bagdad, erhielt dieser Tage Besuch vom irakischen Geheimdienst, der der freien Journalistin mitteilte, ihr 15-monatiger Aufenthalt im Irak sei beendet. Nicht weil sie sich in ihren Berichten für eine Reihe frankophoner Zeitungen und Rundfunkanstalten unbeliebt gemacht habe, sondern aus Sicherheitsgründen.

Gefahr für Unterhändler

Unterhändler haben ein hohes Risiko - der italienische Agent Nicola Calipari starb bei der Befreiung von Giuliana SgrenaBild: AP

Es dauerte nicht lange, bis durchsickerte, dass Paris hinter der Aktion steckte: Wenige Tage nach der Befreiung der französischen Reporterin Florence Aubenas aus fünfmonatiger Geiselhaft ist Paris offenbar zum Schluss gekommen, ohne französische Pressevertreter in Bagdad ein Problem weniger zu haben und weniger erpressbar zu sein. Ganz abgesehen von den Kosten, die ein Freikauf von Geiseln verursacht, und erst recht von den Gefahren, in die sich die Unterhändler begeben. Der Fall des italienischen Agenten Nicola Calipari ist exemplarisch hierfür: Calipari handelte im März 2005 die Freilassung der entführten Journalistin Giuliana Sgrena aus und wurde auf dem Weg zum Flughafen von US-Soldaten erschossen.

"Verletzung der Pressefreiheit"

"Reporter ohne Grenzen" verurteilte die Ausweisung von Anne-Sophie Le Mauff (die sich inzwischen "vorübergehend" in Jordanien niedergelassen hat): Man wisse zwar um die Gefahren für Journalisten im Irak, aber es stelle eine schwere Verletzung der Pressefreiheit dar, wenn die französische Regierung Korrespondenten zum Verlassen des Irak zwinge. Ob ein fremder Journalist im Irak arbeite oder nicht, sei dessen eigene Entscheidung und die seiner Arbeitgeber und sie dürfe nicht vom Kalkül einer Regierung abhängen.

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